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Kampf um Quote

FRAUENFÖRDERUNG Mehr weibliche Führungskräfte wollen alle. Der Weg dorthin ist selbst unter Unions-Frauen umstritten

05.12.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
5 Min

Als besonders angenehm dürfte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ihre Besuche im Parlament momentan nicht empfinden. Das geplante Betreuungsgeld und - wieder zurückgenommene - Kürzungen in ihrem Etat für Projekte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus haben ihr in den vergangenen Wochen viel Kritik eingebracht. Und auch Schröders Pläne zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen stoßen insbesondere bei der Opposition auf Unmut. In der Gleichstellungsdebatte am vergangenen Freitag wurde allerdings deutlich: Auch Unions-Frauen erwarten von ihrer Ministerin deutlich mehr als bisher.

Eigentlich hätten die CSU-Frauenexpertin Dorothee Bär und ihre CDU-Kollegin Rita Pawelski nichts gegen eine Quote - und dem Gesetzentwurf der Grünen (17/3296) sowie dem Antrag der SPD (17/4683) zur Einführung einer solchen wohl auch gern zugestimmt. Doch weil die SPD eine namentliche Abstimmung zu beiden Initiativen durchgesetzt hatte, war ihnen das nicht möglich. Damit habe die SPD, klagte Pawelski, die gemeinsame Basis der weiblichen Mitglieder des Bundestags verlassen und sie bei der Abstimmung in eine Position gezwungen, "die wir nicht wollten". Dies habe der Sache erheblich geschadet. Auch Bär bedauerte die Abstimmungsmodalitäten; man habe sich das anders gewünscht.

Ministerinnen uneins

Denn in einem sind sich insbesondere die Parlamentarierinnen einig: Es bringt nichts, darauf zu warten, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in den Führungsetagen sich von allein ergibt. Dafür sind die Zahlen zu deutlich: Bei 15 Prozent liegt der Frauenanteil in den deutschen Aufsichtsräten, in den Vorständen sind gerade mal 3,7 Prozent weiblich besetzt. "Unterirdisch" nennt das Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und setzt sich deshalb immer wieder für eine gesetzliche Frauenquote ein. Die soll bei 30 Prozent liegen und bis 2018 erreicht sein. Das aber lehnen sowohl Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als auch die Familienministerin ab. Schröder will die Gleichberechtigung über einen Stufenplan erreichen, bei dem die Unternehmen selbst unterschiedliche "Flexiquoten" festlegen - so soll der Frauenanteil im Management und in den Aufsichtsgremien bis 2020 auf bis zu 35 Prozent steigen.

Kritik an Stufenplan

Genauso umstritten wie zwischen den beiden CDU-Ministerinnen ist das Thema auch im Bundestag. Während sich für die CDU Stephan Scharbath zunächst für freiwillige Lösungen aussprach, die letztlich zu einem "öffentlichen Rechtfertigungsdruck für die Unternehmen" führen würden, warnte seine Fraktionskollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker, es sei ein Irrtum zu denken, das Problem werde sich von allein lösen. Bislang habe sich über freiwillige Verpflichtungen der Wirtschaft der Frauenanteil in den Führungsetagen so minimal erhöht, dass es "noch 50 Jahre" dauern würde, bis man "bei einer akzeptablen Größenordnung" angekommen sei. Die Abgeordnete sprach sich klar für den Vorschlag von der Leyens aus: Eine Zielvorgabe von 30 Prozent bis 2018 sei ein guter Weg. Auch Rita Pawelski kritisierte Schröder: Ein Stufenplan sei zwar gut, doch müsse dazu auch gehören, "dass wir irgendwann die erste Stufe erreichen". Es reiche nicht, sich auf die Versprechen der Wirtschaft zu verlassen.

Davon ist auch die Opposition überzeugt. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast betonte, weil 2013 ein Großteil der Aufsichtsräte neu bestellt werde, sei eine Regelung dringend - das gebe den Unternehmen genug Zeit, geeignete Frauen zu finden. Ihre Fraktion will, dass es in den Aufsichtsräten und Vorständen künftig eine 40-prozentige Quote gibt. Damit komme der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht nach: Das Grundgesetz verlange vom Staat, auf den "Abbau gesellschaftlicher Benachteiligung der Frauen hinzuwirken".

