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Mubaraks langer Schatten

ÄGYPTEN Zehntausende fordern Rücktritt des Militärrats - Urnengang im Klima der Gewalt

28.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
2 Min

Die arabischen Revolutionsstaaten Tunesien und Libyen machen große Fortschritte bei ihrem Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Selbst im Jemen zeichnet sich mit dem Machtverzicht von Präsident Ali Abdallah Saleh eine Lösung ab. Nur in Ägypten, ein Land mit Parteien und einer vielfältigen Medienlandschaft, stockt der Reformprozess, der mit der Entmachtung des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak im Februar begonnen hatte. Die Demonstranten von einst sind desillusioniert und beklagen, dass sich eigentlich nichts verändert habe. Immer wieder kommt es zu Gewaltausbrüchen wie vergangene Woche auf dem Tahrir-Platz in Kairo. An heutigen Montag soll die auf mehrere Wochen angelegte Parlamentswahl beginnen. Doch konnte direkt davor niemand ausschließen, dass der Urnengang nicht in letzter Minute verschoben wird. Das Militär hielt zwar am Wahltermin fest. Doch mehrten sich die Stimmen, die sagten, viele hätten schlicht Angst, in diesem Klima der Gewalt zur Wahl zu gehen.

Militär im Hintergrund

Ausgelöst hat die jüngste Welle der Proteste, die von der Polizei mit überzogener Gewalt beantwortet wurde, ein Vorstoß der inzwischen zurückgetretenen Übergangsregierung für sogenannte Verfassungsleitlinien. Diese Grundsätze sollten sicherstellen, dass die neue Verfassung allen Bürgern - Christen, Frauen, ethnischen Minderheiten - gleiche Rechte gewährt und demokratische Prinzipien wie eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten nicht aushebelt. Auf der anderen Seite sollten sie die Privilegien des Militärs absichern, und zwar sowohl materiell als auch politisch. Letzteres kam bei der Mehrheit der Aktivisten und neuen Parteien nicht gut an. Die "Jugendbewegung des 6. April", die maßgeblich an der Mobilisierung der Anti-Mubarak-Demonstranten beteiligt gewesen war, stellte ernüchtert fest: "Mubarak ist weg - aber das alte System ist noch da - repräsentiert durch den Obersten Militärrat". Am vergangenen Freitag präsentierte der Rat den früheren Regierungschef Kamal al-Gansuri als neuen Übergangspremier. Zuvor hatte der Rat Zugeständnisse gemacht und unter anderem die Präsidentschaftswahl für Juni angekündigt. Die Proteste gegen den Militärrat dauerten an. Viele Fragen bleiben ungeklärt. Wie viel Macht wird das Militär haben und wie islamisch geprägt wird der künftige Staat sein?

Anders als in Libyen, wo man sich stark auf Technokraten stützt, die ihre Erfahrungen aus dem Exil mitbringen, kochen die Ägypter lieber im eigenen Saft. Auch darin bleiben sie in der Tradition der Mubarak-Ära, in der das Regime Angst vor "ausländischer Einmischung und Spionage" verbreitet hatte. Viele europäische Regierungen und Institutionen sind in den vergangenen Monaten mit Angeboten, den ägyptischen Transformationsprozess konstruktiv zu begleiten, abgeblitzt.