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Das wichtigste Schmiermittel unserer Zeit

Bodenschätze Der Journalist Peter Maas über Kleptokraten und Korruption - und das Geschäft mit dem Öl

13.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
4 Min

Diamanten aus zweifelhafter Quelle werden als Blutdiamanten bezeichnet. Aus meist zweifelhafter Quelle sprudelt auch allzu oft Erdöl, dieser ganz besondere Saft. Von Paul Getty, dem Ölmilliardär, stammt der Spruch: "Die Sanftmütigen werden das Land erben, nicht aber die Ölrechte." Um diese und die menschliche Moral dreht sich das Buch von Peter Maass, preisgekrönter Korrespondent des "New York Times Magazine". Mit einem immensen Rechercheaufwand hat er vier Jahre lang das Geschehen in den Fördergebieten und an den internationalen Ölmärkten beobachtet. Die einzelnen Kapitelüberschriften des Buchs geben beredt Auskunft darüber, was er dort vorgefunden hat: Knappheit, Plünderung, Verkommenheit, Verseuchung, Gier, Gelüste, Entfremdung...

Paradox ist, wenn die an Öl und anderen Bodenschätzen reichsten Länder der Erde und vor allem ihre Bewohner bettelarm sind. Das ist ein Sachverhalt, der - von wenigen Ausnahmen wie etwa Norwegen oder Kanada als ölfördernden Ländern einmal abgesehen - auf die meisten Staaten zutrifft, die dem Rest der Welt den begehrten Treib- und Schmierstoff liefern.

Vieles weiß man inzwischen über die Hinterlassenschaft der Ölmultis, über die gnadenlose Ausbeutung des Bodens und der Menschen - spätestens seit der Exxon-Valdez-Katastrophe und allerspätestens seit der im Golf von Mexiko in diesem Jahr. Aber das Buch erscheint deshalb zur rechten Zeit, weil Maass die ganze Brutalität, die Menschenverachtung von Käufern und Verkäufern, den Verfall der sozialen Gefüge, die beispiellose Zerstörung menschlicher Lebens- und Wirtschaftsräume in diesen "reichen" Ländern bei diesem Geschäft detailliert beschreibt und seine Akteure benennt.

Äquatorialguinea

Als Beispiel aus jüngster Zeit führt er ein winziges Land an der Westküste Afrikas an. Zwar trägt es nur mit 0,1 Prozent zum Gesamtwert aller Erdölexporte bei, aber die Einnahmen reichen für die "Staatselite" aus, ein Leben in Saus und Braus zu führen. Und die Plünderung zeigt exemplarisch, dass Despoten, Massenmörder, Kleptokraten stets dieselben geblieben sind, nur heute auf höherem finanziellen Niveau. "Selbst wenn Mutter Theresa Präsidentin von Äquatorialguinea wäre, stünden die Chancen sehr schlecht, dass ihre Untertanen durch die Bodenschätze des Landes reich würden", geißelt Maass die dortigen Zustände.

Doch damit nicht genug: Der Herrscher und seine Sippe werden in den USA als Geldgeber für Parteien geschätzt, von ihren Bankern und den Ölfirmen in wohlgesetzten Worten bei jedem Anlass als "demokratisch gewählte" Staatsmänner gewürdigt. Die Spitze der Washingtoner Riggs-Bank, die die Geldkoffer persönlich transportierte, bediente sich kräftig an den Milliardenkonten der afrikanischen Herrscher. Die US-Regierung wiederum zahlte einem berüchtigten Folterer des Regimes für die Anmietung ihres Botschaftsgebäudes in der Hauptstadt über lange Jahre monatlich 17.500 US-Dollar. Erst die Recherchen eines Journalisten ließen die merkwürdigen Geschäftsverbindungen auffliegen. Der US-Senat veröffentlichte nach eigenen Ermittlungen einen Bericht mit dem Titel: "Geldwäsche und ausländische Korruption. Fallstudie zur Riggs Bank." Maass schlägt einen anderen Titel vor: "Wie ein Despot sein Land mit Hilfe amerikanischer Bankiers und Ölindustrieller ausplünderte." Der Senat merkte an, "dass in Äquatorialguinea, wie in den meisten Kleptokratien, Herrscherfamilie, Regierung und Wirtschaftselite ein und dasselbe sind". Doch Äquatorialguinea steht nur charakteristisch für viele andere Staaten.

Nigeria

Nichts läuft ohne Öl, aber mit Öl läuft allzu oft auch nichts mehr - das reicht bis zum Exitus von Ländern, die trotz ihres ungeheuren Erdölreichtums schon beinahe zur Gruppe der "failed states" gehören. Nigeria etwa verdiente in den letzten Jahrzehnten mehr als 400 Milliarden Dollar durch das Öl. Doch neun von zehn Bürgern leben von weniger als zwei Dollar am Tag. Jedes fünfte Kind wird nicht einmal fünf Jahre alt. Präsidenten, Generäle, Manager, Mittelmänner, Buchhalter, Bürokraten, Polizisten - sie alle sorgen für die Aufrechterhaltung einer Minimalordnung, die ihnen die weitere Ausbeutung der Bodenschätze ermöglicht.

Im Amazonsasbecken führt die Ölförderung zur Verschmutzung einer ganzen Region. In einer vorher völlig unberührten Urwelt, in der kaum bekannte Völker, Tiere und Pflanzen heimisch sind, schwappt eine dunkle, Brechreiz erzeugende flüssige Masse: hochgiftiges Wasser, das mit dem Öl nach oben steigt und die Luft verpestet. Und dann sind da noch die Saudis, die ihre Herrschaft auch mit Zahlungen an islamistische Terrorgruppen stützen oder schützen. Nicht zu vergessen der Aufstieg Wladimir Putins, der ohne das russische Öl und Gas wohl kaum denkbar gewesen wäre. Öl schafft und stützt Herrschaft.

Das Buch von Maasss ist ein Bericht über gigantische Profite, Korruption, Missachtung der Menschenrechte und Umweltzerstörungen von unvorstellbaren Ausmaßen. Deshalb und weil es die dafür Verantwortlichen benennt, leistet es einen bedeutenden Beitrag zur Aufklärung über die blutigen Geschäfte mit dem wichtigsten Schmiermittel unserer Zeit. Also weg vom Öl, wie in vielen westlichen Ländern inzwischen propagiert wird? Dazu merkt Peter Maass lapidar aber treffend an: "Wir verfügen über genügend Lösungsansätze; woran es mangelt, ist Entschlossenheit."

Peter Maass:

Öl. Das blutige Geschäft.

Droemer Verlag, München 2010; 352 S., 19,95 €