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Sparen in der Not

EUROPA Mit dem Fiskalpakt wollen sich 25 EU-Staaten zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichten. Ein Meilenstein - finden Union und FDP. Die Opposition hält…

13.02.2012
2023-08-30T12:17:24.7200Z
3 Min

Meisterstück oder eher ein Freifahrtsschein für Sozialabbau? Über den Fiskalpakt zur Überwindung der Schuldenkrise in Europa gingen vergangenen Donnerstag die Meinungen im Parlament weit auseinander. Eine auf Verlangen der Linksfraktion anberaumte Aktuelle Stunde nutzte die Opposition für ihre Generalkritik am europapolitischen Kurs der Bundesregierung. Während Union und FDP den Fiskalpakt als "Meilenstein" auf dem Weg zu ausgeglichenen Haushalten lobten, kritisierten Sozialdemokraten, Grüne und Linke, dass Länder wie Griechenland mit fiskalischer Disziplin allein kaum auf die Beine kommen könnten.

Spaltung

Von einer "Diktatur der Finanzmärkte" sprach der Fraktionsvize der Linken, Dietmar Bartsch, zu Beginn der Debatte. Die jüngsten Verhandlungen in Athen würden erneut zeigen, dass Löhne und Renten gesenkt, Vermögende jedoch nicht zur Kasse gebeten werden. Eine Politik des Spardiktats jedoch führe zu Armut, Verzweiflung und zur Spaltung Europas, warf er der Bundesregierung vor. Zudem bleibe die Demokratie auf der Strecke: Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die "marktkonforme Demokratie" wünsche, wolle Die Linke einen "demokratiekonformen Markt".

Norbert Barthle von der Unionsfraktion erwiderte, dass Die Linke Altbekanntes im Sinne habe: mit mehr Steuergeld den Konsum und damit das Wachstum anzukurbeln. Dieser Kurs sei in Griechenland gründlich schief gegangen. Bei der Bekämpfung der Staatsschuldenkrisen müsse man an die "Wurzel heran", und das heiße: weniger Schulden und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Barthle warf seinem Vorredner Scheinheiligkeit vor: Wenn Griechenland mehr Geld bekommen soll, dann müsse Bartsch heimischen Arbeitnehmern auch erklären, "warum sie bis 67 arbeiten sollen, während Ihre Freunde in Griechenland sieben Jahre fürher in Rente gehen", sagte Barthle.

Das "Prinzip Hoffnung" erblickte der SPD-Haushälter Klaus Hagemann im Fiskalpakt. Die Ratifizierung in 25 Ländern und die Umsetzung seien noch völlig offen. Haushaltsdisziplin allein erzeuge außerdem noch kein Wachstum. Es stelle sich auch die Frage nach Lebensperspektiven und nach der Würde von Nationen: Viele Griechen würden noch nicht einmal einen "Silberstreif am Horizont" erkennen können, sagte Hagemann. Umso fragwürdiger seien die Forderung der Bundeskanzlerin nach einem Sparkommissar oder die Formulierung des Unions-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, in Europa werde Deutsch gesprochen. Hier habe die Koalition bereits "viel politisches Porzellan zerschlagen".

Von einer "unausweichlichen Entgiftung" sprach Joachim Spatz von der FDP-Fraktion: "Wir verabschieden uns vom süßen Gift der Verschuldung, und das tut weh." Dieser Schritt sei jedoch nötig, um sich von Geldgebern unabhängig zu machen und künftigen Generationen nicht die Gestaltungsspielräume zu nehmen. Die Koalition setze auf einen europa- und fiskalpolitischen "Dreiklang", erläuterte Spatz: Solidität durch den angestrebten Fiskalpakt, Solidarität durch den Rettungsschirm ESM sowie Wachstum durch Investitionsmittel aus den EU-Fonds. Europa wettbewerbsfähiger zu machen heiße nicht, den Starken zu schwächen, sondern den Schwachen stark zu machen, sagte der Liberale.

Die Haushaltsexpertin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Priska Hinz, empfahl, aus dem Fiskalpakt "mal die Luft rauslassen". Manches darin habe "keine rechtliche Bindungswirkung", die Schuldenbremse müssten die unterzeichnenden Länder noch nicht einmal in ihren Verfassungen verankern. Übrig bleibe eine "politische Vereinbarung", die auch nicht helfe, den Schuldenstand in der Eurozone abzubauen. Hier würde eine Banklizenz für den Rettungsschirm helfen oder auch ein von den Wirtschaftsweisen der Bundesregierung ins Spiel gebrachter Schuldentilgungs-Fonds. "Wir werden Griechenland mindestens ein Jahrzehnt lang unterstützen müssen", sagte Hinz und forderte von der Bundesregierung "reinen Wein" und "Investitionen statt warmer Worte".

Der Parlamentarische Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Michael Link (FDP), wies den Vorwurf zurück, der Fiskalpakt spalte Europa und untergrabe die Demokratie: Es bleibe erklärtes Ziel, den jetzt noch zwischenstaatlich ausgehandelten Vertrag spätestens in fünf Jahren in die EU-Verträge zu überführen. Zum anderen würden die Parlamente in Europa selbstbestimmt und in Abstimmung untereinander über die parlamentarischen Begleitverfahren entscheiden. Bei der umstrittenen Regelung zum Klagerecht bei Vertragsverletzungen sei man noch nicht "am Ende der Reise" (siehe "Fakten" und Beitrag unten).