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ORTSTERMIN: BEI DER AUSSTELLUNG VON GUNDULA… : Eingefangene Gefühle

04.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
2 Min

Ein kleines, blondes Kind steht vor einer alten Scheune. Es trägt ein weißes Kleid, hat Engelsflügel auf dem Rücken. Die Tür hinter ihm hängt schief in den Angeln, zu seinen Füßen sprießt das Unkraut. Das Kind guckt ratlos in die Kamera. "Engel" heißt dieses Foto von Gundula Schulze-Eldowy. Die Künstlerin hat in ihren Fotografien stets ungewöhnliche Perspektiven genutzt, Gefühle eingefangen, Wunden aufgezeigt, Risse gefunden.

Der Bundestag ehrt die in der DDR aufgewachsene 57-jährige Schulze-Eldowy mit einer Doppelausstellung, die noch bis zum 11. Januar im Kunst-Raum und im Mauer-Mahnmal des Bundestages zu sehen ist. Die Fotografien stammen aus unterschiedlichen Schaffensphasen und könnten verschiedener kaum sein. "Anhand der Werke lässt sich erkennen, welch' große Zäsur der Fall der Mauer bedeutete", sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zur Ausstellungseröffnung in der vergangenen Woche. Angefangen mit Porträts von Arbeitern aus der DDR, die von harter Arbeit, Schmutz und Erschöpfung zeugen und nicht dem Ideal des fröhlichen Dieners des Staates entsprechen. Es geht weiter mit den Jahren vor dem Mauerfall, als Schulze-Eldowy mit der Kamera durch Ost-Berlin zog und die Wunden der Stadt aufzeigte. Ein weiterer Bilder-Zyklus stammt von einer Reise nach Polen: Ein Zug, von oben beobachtet, kommt aus dem nebligen Nichts, zu sehen sind nur die Schienen unter ihm und die Leuchten rechts und links des Gleisbetts. Neben dem Foto hängen Aufnahmen von Landschaften oder einzelnen Häusern. Die Motive versinken ebenfalls im Nebel.

Die nach der Wende entstandenen Bilder, aufgenommen bei vielen Reisen ins Ausland, sprechen eine andere Sprache: Großformatige farbige Fotos arbeiten mit Spiegelungen, beispielsweise wenn Schulze-Eldowy eine Kopie von Tizians berühmtem Venus-Gemälde in einem New Yorker Schaufenster fotografiert. In der Fensterscheibe zeigen sich die vorübereilenden Passanten, ein spannendes Zusammenspiel von Malerei und Fotografie, von Gegenwart und Vergangenheit. Gegenüber der Aufnahme hängen Porträts von Frauen, seltsam unwirklich scheinend, als ob sie hinter einer durchsichtigen Fassade stünden. In Russland hat Schulze-Eldowy Bilder auf Grabsteinen fotografiert, in Istanbul lichtete sie Heiligenmalereien in Kirchen ab. Sie ergänzte sie durch Blattgold, was den Werken ein neues Aussehen verleiht.

Kristina Volke, Co-Kuratorin der Kunstsammlung des Bundestages, sagte, die Ausstellung sei "eine von denen, die uns am meisten überrascht haben". Ihre Mitarbeiter und sie seien von den sozialkritischen Werken der Künstlerin vor dem Mauerfall ausgegangen. Den vollen Umfang des Schaffens von Schulze-Eldowy hätten sie erst ermessen können, als sie die Ausstellung zusammen mit der Künstlerin erarbeiteten.

Der Kunst-Raum des Bundestages ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Am 22. Oktober gibt es für Kinder ab 10 Jahren den Workshop "Goldrauschen", bei dem sie mit verschiedenen Materialien experimentieren können.