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Debatte im Glashaus

PErsonalpolitik Die Opposition bezichtigt Dirk Niebel der »Vetternwirtschaft« in seinem Ressort

30.01.2012
2023-08-30T12:17:24.7200Z
3 Min

Sie sind sich nicht grün, der Minister und der Sozialdemokrat. Wenn die Rede auf die Personalpolitik im von Dirk Niebel (FDP) geführten Entwicklungsministerium (BMZ) kommt, schaltet der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Raabe, auf Attacke. So auch in der Fragestunde am vergangenen Mittwoch: Weil die SPD-Fraktion seine bohrenden Nachfragen an die Parlamentarische Staatsekretärin Gudrun Kopp (FDP) zu Stellenbesetzungen in ihrem Hause nicht hinreichend beantwortet sah, verlangte sie die anschließende einstündige Aussprache in einer Aktuellen Stunde.

Die Vorwürfe der Opposition hatten es in sich: Minister Dirk Niebel (FDP) betreibe in seinem Ressort "Vetternwirtschaft", Leitungspositionen würden nach FDP-Parteibuch statt nach Qualifikation besetzt. Die Koalitionsfraktionen konterten, die Opposition breche eine Debatte vom Zaun, die auch sie - wo sie in Regierungsverantwortung stehe - betreffe. Auch unter Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), der Vorgängerin Niebels, seien wichtige Positionen nach dem Kriterium politischer Nähe besetzt worden.

Hintergrund der Diskussion ist der vom Bundestag mit dem Haushalt 2012 bewilligte Aufwuchs von rund 180 Stellen im BMZ, von denen nach Presseberichten unter Berufung auf den Personalrat des Hauses Leitungsfunktionen mit FDP-Mitgliedern besetzt worden sein sollen. Die Koalition argumentiert, mit dem Aufwuchs die politische Steuerungsfähigkeit des Ministeriums nach der Schaffung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchzusetzen (siehe Infokasten). Im übrigen sei die politische Besetzung von politischen Beamtenstellen legitim und "Staatspraxis".

Raabe bezeichnete Niebel als "Minister für Vetternwirtschaft und Abwicklung". Das Ressort drohe zu einem "Versorgungswerk für FDP-Funktionäre" zu verkommen. Niebel fordere in Partnerländern stets - und zu Recht - gute Regierungsführung ein, werde diesem Kriterium aber im eigenen Hause selbst nicht gerecht.

Konkret beanstandete Raabe die Berufung einer früheren FDP-Oberbürgermeisterin zur Leiterin der "Servicestelle für das zivilgesellschaftliche und kommunalpolitische Engagement". Es bestehe der "Anfangsverdacht", dass hier ein Bewerbungsverfahren unter mehr als 130 Bewerbern nur durchgeführt worden sei, nur "um den Anschein eines gesetzeskonformen Auswahlverfahrens" zu wahren, sagte Raabe. Sollte sich dies bewahrheiten, bleibe Niebel nur die einzig "richtige Personalentscheidung": der eigene Rücktritt.

Heike Hänsel (Die Linke) sprach vom "handfesten Verdacht", dass bei der Stellenvergabe im BMZ die Parteizugehörigkeit das "entscheidende Qualifikationskriterium" sei. Niebel trage mit seiner Personalpolitik zum Vertrauensverlust der Politik bei.

Uta Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer "unklugen Personalpolitik". Es sei nicht ungewöhnlich, Spitzenposten in Ministerien nach der eigenen politischen Richtung zu vergeben, allerdings nicht in dem Umfang wie in Niebels Ressort. Niebel habe den "Ruf verspielt", er trage Unruhe in sein Haus und demotiviere seine Mitarbeiter.

Niebel wehrt sich

Der viel Gescholtene nannte die Diskussion "scheinheilig", weil viele Dinge "verkürzt" würden und obendrein mit Mitarbeitern, die keine Personen öffentlichen Interesses seien, öffentlich ein "schändliches Spiel" betrieben werde. Die Leiterin der Servicestelle sei in einem "transparenten Besetzungsverfahren" ausgesucht worden. Zu keinem Zeitpunkt habe er vor Abschluss des Verfahrens "irgendetwas zugesagt oder zusagen lassen", betonte der Minister und bat, die "Kirche im Dorf" zu lassen: "Nur weil jemand liberal ist, ist er noch lange nicht geisteskrank und muss von öffentlichen Stellen ferngehalten werden."

Sibylle Pfeiffer von der Unionsfraktion mahnte an, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Man schieße mit "Kanonen auf Spatzen", wenn man die Entwicklungszusammenarbeit auf Personalpolitik reduziere. Der Minister solle an seiner "hervorragenden Arbeit" gemessen werden: Niebel gebe die richtigen Impulse, das einstige "Almosenministerium" gebe es nicht mehr.

Helga Daub (FDP) betonte, dass durch Niebels Reform unter dem Strich 300 Stellen im Bundeshaushalt wegfallen würden. Bei den 180 neuen Posten in diesem Jahr gehe es darum, die "politische Steuerung" ins Ministerium zurückzuholen. Der Opposition warf Daub vor, ihr parlamentarisches Kontrollrecht für eine "Hexenjagd" zu missbrauchen: Es sei beleidigend, die Kompetenz von Mitarbeitern in Frage zu stellen, "nur weil sie neben ihren Qualifikationen auch noch eine Parteizugehörigkeit haben".

Die Opposition versprach, an dem Thema dranzubleiben. Sie ließ ihren Worten Taten folgen: Am vergangenen Donnerstag stellte der SPD-Abgeordnete Raabe Anzeige gegen den Minister wegen des Verdachts auf Untreue bei der Stellenvergabe für die Leitung der Servicestelle.