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Eingeschränkte Mobilität

Winterchaos Kältester Winter seit 40 Jahren traf Straße, Schiene und Luftverkehr unvorbereitet

24.01.2011
2023-08-30T12:16:36.7200Z
3 Min

Warnungen gab es frühzeitig, genutzt haben sie nicht viel. Der Deutsche Wetterdienst (DWD), der als nachgeordnete Behörde Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) unterstellt ist, traf mit seinen Prognosen im vergangenen Dezember ins Schwarze. Vor allem großräumige Schneefälle wie zum Beispiel das "Schneetief" Petra am 16./17. Dezember 2010 konnte der DWD schon mehrere Tage im Voraus prognostizieren, wie es in einem Bericht zum Winterchaos kurz vor Weihnachten heißt, den Ramsauer am Mittwoch dem Verkehrsausschuss vorstellte. Die Prognosen hätten sich somit als eine "sehr gute Planungsgrundlage" für alle Verkehrsbereiche erwiesen.

Auf dieser Grundlage nahm das Chaos seinen Lauf. Die Straßen in Deutschland verwandelten sich in Eisflächen oder waren völlig zugeschneit, Lastwagen standen quer, Streusalz wurde zur Mangelware. Auf den Flughäfen fiel rund die Hälfte der Flüge aus. Es kam zu Schlägereien unter aufgebrachten Passagieren. Die Wartehallen wurde zu Notquartieren. Auch die Bahn konnte nur unvollständig mobil machen. Viele Züge fielen aus oder waren zum Teil erheblich verspätet, heißt es in dem Ramsauer-Bericht. Die Pünktlichkeit habe im Nahverkehr im Dezember bei 77,2 Prozent gelegen. Im Fernverkehrs sei die Pünktlichkeit sogar tageweise unter 70 Prozent gesunken.

Parallel dazu wollten immer mehr Menschen mit dem Zug fahren. "Im Dezember wurden rund eine halbe Millionen zusätzliche Zugbuchungen verzeichnet", heißt es in dem Bericht. Die überfüllten Wagen führten zu weiterem Unmut unter den Passagieren, die sich zudem schlecht informiert fühlten.

Ramsauer kann den Unmut zwar nachvollziehen, vollständige Besserung kann er jedoch nicht versprechen. "Es kann keinen Vollkaskoanspruch gegen Unwetter geben", erklärte er. Auch die umfassendste Vorsorge und die sorgfältigste Vorbereitung könnten bei extremen Witterungsverhältnissen mehr oder minder schwere Verkehrsbehinderungen nicht ausschließen. Da mit dem kältesten Dezember in Deutschland seit mehr als 40 Jahren viele Verkehrsunternehmen "ganz offensichtlich nicht gerechnet" hätten, sei es zu Störungen und Behinderungen des Gesamtverkehrs gekommen. Ein bei extremer Witterung weitgehend reibungslos funktionierendes Verkehrssystem gebe es nicht zum Nulltarif, betonte der Minister. Deshalb müsse vor allem die Bahn "deutlich mehr" investieren. Ramsauer wies dabei jedoch auch auf lange Ausschreibungsfristen hin, die eine schnelle Ersatzbeschaffung unmöglich machten.

Der Sprecher der SPD-Fraktion wies auf die Anfälligkeit von hochkomplexen Verkehrssystemen hin. So lege seit Tagen ein einziges Schiff, das bei der Loreley gekentert sei, den gesamten Schiffsverkehr auf dem Rhein lahm. Positiv bewertete er die Winterreifenpflicht für Lkw und kritisierte wie alle anderen Abgeordneten, dass die Kunden bei Bahn und im Luftverkehr nicht ausreichend und rechtzeitig informiert würden.

Die Union wies darauf hin, dass bei der größten deutschen Luftverkehrsgesellschaft 4.500 Flüge storniert worden seien. Anschließend seien alle Kunden aufgefordert worden, auf die Bahn umzusteigen. Diesen Tipp hätten auch die Autofahrer erhalten. Das habe dazu geführt, dass die Bahn einen unerwarteten Ansturm von Kunden gehabt habe. Der Sprecher hielt eine umfassende Vorratshaltung von Streusalz und Maschinen für "nicht finanzierbar".

Auch die FDP sprach sich für mehr Investitionen bei der Bahn aus. Der Sprecher wies darauf hin, dass die Qualität der Straßenräumung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sei. Es sei zu überlegen, ob der Bund bei den Bundesstraßen einen entsprechenden Qualitätsmaßstab vorgeben solle. Für die Linksfraktion ist das Winterchaos bei der Bahn nicht ausschließlich auf die Witterung zurückzuführen. "Es gab auch im Sommer Schwierigkeiten", erinnerte die Sprecherin. Die Bahn sei das sicherste Verkehrsmittel und solle es auch bleiben. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Chaos "etwas mit den Strukturen zu tun". So würden bei der Bahn seit Jahren Renditen wieder entzogen und in ausländische Beteiligungen investiert. Zudem forderte der Grünen-Sprecher die Trennung von Netz und Transport. Er wies darauf hin, dass die Wettbewerber der Bahn besser durch den Winter gekommen seien. Diese hätten offensichtlich ein besseres Management und intelligentere Ausschreibungen.

Um die Situation zumindest bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) zu verbessern, haben die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen inzwischen jeweils eigene Anträge vorgelegt (17/4428, 17/4433, 17/4434), in denen Reformen bei der DB AG, die dem Bund gehört, gefordert werden. Die Anträge (siehe Stichwort) überwies der Deutsche Bundestag am vergangenen Freitag an die Ausschüsse.