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Über Kaskaden zu höherem Frauenanteil in der Forschung

19.12.2011
2023-08-30T12:16:54.7200Z
2 Min

WISSENSCHAFT

"Nicht wissen, nicht wollen, nicht können." Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bildungs- und Forschungsausschusses, war reichlich skeptisch. Grundlage für ihre Beurteilung der Regierungsarbeit am vergangenen Donnerstag im Plenum war die Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage aller drei Oppositionsfraktionen (17/5541, 17/7756). Thema: Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftssystem. Wie die Regierung darin mitteilt, hat sich die Chancengleichheit an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in den vergangenen zehn Jahren zwar verbessert, die bestehende Unterrepräsentanz von Frauen bleibe jedoch ein Problem.

Laut Statistischem Bundesamt ist der Frauenanteil bei universitären Abschlüssen zwischen 2000 und 2009 von 44,8 Prozent auf 52,3 Prozent gestiegen. Auch der Frauenanteil bei Promotionen hat im gleichen Zeitraum von 34,3 Prozent auf 44,1 Prozent zugelegt. Der Anteil der Frauen am wissen- schaftlichen Personal ist in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in Leitungsfunktionen ebenfalls gewachsen. Jedoch sind Frauen dort noch immer stark unterrepräsentiert. Zudem arbeiten sie - so lässt sich der Vorlage entnehmen - an Hochschulen öfter in befristen Beschäftigungsverhältnissen als Männer.

Die Regierung habe keine Ahnung, was getan werden müsse, um die Situation zu verbessern, sagte die SPD-Abgeordnete Marianne Schieder. Es sei jedoch höchste Zeit zu handeln: Überproportional viele Frauen stiegen nach der Promotion aus dem Wissenschaftsbetrieb aus. "Wir erlauben uns eine massive Verschwendung von intellektuellem Potenzial", betonte sie.

"Warum verzichten Sie auf das kreative Potenzial von Frauen?", wollte Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, von der Regierung wissen. Die Einigung von Bund und Ländern auf ein Kaskadenmodell - "also Quoten entsprechend des Frauenanteils der jeweils vorausgehenden Stufe in der Karriere des Wissenschaftssystems" - sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, sagte Sitte. Jedoch könne dieses Modell nur konsequent umgesetzt werden, wenn Anreize geschaffen und Sanktionen integriert werden.

"Wir sind auf gutem Weg und kommen unserer Verantwortung nach", betonte dagegen Martin Neumann, forschungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Dennoch belegten die Zahlen, dass die Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftsbereich eine Daueraufgabe sei. Seine Fraktion habe sich daher stets für das Kaskadenmodell ausgesprochen. In einem Wissenschaftsfreiheitsgesetz solle nun die "gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in Wissenschaft und Forschung als Grundsatz" verankert werden, kündigte Neumann.

"Wir haben ein offenkundiges Innovations- und Qualitätsproblem", konstatierte Krista Sager, Sprecherin für Wissenschafts- und Forschungspolitik der Grünen-Fraktion. Die Spitzenpositionen im Wissenschaftsbereich würden noch immer vorrangig aus einer Geschlechtergruppe rekrutiert werden. Die Fortschritte in Sachen Parität seien zu langsam, betonte sie und sprach sich für mehr Verbindlichkeiten, Zielquoten, Anreize, Sanktionsmechanismen und gezielte Rekrutierungsmaßnahmen aus.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Chancengerechtigkeit im Wissenschaftssystem verbessert, sagte Anette Hübinger (CDU). Ein Grund dafür sei auch, dass die Bundesregierung die Verbesserung der Repräsentanz von Frauen als strategisches Erfordernis ansehe. Fördermaßnahmen wie Exzellenzinitiative, Professorinnenprogramm und Hochschulpakt hätten dazu beigetragen. Sollte in den kommenden Jahren die Selbstverpflichtung des Wissenschaftssystems jedoch keine Fortschritte erzielen, würde auch sie die Einführung des "Kaskadenmodells als eine gesetzliche Forderung" befürworten.