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Patient auf dem OP-Tisch

IRLAND Mit schmerzhaftem Sparhaushalt in den Wahlkampf

13.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
2 Min

Der drastische Sparhaushalt ist verabschiedet, in Irland beginnt der Wahlkampf. Wie es sich gehört, macht der Taoiseach (das gälische Wort für Häuptling) den Anfang. Er sei "stolz auf die guten Zeiten, in denen wir sozial und wirtschaftlich vorangekommen sind", teilte Premierminister Brian Cowen vergangene Woche mit. "Aber unser im weltweiten Vergleich sehr hoher Lebensstandard war nicht durch unseren Wohlstand gedeckt, und das müssen wir einsehen."

Keine ermutigende Nachricht, die der Chef der Koalitionsregierung aus nationalkonservativer Fianna Fáil-Partei (FF) und Grünen den 4,5 Millionen Iren vermittelt. Über seine eigene, erhebliche Mitschuld an der Misere redet der frühere Finanzminister Cowen gar nicht erst, schließlich liegt die Zustimmung für seine Person nur noch bei acht Prozent. Bei der letzten Wahl zur Dáil, dem irischen Parlament, lag die ans Regieren gewohnte FF 2007 noch bei 42 Prozent. In jüngsten Umfragen fiel sie dagegen sensationell auf 13 Prozent und damit auf Platz vier zurück. Würde heute gewählt, verlören rund 50 von derzeit 75 FF-Abgeordneten ihren Sitz.

Neuwahlen im Frühjahr

Die Opposition wollte noch vor Weihnachten an die Urnen rufen; inzwischen sieht es danach aus, als werde frühestens im März gewählt. Die desillusionierten Grünen, die Cowen im November zur Ankündigung vorgezogener Neuwahlen zwangen, brauchen Erfolge und pochen auf neue Gesetze zur Parteienfinanzierung und zum Klimaschutz. Das kostet Zeit. Dabei ist die Dáil völlig ausgelastet mit der Bewältigung der Wirtschaftskrise.

Woche für Woche verabschieden die Parlamentarier Schmerzhaftes: die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Senkung des Mindestlohnes, Sozialkürzungen, Rentenkürzungen - insgesamt Einsparungen von sechs Milliarden Euro. Das alles gilt als Voraussetzung für die wirtschaftliche Erholung. Viele Ökonomen bleiben skeptisch, ob die Wachstumsprognosen der Regierung von durchschnittlich 2,75 Prozent für die kommenden Jahre in Erfüllung gehen. Das brutale Sparpaket könne die Konjunktur auch abwürgen, glaubt ein Londoner City-Trader. Drastisch formuliert es Edgar Morgenroth vom renommierten Wirtschaftsforschungs-Institut ESRI in Dublin: "Wenn Sie dem Schwerkranken zuviel zumuten, stirbt der auf dem Operationstisch."

Die Regierung pocht auf das Sparprogramm als Voraussetzung für das Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds IWF im Gesamtwert von 85 Milliarden Euro. In der Bevölkerung stößt die Hilfe indes auf wenig Begeisterung: Die EU, so lautet eine häufig geäußerte Meinung, sei ausschließlich an der Rettung jener Großbanken in Deutschland, Großbritannien und anderswo interessiert gewesen, bei denen die insolventen irischen Banken in der Kreide stehen.

Dass deren Probleme vor der Lösung stehen, wie die Regierung beteuert, glaubt in Dublin kaum jemand. Immerhin sehen Experten wie Paul Robinson, Europäischer Chef-Devisenhändler bei Barclays Capital in London, die grüne Insel nicht als Hauptproblem der Euro-Zone: "Griechenland sieht sehr heikel aus. Bei Irland scheint mir die Furcht vor einem Staatsbankrott übertrieben."