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Der Fall Guttenberg

AFFÄRE Plagiatsvorwürfe bringen den Verteidigungsminister in Bedrängnis und kosten ihn den Doktortitel

28.02.2011
2023-08-30T12:16:37.7200Z
3 Min

So gut gefüllt wie am Mittwoch vergangener Woche ist der Plenarsaal des Bundestages bei einer Fragestunde nur selten: "Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit der Dissertation des Bundesministers der Verteidigung" lautete das Thema, und eben dieser Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stellte sich nun erstmals den Fragen der Opposition zu den Vorwürfen, er habe für weite Teile seiner Doktorarbeit Texte anderer Autoren ohne entsprechende Kennzeichnung verwendet und unberechtigt Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages für die Dissertation genutzt. Wenige Stunden später teilte die Universität Bayreuth mit, dem Ressortchef den im Jahr 2007 mit der Bestnote "summa cum laude" verliehenen Doktortitel aberkannt zu haben.

»Gravierende Fehler«

Eine Woche zuvor, am 16. Februar, hatte Guttenberg den Vorwurf, seine Dissertation sei ein Plagiat, als "abstrus" zurückgewiesen. Am 18. Februar dann räumte er Fehler in der Arbeit ein und kündigte an, "vorübergehend" auf das Führen seines Doktortitels zu verzichten. Zugleich betonte er, "zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht" zu haben. Am vergangenen Montag schließlich verkündete er den dauerhaften Verzicht auf den Titel und begründete dies damit, dass er sich die Arbeit "intensiv noch einmal angesehen" und festgestellt habe, darin "gravierende Fehler" gemacht zu haben.

Nicht nur bei der Opposition stieß solches Krisenmanagement auf Kritik. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) konnte sich am Dienstag in einem Fernsehinterview Guttenbergs Auftritt vom 18. Februar "nur so erklären, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt selber das Ausmaß der Schlampigkeit nicht klar war, mit der die Arbeit verfasst und eingereicht worden ist".

»Persönlich geschrieben«

Guttenberg selbst sprach am Mittwoch in der mit Spannung erwarteten Fragestunde des Bundestages von einer "offensichtlich sehr fehlerhaften Doktorarbeit", bekräftigte aber zugleich, dass er sie "persönlich geschrieben" und "weder bewusst noch vorsätzlich getäuscht" habe. Zur Frage, wie es zu den Fehlern kommen konnte, sagte er: "Ich war sicher so hochmütig, zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt, und zwar politische Leidenschaft und Arbeit sowie wissenschaftliche und intellektuelle Herausforderungen als junger Familienvater miteinander in Einklang zu bringen." Er sei "ein Mensch mit Fehlern und Schwächen", setzte sich aber gleichwohl den Anspruch, "weiterhin als Vorbild - auch was das Eingestehen von und das Bekennen zu Fehlern anbelangt - wirken zu können", fügte der Ressortchef hinzu. Forderungen nach einem Rücktritt erteilte er eine Absage.

Dass die Opposition den Minister ganz und gar nicht in einer Vorbildrolle sieht, machte sie in der anschließenden Debatte mehr als deutlich: Auf mehr als 100 Seiten, verstreut über die ganze Arbeit, habe Guttenberg von anderen abgeschrieben, ohne die Urheberschaft kenntlich zu machen, schimpfte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann: "Sie haben getäuscht. Sie haben betrogen. Sie haben gelogen", warf er Guttenberg vor und nannte es "unerträglich", dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entschieden habe, "dass ein akademischer Hochstapler und Lügner weiterhin dem Kabinett angehören darf". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Merkel auf, Guttenberg zu entlassen. "Die Bundeswehr darf nicht mehr von einem Felix Krull kommandiert werden", sagte er unter Anspielung auf den Roman "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" von Thomas Mann. Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch ergänzte, Guttenberg habe getäuscht und gelogen, "und Lügner dürfen in unserem Land nicht ministrabel werden".

Unterstützung bekam der Minister von CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, der sich ein Signal wünschte, "dass man nicht den Kopf abgerissen bekommt, wenn man einen Fehler macht, ihn zugibt und sich dafür entschuldigt, sondern dass die Entschuldigung angenommen wird". Entscheidend sei am Ende, dass Guttenberg seine Aufgabe als Verteidigungsminister "in hervorragender Weise wahrnimmt". Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae sagte, die gegen Guttenberg erhobenen Anschuldigungen seien "keine Kleinigkeit", doch vertraue seine Fraktion darauf, dass der nach ihm sprechende Ressortchef die Vorwürfe "rasch und umfassend" ausräumt.

Entscheidung vertagt

Zur Zahl der in der Dissertation verwendeten Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes sagte Guttenberg in der Debatte, ihm seien bislang vier bekannt gewesen, die er "als Primärquelle benannt" habe. Am Donnerstag unterrichtete Lammert den Ältestenrat darüber, dass in der Arbeit sechs Ausarbeitungen der Bundestagsverwaltung verwendet worden seien - ohne die vorgeschriebenen Genehmigungen für deren Veröffentlichung. Zu einem SPD-Antrag, alle von Guttenberg beim Wissenschaftlichen Dienst und beim Sprachendienst in Auftrag gegebenen Arbeiten daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit sie in die Dissertation eingeflossen sind, entschied der Ältestenrat mit der Mehrheit der Koalition, keinen Beschluss zu fassen.