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Löschen statt sperren

NETZPOLITIK Bundestag hebt Gesetz von 2009 auf

05.12.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
3 Min

Der Bundestag hat das umstrittene Gesetz zu Sperren von Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten endgültig aufgehoben. Künftig werden Seiten mit entsprechenden Inhalten direkt gelöscht statt nur gesperrt. Im Jahr 2009 hatte das Parlament zu Zeiten der Großen Koalition das Gesetz noch mit großer Mehrheit verabschiedet -jetzt wurde es einstimmig gekippt. Die Entscheidung bedeutet nicht nur das endgültige Aus für das sogenannte "Zugangserschwerungsgesetz" , sondern beendet auch eine lange und kontroverse Debatte.

Leicht zu umgehen

Das Gesetz wurde seinerzeit von Schwarz-Rot initiiert. Kritiker, beispielsweise aus den Reihen des Chaos Computer Club, monierten, dass es wirkungslos und kontraproduktiv sei und darüber hinaus ein Einstieg in die Internetzensur.

Die Regelung sah vor, dass das Bundeskriminalamt eine Liste mit zu sperrenden kinderpornographischen Seiten im Netz erstellt. Diese sollten dann von den deutschen Internetprovidern für ihre Kunden gesperrt werden. Beim Aufruf einer derartigen indizierten Seite wäre auf dem Computer anstelle des Seiteninhalts ein überdimensionales, knallrotes Stopp-Schild erschienen. Allerdings wurde ziemlich schnell klar, dass die Sperrungen relativ einfach zu umgehen wären. Die Inhalte wären weiter vorhanden. Aus diesen Gründen brachte die jetzige schwarz-gelbe Regierungskoalition das nun verabschiedete "Gesetz zur Aufhebung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" (17/6644) ein.

Bundesjustizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte in der Plenardebatte am Donnerstag vergangener Woche, dass "Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu den abscheulichsten Inhalten im Internet gehören". Deshalb und weil Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz unter Strafe stünden, müssten "diese widerwärtigen Abbildungen aus dem Internet verbannt werden - dauerhaft und nachhaltig". Hinter jeder Darstellung stehe "eine reale Misshandlung von Kindern, fürchterliches Leiden und Schmerz". Die Bundesregierung habe sich daher entschlossen, "diese Inhalte vorbehaltlos zu löschen, national und in internationaler Zusammenarbeit".

Kritik an Internetsperren

Für die Sozialdemokraten betonte ihr Abgeordneter Lars Klingbeil: "Wir sind uns hier im Parlament darüber einig, dass der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Gewalt an Kindern zu den schlimmsten Verbrechen gehören, die es gibt". Klingbeil wertete es als Erfolg, "dass heute Einigkeit unter uns besteht, dass Netzsperren der falsche Weg sind, wenn es darum geht, Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen".

Der Parlamentarier Jörn Wunderlich (Die Linke) sagte, der Bundestag entscheide über die Aufhebung eines Gesetzes, "welches seinerzeit in blindwütigem Aktionismus" erlassen worden sei. Dabei sei Die Linke von Anfang an gegen dieses "sinnlose Gesetz" gewesen und habe Anfang 2010 seine Aufhebung beantragt. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz begrüßte, "dass wir dieses Gesetz zurücknehmen", nachdem man "zwei Jahre darum gerungen" habe. Notz fügte hinzu, wer im Jahr 2011 "im Bereich der Netzpolitik glaubhaft agieren möchte und gleichzeitig Netzsperren fordert", der denke "wahrscheinlich auch, Atomkraft sei eine Ökoenergie".

Für den CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling blieb die Frage, welches Staats- und Gesellschaftsbild "diejenigen im Kopf (haben), die mit Verve ,Zensur' gebrüllt haben, um das Gesetz zu Fall zu bringen". Denn da, argumentierte Heveling, "geht es wohl um mehr als um die Frage der Tauglichkeit des Mittels Internetsperren - es geht offensichtlich um die grundsätzliche Haltung zu staatlichen Eingriffen zur Abwehr von Straftaten".