Diese Überzeugung teilen auch die Sozialdemokraten. Rot-Grün habe im Jahr 2001 eine freiwillige Vereinbarung zur Steigerung des Frauenanteils mit der Wirtschaft abgeschlossen, sagte die SPD-Abgeordnete Eva Högl. Dies habe "nichts, aber auch gar nichts gebracht". Zu dem Handlungsauftrag des Grundgesetzes komme hinzu, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung davon überzeugt sei, man müsse gesetzlich für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen sorgen. Es sei "das dümmste Argument" gegen die Quote, dass auf diesem Wege ungeeignete Frauen in Führungspositionen gelangen würden. Wer behaupte, der hohe Männeranteil in den Gremien gehe auf eine tatsächliche Bestenauswahl zurück, sende ein "verheerendes Signal an die Frauen im Land". Frauen wollten und könnten Verantwortung übernehmen - eine gesetzliche Quote sorge dafür, "dass Frauen endlich auf die Plätze kommen, die ihnen zustehen". Die Bundesregierung tue dafür jedoch nichts, sondern setze stattdessen mit dem Betreuungsgeld "Signale in die falsche Richtung".

Auch die Tatsache, dass Schröder in der Debatte auf einen Beitrag verzichtete, stieß auf Kritik. Es sei "ungehörig", monierte die SPD-Abgeordnete Elke Ferner, dass Schröder nicht einmal den Sprecherinnen ihrer eigenen Fraktion zugehört, sondern demonstrativ in ihren Akten geblättert habe.

Für Die Linke stellte Barbara Höll fest, dass die Ministerin nicht spreche, zeige nur, dass "sie nichts zu dem Thema zu sagen hat". Ihre Fraktionskollegin Yvonne Ploetz stellte fest, Schröder komme den Selbstverpflichtungen noch nicht einmal im eigenen Haus nach: So gebe es keine einzige Staatssekretärin im Familienministerium und von fünf Abteilungen werde nur eine von einer Frau geführt. Die Linke will eine gesetzliche Quote - die mit 50 Prozent über die Forderungen von SPD und Grünen hinausgeht.

Lob für "Quoten-Gipfel"

Vehement gegen eine Quotenregelung ist nur die FDP. Eine starre Quote sei "unverhältnismäßig" und greife zu kurz, sagte ihre Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt. Man dürfe nicht alle Aktiengesellschaften wie Großunternehmen behandeln; vor allem die vielen Mittelständler stelle eine Quote vor ein Problem. Auch ohne staatliche Verordnungen sei der Druck auf Wirtschaft und Unternehmen groß, sich "ein frauenfreundliches Image" zu geben. Der FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann betonte, auf dem Gipfeltreffen mit Wirtschaftsvertretern im Oktober habe die Bundesregierung viel erreicht.

Wie groß die Ergebnisse des Gipfels vom 17. Oktober 2011 in Berlin tatsächlich sind, ist umstritten: Weder wurden dabei konkrete Ziele für Aufsichtsräte oder Vorstände formuliert, noch konnte man sich auf zeitliche oder prozentuale Ziele einigen. So will Adidas den Anteil seiner weiblichen Führungskräfte bis 2015 von 26 auf 35 Prozent steigern, die Lufthansa dagegen will bis 2020 30 Prozent erreichen. Auch wie genau der Stufenplan aus dem Familienministerium aussehen soll, ist bislang noch nicht bekannt. Medien zufolge will Schröder, dass Großunternehmen mit Bundesbeteiligung bei der Frauenförderung vorangehen - für sie soll die Flexiquote ab 2013 gelten.

Bei der Suche nach Beispielen empfehlen Experten oft den Blick nach Norden: Schon 2003 hat Norwegen eine 40-Prozent-Quote für börsennotierte Unternehmen festgesetzt. Für Marit Hoel vom Osloer Institut für Unternehmensvielfalt sind die Auswirkungen "viel undramatischer" als von von manchen befürchtet: "Es hat sich gezeigt, dass Frauen in Aufsichtsräten nach denselben Prinzipien arbeiten wie die Männer, die sie verdrängt haben."