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2017 schon fest im Blick

ReformationsjubiLÄum Bundestag und evangelische Kirche würdigen »Ereignis von Weltrang«

24.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
4 Min

Es ist eine Kombination, die nicht nur auf den ersten Blick schwer zusammen zu gehen scheint: Kirche und Flashmob. Geht es aber nach dem Hannoveraner Pastor Christoph Römhild, sollen genau diese beiden Dinge sich am 31. Oktober verbinden. Unter dem Motto "Kommt ein Segen geflogen" sollen am Reformationstag, pünktlich um 15:17 Uhr, überall in Deutschland Menschen zusammenfinden, um kleine Papierflieger von Balkonen oder Brücken, Kirchtürmen oder aus Rathausfenstern zu werfen.

Bedruckt mit einem Segenswort und der Information "Reformationstag 2011" sollen die "Segensflieger" als Teil der Lutherdekade an den Thesenanschlag Martin Luthers in Wittenberg im Jahr 1517 erinnern. "Wir haben uns überlegt, wie Luther heute auf seine Botschaft aufmerksam machen würde", sagt Pastor Römhild, "und wir sind uns sicher, dass er dafür die modernsten Methoden verwendet hätte. Immerhin hat er das damals schon getan, indem er den Buchdruck für sich nutzte." Angekündigt wird die Aktion über Facebook und Twitter - auch hier ist der Pastor sicher, "das würde auch Luther so machen".

Römhild verbindet mit der Aktion die Hoffnung, die Lutherdekade stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Sie startete am 21. September 2008 und soll zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags im Jahr 2017 mit vielen Veranstaltungen, Tagungen und Ausstellungen ihren Höhepunkt finden. Schon jetzt steht jedes Jahr unter einem anderen Motto: "Reformation und Bildung" war es 2010, in diesem Jahr geht es um "Reformation und Freiheit".

Die 95 Thesen, die Luther 1517 an die Pforte der Schlosskirche in Wittenberg anschlug, wandten sich gegen den Ablasshandel und lösten eine Diskussion aus, die letztlich zur Reformation führte, an deren Ende die Spaltung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen stand. Sie wirkte nicht nur innerhalb der Kirche, sondern innerhalb der gesamten Gesellschaft - und mündete schließlich in die Trennung von Staat und Kirche.

Noch wenig Öffentlichkeit

An das Wirken dieses Mannes und die großen Veränderungen, die seine Auseinandersetzung mit Rom ausgelöst haben, will die evangelische Kirche in dieser Luther-Dekade erinnern. Doch bislang bekommt das Thema noch wenig breite Öffentlichkeit - wohl auch deshalb, weil das eigentliche Jubiläum noch weit in der Zukunft liegt. "Wir sind einfach sehr früh dran", sagt Pastor Römhild, "es ist klar, dass wir da noch viel Werbung machen müssen."

Schwung in die Kampagne soll nun ein bekanntes Gesicht bringen: Ab dem kommenden Frühjahr wird die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum sein. Ein so herausragendes Ereignis brauche "eine Person, die in überzeugender Weise die damit verbundenen reformatorischen Kernanliegen vermittelt", ließ der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke wissen. Käßmann selbst teilte mit, hinter der Reformation, die 1517 durch Martin Luther ihren Ausgang genommen habe, verberge sich "nicht nur eine imponierende, zuweilen auch herausfordernde Geschichte, sondern auch ein großes Potential für heute und für die Zukunft". Martin Luther habe vor 500 Jahren festgestellt, dass ein Mensch nicht deshalb eine angesehene Person sei, "weil er reich, klug oder schön ist, sondern weil Gott ihn ansieht". Es sei Teil des kirchlichen Auftrages zu fragen, wie die Kirchen dem biblischen Auftrag gerecht würden, die Einheit der Christenheit zu leben - dabei sei Luther ein Vorbild, "für uns heute, aus dem Glauben heraus, Standpunkte zu finden". Die Reformation sei ein "Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung".

Kulturelles Erbe anerkennen

Diese Einschätzung teilen auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Sie haben am 20. Oktober den interfraktionellen Antrag "Das Reformationsjubiläum im Jahre 2017 - ein Ereignis von Weltrang" (17/6465) einstimmig verabschiedet und um Unterstützung für das Projekt geworben. Fünf Millionen Euro stellt der Bund allein in diesem Jahr für die Vorbereitung zur Verfügung - dafür dankte der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Mitglied im Kuratorium zur Vorbereitung des Jubiläums, im Bundestag ausdrücklich. Besonders erfreut zeigte er sich darüber, dass der Antrag fraktionsübergreifend getragen wurde. Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP) betonte, die Reformation habe "kulturgeschichtlich bedeutende Veränderungen" angestoßen. Wolfgang Börnsen, kulturpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, stellte fest, die "europäische Kulturidentität" sei "ohne das Christentum nicht denkbar". Weil die "Entchristlichung unseres Abendlandes" anhalte, sei es nötig, die "geistig-moralischen Grundlagen des Kontinents" zu revitalisieren. Das Freiheitsverständnis Martin Luthers nehme dabei "eine Schlüsselrolle ein".

Für die FDP führte Patrick Kurth aus, die Reformation sei auch die Voraussetzung "für die Entwicklung hin zum mündigen Menschen" gewesen. Daneben sehen die Liberalen in der Luther-Dekade auch andere Vorteile: Sie habe auch, "wirtschaftliche, touristische und gesellschaftliche Aspekte".

Für die SPD betonte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Kultur und Medien der Fraktion, Siegmund Ehrmann, die von Luther angestoßene Reformation habe "der Aufklärung den Weg geebnet". Man müsse die Zeit der Lutherdekade dafür nutzen, sich mit "der Reformation als Teil unseres kulturellen Erbes", zu der auch blutige Religionskriege gehört hätten, auseinanderzusetzen.

Gegen eine "Verherrlichung Martin Luthers" wandte sich die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/die Grünen, Agnes Krumwiede. Man müsse sich sowohl mit seiner Person als auch der Institution Kirche kritisch auseinandersetzen. Die Abgeordnete betonte, es müsse bei einer Trennung der Geschäftsstellen für das Jubiläum in eine kirchliche und eine staatliche bleiben.

Getrennt bleiben einmal mehr auch die Bundestagsfraktionen: Lukrezia Jochimsen, kulturpolitische Sprecherin der Linken, beklagte, dass ihre Fraktion von dem Antrag ausgeschlossen worden sei und ihn nicht habe mittragen dürfen. Sie sagte, wer sich mit der Reformation beschäftige, müsse sich auf mehr konzentrieren als die Person Luthers.