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Terror, Stuttgart 21 und ein Vulkan

VERKEHR Politiker und Bürger waren mit ungewöhnlichen Problemen und Stillstand am Himmel konfrontiert

13.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
4 Min

Angela Merkel ahnte nichts Böses, als sie am 15. April nach einem Staatsbesuch in den USA ihre Heimreise nach Berlin antrat. Am Ende führte sie diese über Lissabon und Rom sowie per Bus nach Bozen und von dort, ebenfalls auf vier Rädern, schließlich zurück ins Kanzleramt. Nicht nur bei der Kanzlerin, in ganz Europa sorgten die Turbulenzen, die der isländische Vulkan Eyjafjalla durch seine Aschewolke in der Luft verursachte, für Wirbel.

In der Nacht zum 21. März war der Vulkan nach fast 200 Jahren wieder ausgebrochen. Rund ein Dutzend Länder sperrten am 16. April ihren Luftraum ganz oder teilweise. Die Lufthansa schätzte ihren täglichen operativen Verlust auf 20 bis 25 Millionen Euro. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayerhuber kritisierte die Sperrung des Luftraums als übertrieben, Verkehrsminister Peter Ramsauer erwiderte, für ihn stehe Sicherheit an erster Stelle. Am 21. April hob die Flugsicherung letzte Einschränkungen für Verkehrsflugzeuge in Deutschland wieder auf. Am 4. Mai einigten sich die EU-Verkehrsminister auf einheitliche Grenzwerte für Vulkanasche. Es gelte das Drei-Zonen-Modell: freier Flug bei weniger als 0,2 Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft; eingeschränkte Erlaubnis bei Werten zwischen 0,2 und zwei Milligramm; und bei allem, was darüber liegt: Flugverbot.

Terrorwarnungen

Ende Oktober drohte jenseits des Atlantiks Unheil aus der Luft. Zwei verdächtige Pakte sorgten für Aufregung. Mit ihnen wollten islamistische Terroristen ein Flugzeug über den USA sprengen. Vom Jemen aus war der in einer Druckerpatrone versteckte Sprengstoff über Dubai nach Deutschland gelangt. Auf dem Flughafen Köln/Bonn wurde die Paketbombe umgeladen, aber erst beim Zwischenstopp im britischen Nottingham entdeckt und entschärft. In Deutschland wurde die Frage laut: Passagiere werden hart kontrolliert, Fracht dagegen nicht. Warum?

In der Lieferkette müssen Schlupflöcher bei der Kontrolle gestopft werden, darüber herrschte weitgehend Einigkeit. Ein Stab der Regierung nahm seine Arbeit auf. Ziel: die der Frachtsicherheit innerhalb Deutschlands, in der Europäischen Union sowie bei der Zusammenarbeit mit Flughäfen in Drittländern. Innenminister Thomas de Maizière forderte eine "Rasterfahndung" für Pakete, Verkehrsminister Peter Ramsauer und Wirtschaftsminister Minister Rainer Brüderle warnten hingegen vor zu hohen Kosten für die Luftfrachtbranche.

LKW-Maut

Für Zündstoff in der Verkehrspolitik sorgte in diesem Jahr auch die Straße. Vor allem das Dauerbrenner-Thema "Lkw-Maut". Im Juni wurde die Absicht der Bundesregierung publik, die Maut auf Ausweichstrecken auszudehnen - und damit auch die "Abweichler" der Mautstrecke zur Kasse zu bitten. Hintergrund: Die vierspurigen Bundesstraßen entwickeln sich immer mehr zu Maut-Ausweichstrecken. Daher will die Regierung ab 2011 auch dort abkassieren. Die Lkw-Maut brachte dem Bund im vergangenen Jahr Einnahmen von 4,4 Milliarden Euro. Sie gilt bisher nur für Autobahnen und wenige Bundesstraßen.

Elektromobilität

Auf breitere Akzeptanz kann die Bundesregierung hingegen mit ihrem Vorhaben zählen, die Elektromobilität in Deutschland voranzubringen - und diese mit den erneuerbaren Energien in der Industrie eng zu verknüpfen, ganz im Sinne des Klimaschutzes. Mit eben diesem Ziel hat die Bundesregierung im Mai gemeinsam mit den beteiligten Industriebranchen, mit Wissenschaft und Forschung sowie Vertretern der Zivilgesellschaft die Nationale Plattform Elektromobilität etabliert. In sieben Arbeitsgruppen sollen Experten branchen- und fachübergreifend die Chancen und Stärken Deutschlands in diesem Bereich ermitteln.

Anfang des Jahres hatten Verkehrsminister Peter Ramsauer und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bereits die "Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität" (GGE) der Bundesregierung eingerichtet. Ziel der GGE ist es, die Ressortzusammenarbeit bei dem Zukunftsthema Elektromobilität effizient zu bündeln. Die Industrie fordert indes staatliche Hilfen bei der Forschung. Bislang wird die Elektromobilität in Deutschland mit 500 Millionen Euro gefördert.

So mancher Aspekt der Verkehrspolitik droht im Jahresrückblick allerdings unterzugehen im Lärm der Proteste gegen das Projekt der Deutschen Bahn "Stuttgart 21". Die Demonstrationen gegen das milliardenschwere Verkehrs- und Städtebauprojekt, das unter anderem die Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof vorsieht, führten am 30. September 2010 zu einem Wendepunkt. Mehrere tausend Menschen hatten im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart gegen das Projekt protestiert. Bei dem Polizeieinsatz wurden bis zu 400 Menschen durch den Einsatz von Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray verletzt.

Die Folge waren acht "Schlichtungsgespräche" zwischen Projektbefürwortern und -gegnern, bei denen Heiner Geißler ein Comeback in der politischen Öffentlichkeit feierte und als Schlichter die erhitzten Gemüter zu einer sachlichen Argumentation zurückführte. Die Runden konnten live im Internet und im Fernsehen verfolgt werden, weswegen Geißler diese als "Demokratie-Experiment" bezeichnete. Am 30. November sprach er sich in seinem Schlichterspruch im Grundsatz für das Projekt aus, schlug aber eine Reihe von Veränderungen unter dem Titel Stuttgart 21 Plus vor.

Freude für Hausbesitzer

Über gute Nachrichten aus dem Bereich der Baupolitik durften sich im Herbst die Hausbesitzer freuen: Im kommenden Jahr sollen die Fördermittel für die Energiesanierung von Gebäuden um 500 Millionen aus Mitteln des neu geschaffenen Energie- und Klimafonds auf 950 Millionen Euro aufgestockt werden, wie im September publik wurde. 2010 waren es nur 374 Millionen Euro. Hauseigentümer haben damit eine bessere Chance, von der KfW-Bankengruppe finanzielle Unterstützung für die Dämmung von Fassaden oder zum Einbau neuer Heizungen oder Fenster zu bekommen.

Die Städtebauförderung, die im Jahr 2011 ihr 40-jähriges Jubiläum feiert, muss hingegen im kommenden Jahr mit Kürzungen der Finanzmittel um 25 Prozent auf 455 Millionen Euro leben. Das Programm "Soziale Stadt" wurde nach dem Haushaltsgesetz 2011 von 95 Millionen auf 28,5 Millionen Euro gekürzt.