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Kollisionsgefahr in der Luft

WINDKRAFT Greifvögel werden zu Opfern der Rotoren

17.01.2011
2023-08-30T12:16:35.7200Z
3 Min

Den Regenerativen Energien gehört voraussichtlich die Zukunft. Die Nutzung der Windkraft liefert schon jetzt einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. In Deutschland drehten sich im Sommer 2010 bereits 21.315 Windräder, die ihren Beitrag zur Stromgewinnung leisten. Heute könnten es schon wieder ein paar Anlagen mehr sein. Doch es gibt auch Opfer dieser modernen Technologie: Vögel und Fledermäuse, die in die Windräder hinein segeln oder mit den Masten kollidieren und getötet werden. Andere Tiere berühren Freileitungen und erleiden dabei einen tödlichen Stromschlag.

Kleine Anfrage

Das Schicksal der Tiere hat auch schon die Abgeordneten des Bundestags beschäftigt. So konstatierte die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/4267) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3964) zum Thema "Vogelschutz an Freileitungen", nach gegenwärtigem Kenntnisstand seien hauptsächlich mittelgroße und große Vogelarten betroffen, darunter die auf der Roten Liste stehenden Weiß- und Schwarzstörche sowie Schleiereulen, Uhus und verschiedene Greifvogelarten.

Datenbank

Um einen Überblick über die Anzahl der getöteten Tiere zu bekommen, werden bei der Vogelschutzwarte Brandenburg die Daten zu Vogel- oder Fledermauskollisionen mit den Windrädern aus ganz Deutschland gesammelt. Das Institut ist dem Landesumweltamt Brandenburg angeschlossen. Seit Beginn der Zählung im Jahr 2002 wurden bis zum 15. September 2010 deutschlandweit 1193 tote Vögel sowie 1328 Fledermauskadaver gemeldet. Bei dieser Datenbank handelt es sich nach Auskunft von Friedhelm Igel vom Bundesamt für Naturschutz um keine gezielte, systematische Erfassung der fliegenden Unfallopfer. Es werden lediglich die in der Landschaft gefundenen toten Tiere gezählt und die Zahlen nach Brandenburg gemeldet.

Greifvögel

Durch die Zählungen in allen Bundesländern fiel auf, dass besonders viele Greifvögel unter den Unfallopfern waren oder, wie es ein Landwirt und Jäger aus Niedersachsen, der selbst Windräder auf seinem Besitz hat und gelegentlich tote Vögel findet, uncharmant ausdrückte: "Die Rotmilane und Mäusebussarde stellen sich besonders blöde an." Die Statistik gibt seinen Beobachtungen Recht. Unter den in der Vogelschutzwarte insgesamt registrierten 1.193 toten Vögeln waren 138 Rotmilane und 158 Mäusebussards. Aber auch viele Feldlerchen und Stare verendeten in der Nähe der Windräder.

Diese Erkenntnis kam für die Forscher zunächst überraschend. In einer Interpretation der Datenbank von 2003 heißt es: "Dies ist ein völlig unerwartetes Resultat, denn Greifvögel sind nicht nur durch die Morphologie des Auges zu sehr gutem Sehen befähigt, sondern haben auch einen relativ großen Bereich binokularen Sehens. Verluste treten dennoch nicht nur unter widrigen Sichtbedingungen, sondern selbst bei bestem Wetter auf."

Erklärungsversuche

Eine Erklärung dafür, dass besonders häufig Vogelarten betroffen sind, die in Agrarlandschaften jagen, wie beispielsweise Mäusebussarde, Rotmilane oder Seeadler, könnten laut Friedhelm Igel sein, dass sie bei der Jagd nach Mäusen oder Hasen auf die Erde schauen und nicht gucken, wohin sie fliegen. Außerdem haben sie keine Scheu vor den Mastanlagen. Im Gegenteil: Die erfahrenen Jäger wissen, dass die Brachflächen rund um die Windanlagen Mäusen, Ratten und anderen Kleinsäugern einen geeigneten Lebensraum bieten. So fliegen die Greifvögel die Anlagen gezielt ab, um Beute zu machen. Das kann für den Jäger fatal enden, wenn er nicht aufpasst. Die Kadaver der Anflugopfer locken dann wieder weitere Greifvögel an.

Die Forscher gehen auch davon aus, dass Vögel, die regelmäßig größere Strecken fliegen, beispielsweise bei der Balz und zur Nahrungssuche bei der Aufzucht ihrer Jungen, eher betroffen sind. Auch schätzen die Flugtiere die Umlaufgeschwindigkeiten der Rotorspitzen von bis weit über 200 Stundenkilometern unter Umständen falsch ein oder sie fliegen die Windräder als mögliche Sitzplätze an und geraten dann in den Sog der rotierenden Motoren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Kollisionsrisiko weniger ein visuelles Problem der Tiere ist. Das Problem scheint eher darin zu bestehen, dass die Vögel kein Vermeidungsschema haben und somit die Bewegungen der Rotoren nicht einkalkulieren können.