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04.07.2011
2023-08-30T12:16:45.7200Z
6 Min

Medienpreis 2011 des Deutschen Bundestages

Auch in diesem Jahr vergibt der Bundestag den mit 5.000 Euro dotierten Medienpreis Politik. Dieser würdigt publizistische Arbeiten, die zu einem vertieften Verständnis des Parlamentarismus beitragen. Die Bewerbungsfrist für das diesjährige Verfahren endet am 30. September. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren sind im Internet (www.bundestag.de/kulturundgeschichte/parlamentspreise/medienpreis) ab- rufbar.

Unesco-Konvention soll ratifiziert werden

Sowohl die Koalitions- als auch die Oppositionsfraktionen fordern die Bundesregierung auf, das Ratifizierungsverfahren der Unesco-Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes vom 17. Oktober 2003 einzuleiten. Der Bundestag überwies die beiden Anträge von CDU/CSU und FDP (17/6314) sowie SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/6301) am vergangenen Donnerstag in die Ausschüsse.

Grüne mahnen mehr Pressefreiheit in Europa an

Nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen soll sich die Bundesregierung verstärkt für die Presse- und Medienfreiheit in Europa einsetzen. In ihrem Antrag (17/6126), den der Bundestag am vergangenen Donnerstag in die Ausschüsse überwies, fordern die Grünen vor allem eine unmissverständliche Positionierung gegenüber Ungarn, dessen Mediengesetz die Pressefreiheit beschneide.

Digitalisierung des kulturellen Erbes

Die Koalitionsfraktionen und die SPD-Fraktion wollen die Digitalisierung des kulturellen Erbes vorantreiben. Während sich CDU/CSU und FDP in ihrem Antrag vor allem für den Ausbau der Deutschen Digitalen Bibliothek aussprechen, fordert die SPD von der Regierung zudem eine umfassende Nationale Digitaliserungsstrategie. Der Bundestag übwies die Anträge (17/6315, 17/6296) am Donnerstag in die Ausschüsse.

Grüne: Regierung soll Frauen im Kulturbetrieb stärken

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt von der Regierung, sich verstärkt für die Gleichstellung im Kulturbetrieb einzusetzen. In ihrem Antrag (17/6130), den der Bundestag am vergangenen Donnerstag in die Ausschüsse übewies, beklagt sie den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen und deren schlechten Verdienst.

SPD will mehr Geld für Jugendprogramme

Die SPD-Fraktion fordert die Regierung auf, für die Programme "Schulverweigerung - Die 2. Chance" und "Kompetenzagenturen" bis zum Jahr 2013 mindestens 112 Millionen Euro bereit zu stellen. Den Antrag (17/6103) überwies der Bundestag am Donnerstag in die Ausschüsse.

Vor einigen Jahren ließ der Kabarettist Bruno Schmitz einen fiktiven SPD-Abgeordneten herzhaft fluchen: Die Regierung hätte auch lieber "ein Volk, das nicht so brunzdumm ist" und "doof wie 100 Hektar Mischwald". Kaum jemandem im Publikum ist wohl in diesem Moment nicht durch den Kopf geschossen, dass genau dies gelegentlich die Gedanken von Politikern sein müssen - wenn sie sich wieder einmal als faul, inkompetent, gierig oder weltfremd bezeichnen lassen müssen.

Der Journalist Nikolaus Blome hat das Verhältnis von Bürgern und Politikern unter die Lupe genommen und der viel zitierten Politikverdrossenheit ein ebenso wichtiges Phänomen an die Seite gestellt: das der Bürgerverdrossenheit. Denn nicht nur das Volk ist zuweilen ungeheuer unzufrieden mit seinen Abgeordneten - auch die fühlen sich von der anderen Seite gravierend unverstanden und ungerecht behandelt. Weil auf Parteibindungen heute kein Verlass mehr und die Aufmerksamkeitsspanne kurz geworden ist, suchen Politiker immer verzweifelter nach Strategien, Stimmen zu fangen - mit dem Resultat, dass sie immer frustrierter werden, wenn es nicht gelingt. Blome beleuchtet die gängigsten Vorurteile: dass die Leute sich eigentlich nicht für Politik interessieren, komplexe Sachverhalte nicht verstehen, keinen Streit wollen und immer unberechenbarer würden. Das führe dazu, dass Politiker immer weniger erklären und sich vielfach nicht trauen, unangenehme Wahrheiten auszusprechen; frei nach dem Motto des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck: "Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie."

Das aber will Blome nicht länger hinnehmen. Er fordert die Politiker auf, sich und ihre Arbeit selbstbewusster zu verteidigen und spricht von einer Holschuld der Bürger, die nicht damit abgegolten sei, "sich punktuell, isoliert über ein Thema zu informieren beziehungsweise zu erregen". Wer bessere Politiker will, so Blomes Fazit, der muss auch ein besserer Bürger sein. Recht hat er. 

Nikolaus Blome:

Der kleine Wählerhasser. Was Politiker wirklich über die Bürger denken.

Pantheon Verlag, München 2011; 156 S., 14 €

Irgendwann, ganz früher, setzte sich Günter Walraff braune Kontaktlinsen ein, stülpte eine Perücke über und arbeitete als türkischer Gastarbeiter Ali in einem Fast-Food-Restaurant. Über das, was er dabei erlebt hat, schrieb er ein Buch, das seit 1985 in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurde und seither immer wieder herangezogen wird, wenn es darum geht zu erklären, was das eigentlich ist: Undercover-Journalismus.

Vermutlich wird Tobias Haberls Buch so viel Ruhm nicht ernten. Zu harmlos kommt der Versuch des 36-Jährigen daher, der als Redakteur für das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" schreibt: Ein Jahr lang hat Haberl die Seiten gewechselt und wurde Mitglied der Linkspartei. Liest man den Klappentext seines Buches, das er nach diesem Selbstversuch geschrieben und bei Luchterhand veröffentlich hat, könnte man diese Recherche für wahnsinnig aufregend halten. "Bürgersohn trifft dogmatische Linke", heißt es dort und dass Haberl täglich "die Mühsal des politischen Geschäfts" erfahren und mit "sich selbst um Fassung" gerungen habe. Tatsächlich stellen sich die gewonnenen Erkenntnisse aber ziemlich simpel dar. Der Journalist, der nach eigenem Bekunden sein Leben zwischen Ingwertee und diversen Vernissagen satt hatte, lernte in der Linkspartei sowohl sehr nette und kluge Menschen als auch komplette Spinner kennen und hat erkannt, wie mühsam Parteipolitik sein kann.

Das Hauptproblem: Letztlich kreist Tobias Haberl immer nur um sich selbst - wenn er etwa darüber sinniert, ob man mit frisch gebügeltem Markenhemd zu den Ortsversammlungen der Partei kommen kann oder wenn er allen Ernstes darüber nachdenkt, ob es einen Hartz-IV-Empfänger kränken könnte, wenn man bei der Mitgliederversammlung zwei Euro Trinkgeld gibt. Noch zielsicherer hätte man das Klischee des Bürgersohns vermutlich nicht bedienen können. Solche Ergebnisse aber sagen mehr über den Autor als über das Objekt seiner Recherche aus - das wäre Günter Wallraff nicht passiert. 

Tobias Haberl:

Wie ich mal rot wurde. Mein Jahr in der Linkspartei.

Luchterhand, München 2011, 253 S., 14,99 €