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Einer trage des anderen Last

EURO Koalition und Opposition liefern sich Schlagabtausch zum Rettungsschirm - und sind sich doch einig

12.09.2011
2023-08-30T12:16:49.7200Z
3 Min

Sitarki-Siggi", "Merkel-Bonds", "dumme Parolen": Bundesregierung und Opposition lieferten sich in der Debatte zum Euro am vergangenen Donnerstag einen heftigen Schlagabtausch. Doch im Kern sind sich beide Lager einig: Der Eurorettungsfonds EFSF soll ausgeweitet werden, der deutsche Anteil an den Kreditbürgschaften auf 211 Milliarden Euro steigen. Der Gesetzentwurf (17/6916) von Union und FDP sieht außerdem die Möglichkeit für den Fonds vor, Staatsanleihen aufzukaufen. Manchem geht das Haftungsrisiko zu weit: Mehrere Abgeordnete der Koalition hatten öffentlich angekündigt, in der abschließenden Beratung Ende September dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern.

Wohl auch deshalb stellte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) klar, dass der Rettungsschirm überschuldete Länder wie Griechenland nicht von der Verpflichtung zu schmerzhaften Reformschritten und strenger Haushaltsdisziplin entbinde. "Die Lösung ihrer Strukturprobleme können wir ihnen nicht ersparen", sagte der Minister. Der Rettungsschirm sei nötig, "damit aus den Problemen eines Landes der Euro-Zone keine Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes werden kann."

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sprach von den "ersten richtigen Schritten dieser Regierung in der Euro-Krise". Mit "kurzsichtigen und dummen Parolen", Griechenland "keinen Cent zu geben", habe die Bundesregierung die Lage bisher stets verschlimmert. Sie habe die eigenen Abgeordneten "auf die Bäume getrieben" und wisse jetzt nicht, "wie sie sie wieder herunterbekommen sollen". Die Argumente der Koalition gegen Eurobonds seien nicht glaubwürdig, sagte Gabriel, die Vergemeinschaftung von Schulden sei längst Realität. So habe die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen verschuldeter Länder in Höhe von 120 Milliarden Euro aufgekauft - das seien die ersten "Merkel-Bonds" gewesen. Die zweite Tranche komme nun mit dem neuen EFSF.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle warf Gabriel vor, mit seinem "Sitarki-Siggi-Konzept" keine Lösungen anzubieten. Mit "lockerer Geldpolitik" und Euro-Bonds sei nichts zu erreichen. Nötig sei eine Stabilitätskultur: "Nicht das Heischen nach schnellem Beifall und das schnelle Nachgeben sind die Lösung, sondern Prinzipientreue in elementaren Fragen der Politik", sagte Brüderle und verwies auf Spanien und Italien, die nach deutschem Vorbild eine Schuldenbremse in der Verfassung verankern würden.

Zu einem Rundumschlag holte Klaus Ernst, Chef der Partei Die Linke, für seine Fraktion aus: "Sie retten mit dem Gesetz weder den Euro noch die Europäer", sondern nur die Banken und Finanzinstitute, kritisierte er die Koalition. Weder habe diese etwas gegen die "Entfesselung der Finanzmärkte" und "Zockerbuden" getan, noch habe sie das anhaltende Übergewicht des Exports in der deutschen Außenhandelsbilanz beseitigt, das durch sinkende Reallöhne und Renten erkauft sei. "Unsere Überschüsse sind die Schulden der anderen", sagte Ernst.

Jürgen Trittin, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, attestierte Merkel und Schäuble eine "europa- und währungspolitischen Geisterfahrt". "Sie wettern gegen Euro-Bonds, Sie haben sie längst in diesem Lande eingeführt", sagte Trittin mit Verweis auf die Anleihekäufe der EZB, an der Deutschland schließlich beteiligt sei. Eine Koordination in der Steuerpolitik, in der Wirtschaftspolitik und bei den Sozialstandards sei nicht ohne Änderung der europäischen Verträge zu haben, sagte Trittin und fügte hinzu: "Dafür fehlt Ihnen in dieser Koalition schon lange die Kraft."

Rückendeckung aus Karlsruhe

Von einem "Miteinander" sprach Trittin in der Frage der Parlamentsbeteiligung. Am Vortag der Debatte hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bislang vom Bundestag gebilligte Griechenland-Hilfe und die Beteiligung am Euro-Rettungsschirm mit dem Grundgesetz vereinbar seien (siehe Seite 1). Gleichzeitig stellten die Richter klar: Es gibt keinen Automatismus, der Bundestag hat in jedem Einzelfall zu entscheiden.

In einem Antrag (17/6945) schlagen die Koalitionsfraktionen ein Modell "abgestufter Mitwirkungsrechte" vor. So soll etwa die Bundesregierung in den entsprechenden EFSF-Gremien zu einem Nein-Votum verpflichtet sein, wenn die Entscheidung finanzielle Folgen für den Bundeshaushalt hat und keine Zustimmung des Bundestages vorliegt. Dieser strikte Parlamentsvorbehalt war bereits Bestandteil eines an die Fraktionsspitzen übermittelten Entwurfs, an dessen Ausarbeitung auf Wunsch von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Fachreferate der Bundestagsverwaltung beteiligt waren.

Bei weniger schwerwiegenden Entscheidungen - etwa in der operativen Anwendung der EFSF-Instrumente - reicht nach den Vorstellungen von Union und FDP hingegen die Zustimmung des Haushaltsausschusses. Offen lässt der Antrag indes noch eine Regelung für besonders dringende Entscheidungen.