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Immer das Gleiche auf allen Kanälen

WAHLKAMPF Die Möglichkeiten des Internets werden überschätzt oder falsch genutzt

24.01.2011
2023-08-30T12:16:36.7200Z
3 Min

Der Medienwissenschaftler Andreas Elter hat schlechte Nachrichten für alle Wahlkämpfer, die im Internet auf Stimmenfang gehen. Sein Fazit: Wer geglaubt hat, in den Weiten des World Wide Web das Wahlvolk besser für den Gang zur Wahlurne mobilisieren zu können als über die klassischen Medien oder die bekannten Formen des Wahlkampfes, der sieht sich getäuscht. Elter hat den vergangenen Bundestagswahlkampf der Parteien im Internet, vor allem in den sozialen Netzwerken wie "Facebook", "Youtube" oder "StudiVZ" sowie in Blogs und Twitter des so genannten Web 2.0 ausgewertet und geprüft, wer dort besonders gut abschnitt.

Die Ergebnisse sind ernüchternd: "Häufig richteten sich die Angebote an bereits parteiaffine Sympathisanten oder Mitglieder - seltener an noch unentschlossen Wahlberechtigte. Zur Information haben die neuen Kommunikationsformen also durchaus beigetragen, zum Dialog und zur Interaktivität mit dem ,normalen' Wähler indes weniger." Was Elter hier etwas wissenschaftlich-steif vorträgt, heißt letztlich nichts anderes, als dass die Parteien die neuen Möglichkeiten des Internets noch immer nicht richtig verstanden haben oder ihnen letztlich schlicht und ergreifend die Mittel fehlen, um diese zu nutzen. Eine direkte und vor allem interaktive Kommunikation zwischen Parteien und Wählern setzt eben auch entsprechende Personalreserven voraus. Eine Partei, die auf die individuellen Anfragen der Bürger individuelle Antworten geben möchte, muss entsprechend viele Wahlkämpfer am anderen Ende der Leitung sitzen haben. So verwundert es dann auch nicht, dass das Forscherteam um Elter auf Anfragen zu einem speziellen Thema an die Parteien im Netz in aller Regel standartisierte Antworten erhielt, die in aller Ausführlichkeit lediglich die jeweiligen Wahlkampfprogramme referierte. Und dass wahlkämpfende Minister und Bundestagsabgeordnete kaum die Zeit aufbringen können, um persönlich auf die elektronische Post zu antworten, liegt auch auf der Hand.

Vorbild USA

Interessant ist, dass einmal mehr die Heilsversprechungen aus den USA kamen - besser gesagt, die dortigen Verhältnisse schlicht falsch interpretiert wurden. Es war von Anfang an nur ein Gerücht, dass Barack Obamas Weg ins Weiße Haus vor allem über die digitale Datenautobahn geführt hat. Die klassischen Medien haben ebenso zum Wahlsieg Obamas beigetragen wie seine Unterstützer im Netz, weiß Elter.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Möglichkeiten des Internets für die Politikvermittlung übertrieben euphorisch bewertet wurden. Als das Internet Mitte der 1990er Jahre seinen Siegeszug antrat, wurden vorschnell die Hoffnungen auf einen neuen Politikstil geäußert. Von Interaktivität wurde gesprochen, von der ungefilterten Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten, von mehr Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie. Dabei wurde jedoch übersehen, dass die Frage, ob man beispielsweise mehr direktdemokratische Elemente im politischen System verankern möchte, letztlich nicht von der Technik abhängt. Volksabstimmungen finden auch heute, wenn sie gewollt sind, auf dem klasssischen Weg in einem Wahllokal statt. Und eine direkte Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern ist zumindest in Wahlkampfzeiten auf jedem Marktplatz in Form eines persönlichen Gesprächs möglich. Es wäre wünschenwert gewesen, wenn Elter solchen ganz prinzipiellen Überlegungen mehr Platz eingeräumt hätte.

Eines hat Andreas Elter in seiner akribischen Analyse jedoch gut herausgearbeitet: Ein Wahlkampf und die Programme der Parteien werden nicht allein dadurch attraktiver für den Bürger, nur weil sie über ein neues Medium gesendet werden. Doch auch dies war abzusehen. Das Internet hat sich in weiten Teilen zu einem Medium wie das Fernsehen entwickelt, das den Gesetzen massengerechter Verkaufsstrategien gehorcht. Eine neue Form der Politik erwächst so aber nicht.

Andreas Elter:

Bierzelt oder Blog? Politik im digitalen Zeitalter.

Hamburger Edition, Hamburg 2010; 139 S., 12 €