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Fahrzeuge unter Strom

ElektromobilitäT I Vor allem mit Forschungsförderung soll Deutschland Leitmarkt werden - es gibt noch viele Hindernisse

30.05.2011
2023-08-30T12:16:44.7200Z
4 Min

Von einem "sehr guten Vorstoß" spricht der CDU-Abgeordnete Andreas Jung: "Der ausgewogene Fördermix im Konzept der Koalition ist geeignet, Elektroautos auf die Straße zu bringen", meint der Fraktionssprecher für Elektromobilität. "Die Regierung springt zu kurz", moniert hingegen Uwe Beckmeyer, SPD-Obmann im Verkehrsausschuss: So werde man das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen 2020 "nicht erreichen". Dass das Koalitionsprogramm keine Kaufprämien für E-Autos enthält, freut die Liberalen: Solche Forderungen der Grünen "schießen über das Ziel hinaus", betont FDP-Fachpolitiker Werner Simmling, "der Subventionstopf sollte nicht zu weit geöffnet werden". Das Förderkonzept sei wegen der Milliardenzuschüsse eine "Gelddruckmaschine für Autokonzerne", kritisiert Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Aus Sicht von Renate Künast "kommt die Elektromobilität nicht auf die Überholspur". Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion: "Eine Spende für die Forschung und hier und da ein Parkplatz für das E-Auto symbolisieren allenfalls guten Willen."

Programm umstritten

Für Kontroversen sorgt das von der Regierung auf den Weg gebrachte Programm, das den Durchbruch für schadstofffreie E-Autos schaffen soll: Die Bundesrepublik müsse bei der "Elektromobilität zum Leitanbieter und Leitmarkt" werden. Für Jung geht es nicht nur um "emissionsfreie Mobilität", sondern auch um "Wirtschaft und Arbeitsplätze". Bis 2020, so will es die Koalition, sollen eine Million dieser Fahrzeuge über die Straßen rollen - ein ehrgeiziges Ziel, sind bislang doch erst rund 2.000 unterwegs.

Wichtigstes Element des Konzepts, das nach der Publikation eines Berichts der Nationalen Plattform Elektromobilität verabschiedet wurde, ist die Verdoppelung staatlicher Fördermittel für die Forschung auf 2 Milliarden Euro, die Wirtschaft will 17 Milliarden investieren. Da gebe es noch "erheblichen Nachholbedarf", vor allem bei der Batterie- und Antriebstechnik, konstatiert Jung, es sei "richtig, einen Schwerpunkt bei der Forschung zu setzen". In der Tat ist die Technik der E-Autos kompliziert, besonders die Kompatibilität der Batterien mit Pkw-Erfordernissen. Da E-Wagen noch auf Jahre hinaus zwischen 5.000 und 10.000 Euro teurer sein werden als klassische Fahrzeuge, locken dosierte Kaufanreize. Für zehn Jahre wird die Kfz-Steuer erlassen. Halter von E-Autos als Zweitwagen können sich ein "Wechselkennzeichen" zulegen und benötigen dann lediglich ein Schild für beide Fahrzeuge, weswegen nur eine Versicherungsprämie fällig wird. Für E-Autos sollen Sonderparkflächen eingerichtet werden; auch sollen sie Busspuren frequentieren können.

Modellregionen

Es gehe um eine "optische Privilegierung" im Verkehr, sagt Jung. Bei den geplanten drei bis fünf "Schaufenster"-Modellregionen zur Elektromobilität, bei denen etwa die Verknüpfung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der flächendeckende Aufbau von Ladestationen getestet werden, schaffen Kommunen die Rahmenbedingungen, während die Industrie die Fahrzeuge zur Verfügung stellt.

Aber hält die Elektromobilität das, was sie verspricht? Eine Million E-Autos 2020, das sind nur zwei Prozent aller Fahrzeuge. Die Reichweite der neuen Typen bleibt auf Sicht begrenzt: Eine Akkuladung schafft bestenfalls einige hundert Kilometer, heute meist noch weniger, und das Aufladen kostet Zeit. Batterien sind noch nicht leistungsfähig genug und reduzieren den Platz im Kofferraum erheblich. Fraglich ist, ob E-Autos wegen der hohen Preise tauglich für den Massenmarkt sind. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ab, dass E-Wagen in den nächsten Jahren vor allem in Städten als Zweit-Pkw für die arrivierte Mittelschicht interessant werden könnten.

E-Fahrzeuge pusten keine Schadstoffe in die Luft, aber die Elektrizität muss produziert werden - und der heutige Strommix stammt nun mal zu einem großen Teil aus Atommeilern oder fossil betriebenen Kraftwerken. Unter diesem Blickwinkel verursacht nach Berechnungen von Greenpeace das E-Auto einen höheren Kohlendioxidausstoß als ein konventioneller Wagen. Greenpeace-Fachmann Wolfgang Lohbeck spricht von "Elektrohype" und einem "grünen Deckmäntelchen" für die Industrie.

So fordert denn der SPD-Politiker Beckmeyer ein "schlüssiges Energiekonzept" mit dem Ziel, "dass E-Autos zukünftig nur noch mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren". Auch Jung befürwortet dieses Anliegen, meint freilich, das sei zu schaffen, da sich die Zahl der E-Fahrzeuge parallel zum Ausbau regenerativer Energien vergrößern werde. In solchen Ankündigungen seitens der Koalition sieht die Linkspolitikerin Sabine Leidig "angesichts der Bremserhaltung der Regierung beim Ausbau erneuerbarer Energien ein völlig haltloses Versprechen". Zudem würden in China und Indien exportierte deutsche E-Wagen mit Kohle- und Atomstrom betrieben. Leidig kritisiert, dass die Freigabe von Busspuren und Sonderparkplätze den öffentlichen Raum für Busse, Radfahrer und Fußgänger beschränken würde. Sie verlangt, in erster Linie den öffentlichen Verkehr zu verbessern.

Grüne für Kaufprämie

Für eine benutzerfreundliche Vernetzung eines attraktiven öffentlichen Nahverkehrs mit E-Fahrzeugen und E-Fahrrädern plädiert Künast. Für Furore sorgt indes vor allem, dass die Grünen als einzige Partei "eine bundesweite Kaufprämie von 5.000 Euro zur Markteinführung" (Künast) fordern, die Kfz-Steuerbefreiung sei "Augenwischerei". Daimler-Chef Dieter Zetsche tritt ebenfalls für Kaufprämien ein, andernfalls sei das Ziel von einer Million E-Autos nicht zu erreichen. Solche Zuschüsse stoßen in der Koalition nicht nur bei der FDP auf Widerstand. Auch Jung meint, das sei "nicht zielführend". Eine andere Idee hat Beckmeyer parat, der Sonderabschreibungen beim gewerblichen Erwerb von E-Fahrzeugen vorschlägt.