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Die Lotsin kommt an Bord

KINDERSCHUTZ Alle Fraktionen signalisieren viel Zustimmung zum Gesetz der Regierung. Kritisiert wird die Finanzierung

04.07.2011
2023-08-30T12:16:45.7200Z
4 Min

Vielleicht war es auch politisch ein gutes Omen, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am vergangenen Donnerstag Mutter eines gesunden Mädchens wurde. Zumindest war die Bundestagsdebatte am folgenden Tag über das von ihrem Ressort vorgelegte Bundeskinderschutzgesetz (17/6256) von auffallend großer Harmonie geprägt. Die prinzipielle Zustimmung der Oppositionsfraktionen für den Gesetzentwurf fiel so deutlich aus, die Kritik so konstruktiv und sachorientiert, dass die CDU-Abgeordnete Michaela Noll die Debatte schließlich gar als "eine der Sternstunden" ihrer bislang zehnjährigen Parlamentariertätigkeit bezeichnete.

In der vergangenen Legislaturperiode war Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) noch mit ihrem Entwurf eines Kinderschutzgesetzes am Widerstand des sozialdemokratischen Koalitionspartners gescheitert. Doch das neue Gesetz hat beste Chancen, selbst mit Stimmen aus der Opposition beschlossen zu werden und wie geplant am 1. Januar 2012 in Kraft zu treten. So lobte SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler den "Präventionscharakter" des Entwurfs, um den Kinder- und Jugendschutz in Deutschland zu verbessern. Dies unterscheide ihn vom Entwurf von der Leyens.

Missbrauch und Verwahrlosung

Teile der Vorstellungen von der Leyens haben gleichwohl Einzug gefunden in das neue Gesetzesvorhaben. So sollen beispielsweise Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Lehrer oder Mitglieder von Beratungsstellen von ihrer Schweigepflicht gegenüber den Jugendämtern entbunden sein, wenn sie einen begründeten Verdacht auf Kindesmissbrauch oder Kindesverwahrlosung haben.

Doch so weit soll es nach dem Willen der Regierung erst gar nicht kommen. Mit einer Reihe präventiver Maßnahmen will sie den Schutz der Kinder und die Erziehungskompetenz der Eltern stärken, wie Schröders Parlamentarischer Staatssekretär Hermann Kues (CDU) erläuterte. So sollen zukünftig alle hauptamtlichen Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen müssen. Damit sollen vorbestrafte Sexualtäter von der Beaufsichtigung, Betreuung und Erziehung von Kindern ferngehalten werden. Die Beratungen des Runden Tischs gegen sexuelle Gewalt hätten gezeigt, erläuterte Michaela Noll, dass Pädophile gezielt Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendarbeit suchen.

Auch für ehrenamtliche Mitarbeiter soll nach dem Willen der Koalition ein solches erweitertes Führungszeugnis verlangt werden können - allerdings nicht in allen Fällen. Die Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sollen mit den freien Trägern Vereinbarungen treffen, in welchen Fällen dies zu geschehen hat. Dies hält die Parlamentarierin Diana Golze (Die Linke) allerdings für zu unkonkret. An dieser Stelle müsse am Gesetzentwurf nachgebessert werden, es fehle an klaren Kriterien.

Um Kinder und Jugendliche besser zu schützen, soll zudem der Austausch von Informationen und Akten zwischen den Jugendämtern ermöglicht werden. Damit, argumentierte die FDP-Abgeordnete und Vorsitzende des Familienausschusses, Sibylle Laurischk (FDP), könne der Praxis des "Jugendamt-Hoppings" wirksam begegnet werden. Immer wieder würden sich Eltern der Aufsicht eines Jugendamtes durch einen Umzug entziehen.

Mehr Hilfe für Familien

Ein weiteres Kernstück des Kinderschutzgesetzes bilden nach Kues' Worten die Hilfen für Eltern, mit denen sie ihrem Erziehungsauftrag besser gerecht werden können sollen. So sollen Eltern und werdende Mütter und Väter aktiv über die Angebote der örtlichen Beratungsstellen informiert werden. Dazu gehöre auch, dass die zuständigen Stellen den Eltern ein Beratungsgespräch anbieten dürfen. Zudem soll ein Netzwerk zwischen allen für den Kinderschutz zuständigen Institutionen aufgebaut werden und deren Mitarbeiter besser qualifiziert werden.

Kritik an den Plänen der Regierung entzündete sich allerdings an der Finanzierung des geplanten Systems der Familienhebammen. Dies will die Regierung zunächst durch ein vierjähriges Modellprojekt initiieren und finanzieren. Diese "Lotsen für die Familien", wie sie die FDP-Abgeordnete Miriam Gruß bezeichnete, werden ausdrücklich von der Opposition begrüßt. Sie bemängelt jedoch, dass die Finanzierung nach dem Jahr 2015 nicht gesichert sei. "Kinderschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben", warnte die Grünen-Parlamentarierin Ekin Deligöz. Auch ihre SPD-Kollegin Ziegler kritisierte, die Regierung könne nicht erst ein gutes Projekt anschieben und dann Kommunen und Länder mit der Aufgabe allein lassen. Dies erinnere sie stark an das Projekt der Mehrgenerationenhäuser, bei denen die langfristige Finanzierung ebenfalls nicht gesichert sei.

Kritik des Bundesrates

Gegen das System der Familienhebammen hatte sich der Bundesrat bereits am 27. Mai ausgesprochen. Die Länder befürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben. So will der Bund zwar in den Jahren 2012 bis 2015 jährlich 30 Millionen Euro für die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes aufbringen, aber die finanzielle Hauptlast sollen die Länder tragen. Auf sie kommen nach den Plänen der Regierung jährliche Ausgaben von rund 64 Millionen Euro zu. Zusätzlich müssten sie in den Jahren 2012 und 2013 jeweils rund 25 Millionen Euro aufbringen.

Die CDU-Abgeordnete Ingrid Fischbach versprach, dass nach einer zweijährigen Phase noch einmal über die Finanzierung der Familienhebammen geredet werden soll. Zugleich zeigte sie sich optimistisch über den weiteren Verlauf der Gesetzesberatung: "Wir alle wollen unsere Kinder schützen und ich bin davon überzeugt, dass wir das mit diesem Entwurf schaffen", prophezeite Fischbach.