Piwik Webtracking Image

Erlebnis Demokratie

IPS 25 Jahre deutsches Parlaments-Stipendium: Debatte und Festveranstaltung zum Jubiläum

04.07.2011
2023-08-30T12:16:45.7200Z
3 Min

Wolfgang Börnsen staunte nicht schlecht. Den jungen Mann, der ihn anlässlich einer Kulturkonferenz am Flughafen empfing, kannte er. Es war Pjotr, der acht Jahre zuvor in seinem Büro ein Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) absolviert hatte. Pjotr kam aus einem der baltischen Staaten und war eine "komplizierte Persönlichkeit", wie sich der CDU-Abgeordnete am vergangenen Freitag während der Debatte zum 25-jährigen Jubiläum des IPS erinnerte: hochbegabt, aber ein wenig schludrig. "An allem, was in Berlin geschah, hatte er Interesse, nur nicht an den Abläufen in seinem Abgeordnetenbüro." Zudem habe er eine anhaltende "Aufstehschwäche" gehabt und sei nie vor 10 Uhr zur Arbeit erschienen. Nach mehreren "gescheiterten Besserungsversuchen" sei er in Börnsens Büro "versetzt" worden. Bei ihm sei die "Endstation für solche Fälle", sagte er.

»Ich bin der Minister«

Da Pjotr das Praktikum keinesfalls abbrechen wollte, weil dies mit einem Reputationsverlust gegenüber seinem Land verbunden gewesen wäre, passte er sich Börnsens Arbeitsablauf an, der "um 6.30 Uhr bei einem türkischen Bäcker beginnt". Pjotr absolvierte das Praktikum erfolgreich zu Ende, der telefonische Kontakt mit dem Büro Börnsen verlor sich irgendwann. Umso größer war die Freude des CDU-Kulturpolitikers, seinen ehemaligen Stipendiaten wiederzusehen. Nach freundlicher Umarmung fragte Börnsen schließlich, wo denn aber nun der ihm angekündigte Minister sei. "Pjotr sah mich ein bisschen verdattert an und sagte schließlich: Ich bin der Minister."

Fast jeder der 130 Abgeordneten, der schon einmal einen IPS-Stipendiaten in seinem Büro aufgenommen hat, kann ähnliche Erfolgsgeschichten erzählen. Kein Wunder also, dass während der Debatte die einhellige Meinung herrschte: Das IPS ist eine Erfolgsgeschichte.

Durch das IPS zeige der Bundestag, dass er kein in sich gekehrtes Parlament sei, sondern "offen und transparent", sagte Petra Ernstberger (SPD), die zugleich deutlich machte, dass auch ihre Fraktion sich vorstellen könne, mehr als 28 Länder in das Programm aufzunehmen. "Wir öffnen das Parlament für die Entscheidungsträger der Zukunft und tragen dazu bei, dass Deutschland international vernetzt wird", sagte sie.

Von einem "Geben und Nehmen" sprach die FDP-Abgeordnete Christel Happach-Kasan. "Die IPSler sind eine ausdrückliche Bereicherung für mein Büro", machte sie deutlich. Eine der Grundanforderungen an die Stipendiaten sei es, die deutsche Sprache zu beherrschen. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, den Deutschunterricht in diesen Ländern zu erweitern. Hierbei würde das Goethe-Institut gute Arbeit leisten, was bei den nächsten Haushaltsberatungen beachtet werden müsse, forderte Happach-Kasan.

Interessante Erfahrungen

Als das IPS-Programm vor 25 Jahren gegründet wurde, habe in Deutschland noch die Mauer gestanden und hätten viele der heutigen Teilnehmerländer noch nicht existiert, erinnerte der Linke-Abgeordnete Alexander Ulrich. Für ihn stellten die Stipendiaten keine zusätzliche Belastung, sondern eine Bereicherung dar, betonte er. Daher appellierte er an alle Kollegen, ebenfalls Stipendiaten aufzunehmen. "Das ist eine tolle Angelegenheit."

Die Stipendiaten würden während ihres Aufenthaltes in der deutschen Hauptstadt nicht nur berufliche sondern auch soziale und kulturelle Erfahrungen sammeln, sagte Viola von Cramon-Taubadel (Grüne). Diese Mischung mache das Programm so attraktiv. Besonders für junge und noch instabile Demokratien sei IPS geeignet, insofern sei die Erweiterung auf Nordafrika sehr sinnvoll. "Wenn wir sie aber bei der parlamentarischen Ausbildung unterstützen, wäre das Gold wert", meinte sie.

Nicht nur die Abgeordneten sind überzeugt von IPS: Auch die ehemaligen Stipendiaten berichteten auf der Konferenz "25 Jahre IPS: Erfahrungen - Wirkungen - Visionen" am Freitag durchweg positiv von ihren Erfahrungen. "Ich gehörte zu denen, die damals die Kartons für Berlin packen durften", erzählte Jeannette Vaude-Perrin aus Frankreich. Sie war in den Jahren 1997 und 1998 in Deutschland, damals noch in der "Bonner Republik", und bereitete den Umzug nach Berlin mit vor. Im Rheinland habe sie beim Karneval eine Erfahrung gemacht, die sie vorher niemals für möglich gehalten hätte, berichtete sie: "Der Senatsbereich wurde von Jecken gestürmt und ein Bierstand aufgebaut."

Nurana Aliyeva aus Aserbaidschan, IPS-Stipendiatin von 2009, sagte, sie sei sofort in die Arbeit ihres Abgeordnetenbüros eingebunden gewesen. "Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie eine demokratische Gesellschaft funktioniert", hob sie hervor. "Die Erfahrungen waren die interessantesten und komplexesten in meinem bisherigen Leben."