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Unerfüllte Wünsche

BILDUNG Das BaföG wird 40 - doch die Bilanz fällt höchst unterschiedlich aus

26.09.2011
2023-08-30T12:16:49.7200Z
3 Min

Zunächst erschien das neue Gesetz wie ein warmer Regen: Als die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt am 1. September 1971 das BaföG ins Leben rief, deckte der Satz die Lebenshaltungskosten derer, die davon profitierten, fast vollständig ab. Und es profitierten eine Menge - fast 45 Prozent der Schüler und Studenten erhielten 1972 die Förderung, die dafür sorgen sollte, dass ein Studium nicht mehr nur primär Kindern der Oberschicht offen steht.

Nach 40 Jahren bekommt das Bafög zwar viele Glückwünsche auch aus dem Parlament - die Kritik am Bundesausbildungsförderungsgesetz, aber ist immens. Unter 18 Prozent der deutschen Studenten profitieren heute von der Förderung, die maximal 670 Euro beträgt und zur Hälfte zurückgezahlt werden muss. Lediglich ein Viertel der BaföG-Berechtigten stellt überhaupt einen Antrag, weil nur wenige den Höchstsatz bekommen und sich für die anderen der Papierkrieg für kleine Zuschüsse nicht zu lohnen scheint.

Auch das Ziel, mehr Arbeiterkinder an die Universitäten zu lotsen, konnte über das BaföG nicht erreicht werden: Noch immer sind in Deutschland der Bildungsstatus der Eltern und die Studienentscheidung der Kinder eng gekoppelt. Nur 17 Prozent der Arbeiterkinder beginnen ein Hochschulstudium, während es bei den Akademikerkindern 71 Prozent sind. So ist es in der 19. Sozialerhebung des deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2009 nachzulesen.

Die Oppositionsfraktionen des Bundestags finden das unbefriedigend. Sie haben daher verschiedene Vorschläge zu einer Weiterentwicklung des BaföG vorgelegt, über die das Parlament am vergangenen Freitag debattierte. So will Die Linke (17/6372) eine Erhöhung des BaföG um zehn Prozent zum 1. Oktober, eine Umstellung der Förderung auf einen Vollzuschuss und eine Ausweitung des Berechtigtenkreises. Die derzeitige Ausgestaltung der Förderung gehe an der Lebenswirklichkeit der Studenten vorbei, unterstrich die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke, entsprechend seien die Ergebnisse diverser OECD-Studien immer wieder "die Quittung für ein sozial diskriminierendes Bildungssystem".

Auch Bündnis 90/Die Grünen will die Bildungspotenziale von Nicht-Akademikerfamilien besser als bisher ausschöpfen. Um das zu erreichen, will die Fraktion das BaföG künftig als Zwei-Säulen-Modell gestalten (17/7026). Neben einem elternunabhängigen Vollzuschuss, der allen Studenten gewährt werden soll, wollen die Grünen eine soziale Komponente für Studenten aus einkommensarmen Elternhäusern schaffen. Es sei "traurige Realität", sagte der Sprecher der Grünen für Bildungs- und Hochschulpolitik, Kai Gehring, dass das Einkommen der Eltern entscheidend für den Bildungsweg sei. Auch die SPD macht sich für einen Ausbau des BaföG stark. Der Abgeordnete Swen Schulz mahnte an, es sei nötig, das Bafög stetig auszubauen, weil es ein Menschenrecht auf Bildung gebe, das nicht vom Geldbeutel abhängig sein dürfe. Der Bundestag überwies beide Anträge zur weiteren Beratung in die Ausschüsse.

Hochschulzulassung

Abgelehnt wurden zwei Anträge der SPD und der Linken zum System der Hochschulzulassung. Ihrer Ansicht nach halten nicht nur mangelnde finanzielle Mittel, sondern auch Probleme bei der Studienplatzvergabe Absolventen davon ab, ein Studium zu beginnen. Mehr als die Hälfte aller grundständigen Studiengänge seien im Wintersemester 2010/2011 zulassungsbeschränkt gewesen, klagte Nicole Gohlke. Nach Lesart der Linksfraktion, die eine bundesgesetzliche Zulassung der Hochschulzulassung fordert (17/5475), beschneiden diese Beschränkungen "die Freiheit der Berufswahl". Das Zulassungschaos führe dazu, dass sich viele Absolventen doppelt und dreifach um Studienplätze bewerben und dennoch am Ende Studienplätze unbesetzt bleiben.

Die Sozialdemokraten kritisierten, dass der Start des Dialogorientierten Servicefahrens, das für eine effizientere Vergabe von Studienplätzen sorgen sollte, verschoben werden musste. Es sei "eine Blamage", dass gerade jetzt, wo es durch doppelte Abiturjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht einen Bewerberansturm gebe, den Absolventen noch immer ein "Bürokratiedschungel" drohe, sagte die SPD-Bildungsexpertin Ulla Burchardt. Ihre Fraktion fordert deshalb einen "Notfallplan" für die Hochschulzulassung zum Wintersemester 2011/2012 (17/5899).

Die Koalitionsfraktionen wehrten sich gegen die Kritik der Opposition. Das Bafög sei eine "bildungspolitische Erfolgsgeschichte", betonte der bildungspolitische Sprecher der FDP, Patrick Meinhardt. Die ambitionierten Forderungen der Opposition nach seinem Ausbau ließen außer acht, dass dabei auch die Bundesländer "ihre Hausaufgaben machen müssen".

Der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann warf den Oppositionsfraktionen vor, bei ihren Forderungen zu vergessen, dass diese auch finanziert werden müssten und wünschte "viel Spaß bei der Auseinandersetzung mit ihren Haushältern". Die Opposition ziehe regelmäßig die Spendierhosen an und forderte morgens Erhöhungen, die sie abends abends im Vermittlungsausschuss verhindere. Die Koalition habe das BaföG in den vergangenen Jahren mehrfach sinnvoll reformiert und dafür "Rekordsummen" ausgegeben.