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Aus Plenum und Ausschüssen : Kinderlärm: Privilegierung für Jugendliche gefordert

21.03.2011
2023-08-30T12:16:40.7200Z
3 Min

UMWELT

Weitgehende Einigkeit herrschte am Montag unter den Sachverständigen während einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit über die geplante Änderung des Bundes-Immissionsgesetzes. Laut Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (17/4836) soll in das bestehende Gesetz folgender Passus eingefügt werden: "Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden." Damit sollen Klagen von Anwohnern gegen Kinderlärm erschwert, beziehungsweise verhindert werden und ein klares Zeichen für eine kinderfreundliche Gesellschaft gesetzt werden. Bei der Anhörung beurteilten die sechs Experten den Vorstoß der Abgeordneten, Kinderlärm in der Gesellschaft "zu privilegieren", überwiegend positiv. Grundlage für die öffentliche Anhörung war nicht nur der Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP sondern auch die Anträge der Fraktion der SPD "Kinderlärm - kein Grund zur Klage" (17/881), der Fraktion Die Linke "Für eine immissions- und baurechtliche Privilegierung von Sportanlagen" (17/1742) und "Vorrang für Kinder - Auch beim Lärmschutz" (17/2925) von Bündnis 90/Die Grünen.

Professor Martin Schulte von der Technischen Universität Dresden stellte sich als vierfachen Familienvater und Anwohner einer Kindestagesstätte vor, der beide Sichtweisen verstehe. Er bezeichnete sich als "grundsätzlich mit dem Gesetzentwurf einverstanden" und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Gesetzesänderung eine "befriedende Wirkung"in der Bevölkerung haben werde. Er mahnte aber auch an, dass technische Möglichkeiten einer Lärmminderung, wie beispielsweise das Entfernen einer Röhrenrutsche von der Nachbargrenze oder die Anschaffung von Bobbycars mit leisen Reifen, auch ausgeschöpft werden sollten. Zudem sei der Bring- und Abholverkehr vor Kindergärten und Kindertagesstätten häufig einer der Hauptstreitpunkte mit Anwohnern. Hier sollten die zuständigen Straßenverkehrsbehörden tätig werden. Auch Christian Popp vom Beratungsbüro Lärmkontor GmbH sprach die Problematik der Chauffeurdienste an und betonte aus Sicht eines Lärmgutachters die Bedeutung von geräuscharmen Spielgeräten in der Auseinandersetzung. Außerdem sei seiner Ansicht nach Kommunikation mit der Nachbarschaft "extrem wichtig".

Der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht, Professor Ondolf Rojahn, lobte den Gesetzesvorstoß und sagte, dieser schaffe Rechtssicherheit für Nachbarn und Betreiber der Einrichtungen. Er kritisierte allerdings eine "offene Flanke" des Entwurfes von CDU/CSU und FDP, da es dort hieße, dass von Kinderlärm im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung ausginge. Diese Formulierung lasse Interpretationsmöglichkeiten offen und könne unter Umständen erneut zu Klagen führen. Stattdessen schlug er vor, den Passus einzufügen, dass Kinderlärm in Wohngebieten hinnehmbar sei. Einige Experten kritisierten die Festlegung des Gesetzes auf Kinderlärm und Kindereinrichtungen. Das Problem des Lärms durch Jugendliche werde gar nicht berücksichtigt. Rainer Grund vom Baurechtsamt Stuttgart mahnte an, dass die Einbeziehung von Jugendlichen und ihrem Lärm in dem Gesetzesentwurf fehlen würde. Auch Peter Apel vom Planungsbüro Stadt-Kinder begrüßte zwar die Initiative, betonte aber, Jugendliche würden dabei ausgegrenzt. Gerade sie hätten meist keine Orte, an denen sie sich treffen könnten. "Wir brauchen Jugendtreffs", sagte er. Ähnlich äußerte sich Peter Hahn vom Landessportbund Berlin, der sich ebenfalls gegen eine strikte Trennung von Kindern und Jugendlichen in dieser Frage aussprach. Diese sei seiner Meinung nach in der Praxis kaum möglich.