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AUFGEKEHRT : Locken auf der Glatze drehen

04.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
2 Min

Früher trug der Kremlherrscher noch ebenso verlässlich einen Bart wie amerikanische Präsidenten Stock und Hut. Diese Zeiten sind vorbei. Bärtige Staatsführer sind irgendwann in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Verruf gekommen, und wer heute noch wie Mahmud Ahmadinedschad oder Alexander Lukaschenko sein Gesicht hinter Gestrüpp versteckt, gilt auf internationalem Parkett als suspekte Figur. In Russland ist die Kandidatenfrage für den Kreml bis heute dennoch eine haarige Angelegenheit geblieben: Lenin und Stalin, Chruschtschow und Breschnew, Andropow und Tschernenko, Gorbatschow und Jelzin, es ist stets das gleiche Muster: Glatze - Haare, Glatze - Haare, das ist seit der Oktoberrevolution der geheime Morsecode des Kreml in Nachfolgefragen.

Einige Kremlastrologen behaupteten seinerzeit, der damalige Präsident Putin und Nachfolger Jelzins sei der erste gewesen, der mit dieser Regel gebrochen habe. Allerdings war das der sehr durchschaubare Versuch, auf der präsidialen Glatze schöne Locken zu drehen. Man wird Putin gewiss nicht zu nahe treten, wenn man ihn zur Fraktion mit spärlichem Haar zählt. Der heutige russische Premierminister pflegt seine verbliebene Haarpracht nämlich nach Altherrenart über den Schädel zu scheiteln. Auf diese Weise lässt sich zwar die ein oder andere kahle Stelle geschickt kaschieren, nicht aber die eiserne Regel außer Kraft setzen: Auf einen Kremlherrscher mit vollem folgt stets einer mit gelichtetem Haupt.

Die Personalie, die der Parteitag der Kreml-Partei "Einheitliches Russland" dieser Tage abnickte, ist deshalb nur wenig überraschend. Nach dem Frisurenreglement des Kremls kommt nämlich nur einer als Nachfolger Dimitri Medwedews in Frage, und der heißt Wladimir Putin. Falls Medwedew in tiefer Verzweiflung über diese byzantinische Kandidatenkür nicht doch noch sämtliche Haare ausfallen.