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Das Einkommen zum Auskommen

Altersarmut Regierung kann die Opposition mit ihrem Modell der Zuschussrente nicht überzeugen

04.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
4 Min

Die SPD-Abgeordnete Anette Kramme brachte es auf den Punkt: "Das eigentliche Thema ist der Regierungsdialog Rente", stellte sie in der Debatte fest, die unter dem Titel "Altersarmut" am vergangenen Freitag den Bundestag beschäftigte. Gegenstand der Diskussion war eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3139) zu diesem Thema und die Antwort der Bundesregierung darauf (17/6317). Die Grünen wollten von der Bundesregierung vor allem wissen, wie sie das Phänomen der Altersarmut, deren gesellschaftliche Folgen und ihre Bekämpfung einschätzt und welche Ursachen und Zukunftsprognosen erkennbar sind. Doch die schriftlichen Ausführungen der Regierung spielten vor dem Hintergrund des Anfang September gestarteten Regierungsdialogs Rente nur eine zweitrangige Rolle.

Modell für Geringverdiener

Der durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiierte mehrmonatige Dialog mit Rentenversicherung, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Arbeitgebern soll die Auswirkungen von Veränderungen in der Arbeitswelt für das Armutsrisiko im Alter untersuchen. Zeitgleich zog Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen medienwirksamen Vorschlag aus der Tasche: die sogenannte Zuschussrente. Geringverdiener sollen demnach ab 2013 ihre Altersrente auf 850 Euro (das wären fast 200 Euro mehr als in der Grundsicherung) aufgestockt bekommen, wenn sie mindestens 45 Versicherungsjahre vorweisen können und zusätzlich privat vorgesorgt haben. Für die ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten dieses Modells soll es Übergangsregelungen geben, wonach zunächst nur 40 Versicherungsjahre und fünf Jahre zusätzlicher Vorsorge ausreichen sollen.

Die Pläne zur Zuschussrente ergänzt das BMAS um Änderungen bei der Erwerbsminderungsrente und den Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner. So soll die Zurechnungszeit für die Erwerbsminderungsrente schrittweise angehoben werden. Bislang wird der Empfänger einer solchen Rente so gestellt, als hätte er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Hier soll künftig das 62. Lebensjahr gelten. Außerdem sollen Rentner künftig deutlich mehr als 400 Euro zu ihrer Rente hinzuverdienen dürfen, ohne Abschläge zu riskieren.

Kritik der Opposition

All das konnte die Oppositionsfraktionen nicht überzeugen. "Altersarmut bekämpft man nicht mit Minimallösungen im Rentensystem", monierte etwa Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Ein flächendeckender Mindestlohn reiche zwar nicht aus, sei aber ein "vorsorgender Schritt" im Kampf gegen Altersarmut. Aufgrund des stark gewachsenen Niedriglohnsektors sei Altersarmut für 6,5 Millionen Menschen vorprogrammiert, warnte die Grünen-Politikerin.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben Ende 2009 rund 764.000 Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten. Davon waren rund die Hälfte (400.000) im Rentenalter. Das entspricht einem Anteil von rund zwei Prozent an den über 65-Jährigen. 20 Prozent der Armutsgefährdeten über 65-Jährigen hatten einen Migrationshintergrund. Außerdem betrifft Frauen das Risiko der Altersarmut weit stärker als Männer. 2009 waren 61,5 Prozent der armen über 65-Jährigen Frauen und 38,5 Prozent Männer. Auch der Unterschied nach schulischen Abschlüssen ist deutlich. 60 Prozent der Betroffenen besitzen einen Hauptschulabschluss, dagegen nur 1,4 Prozent die Fachhochschulreife. Als Armutsrisikoschwelle gibt die Bundesregierung in ihrer Antwort 929 Euro an, das sind 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens.

Als vier zentrale Ursachen für Armut im Alter benannte Anette Kramme von der SPD Niedriglöhne, längere Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und die fehlende Absicherung für Selbstständige. Der Arbeitsmarkt spiele hier also eine zentrale Rolle, deshalb müssten sich Lösungsvorschläge auch auf diesen beziehen, sagte sie. Das Modell einer Zuschussrente tue dies jedoch nicht. Kramme forderte stattdessen ebenfalls einen Mindestlohn.

In der Ursachenanalyse war sich Matthias Birkwald (Die Linke) mit seinen Oppositionskolleginnen zwar einig. Doch: "Die rot-grüne Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass das Rentenniveau drastisch sinken wird und sich der Niedriglohnsektor ausbreitet", so sein Vorwurf. Die im Zusammenhang mit der Zuschussrente geplante Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen für Rentner bezeichnete er als wirkungslos. Damit würden gerade Niedriglohnjobs nicht bekämpft, die ja auch Ursache von Altersarmut sind, so Birkwald.

Gegen Grundrente für alle

Die Koalitionsfraktionen zeigten wenig Verständnis für die Haltung der Opposition. Eine Debatte über den Mindestlohn helfe hier nicht weiter, stellte etwa Peter Weiß für die CDU fest. Selbst ein Mindestlohn von neun Euro würde die Rente nicht über das Grundsicherungsniveau heben, so sein Argument. Auch die von der Opposition vorgeschlagene Grundrente für alle sei keine Alternative. "Wenn Rente nichts mehr mit Arbeit und Leistung zu tun hat, dann ist das eine Entwertung von Arbeit und Lebensleistung", sagte Weiß. Und sein Kollege von der FDP, Heinrich Kolb, fügte hinzu, Mindestlöhne seien "definitiv" keine Lösung. "Wir brauchen einen präventiven Ansatz und müssen die Menschen ermuntern, mit einem möglichst großen Anteil an privater Vorsorge für eine ausreichende Rente im Alter zu sorgen", sagte Kolb. Der Regierungsdialog Rente biete hierfür gute Ansätze.