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Zum Prügeln ins Stadion

FUSSBALL Der Sportausschuss ging Problemen im Kampf gegen Gewalt von Fans nach. Patentrezepte gibt es nicht

13.02.2012
2023-08-30T12:17:25.7200Z
3 Min

Die Zahl wirkt alarmierend. 846 Verletzte hat es nach Aussage der Polizei im Jahr 2011 durch Gewalt in Fußballstadien gegeben - ein Rekordwert. Im Oktober des vergangenen Jahres konnten die Fernsehzuschauer live miterleben, wie Fans von Dynamo Dresden beim DFB-Pokalspiel in Dortmund randalierten und Leuchtraketen zündeten. Anfang dieses Jahres musste ein Hallenturnier in Hamburg abgebrochen werden, weil es zu einer Massenschlägerei zwischen unterschiedlichen Fangruppen kam. Ereignisse wie diese haben die Sportpolitiker des Bundestages veranlasst, sich Expertenrat zu holen. Die Fragestellung bei der öffentlichen Anhörung vergangene Woche lautete daher: Was kann gegen die Gewalt in und um Fußballstadien unternommen werden? Um es vorwegzunehmen: Die berühmte Antwort auf den Silbertablett gab es nicht.

Miteinander sprechen

"Mehr Pädagogik", forderte Heribert Bruchhagen, Vorstandvorsitzender von Eintracht Frankfurt, der aber auch einräumte: Je tiefer man in die Materie eindringe, desto ratloser werde man. Finanziell besser ausgestattete Fanprojekte könnten als "Brückenbauer" fungieren, regte Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) an. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, forderte, Gewalttäter müssten "dauerhaft vom Fußball isoliert werden". Holger Hieronymus von der Deutschen Fußball Liga (DFL) mahnte eine Versachlichung der Diskussion an und forderte eine differenzierte Betrachtung: "Die Begriffe Gewalt, Fans und Fußball dürfen nicht in einen Topf geworfen werden."

Einig waren sich die Experten in der Forderung nach einer Intensivierung des Dialogs. Dieser müsse miteinander statt übereinander geführt werden, sagte Ben Praße vom vereinsübergreifenden Fan-Zusammenschluss "Unsere Kurve". Dass beim Zusammenspiel zwischen Fan-Vertretern und der Polizei noch Luft nach oben ist, wurde im weiteren Verlauf der Anhörung deutlich. So räumte KOS-Leiter Gabriel zwar ein, dass es ein Problem mit Gewalt im Fußball gebe, was auch damit zu tun habe, dass sich die Gewalt durch sogenannte Ultras in die Fankultur und damit in die Stadien zurückverlagert habe. Zugleich wandte er sich gegen "Law-and-Order"-Maßnahmen wie den Einsatz von Gesichtsscannern und die Brandmarkung von Rädelsführern. Das könne zu einem Zusammenschluss und einer Radikalisierung der gesamten Fan-Szene führen.

Stadionverbote umstritten

Wie Gabriel lehnte auch Ben Praße Stadionverbote ab, da sie noch immer ohne Anhörung der Betroffenen verhängt würden und die Gewalt lediglich aus den Stadien in den öffentlichen Raum verlagerten. Polizeivertreter Witthaut stellte hingegen nüchtern fest, "dass es Menschen mit Freude an der Gewalt gibt". Seiner Ansicht nach haben sich Stadionverbote bewährt, wenngleich sie konsequenter durchgesetzt werden müssten.

Auch die Frage, was der Auslöser für die Gewalt zwischen Fans und Polizei ist, wird unterschiedlich beurteilt. So sagte Fan-Koordinator Gabriel, dass sich die großen Fan-Organisationen schon heute von Gewalt distanzierten. Angesichts des oft als unangemessen empfundenen Auftretens der Polizei komme es dann aber doch immer wieder zu Gewalt. Polizeivertreter Witthaut gab den Schwarzen Peter zurück. Wenn Fan-Beauftragte mit der Polizei getroffene Absprachen nicht einhielten, "gehen die Kollegen schon mal etwas nachhaltiger vor".

Aus Sicht von Eintracht-Frankfurt-Chef Bruchhagen ist mit repressiven Methoden jedoch nichts zu erreichen. Die Fan-Gruppen müssten sich "aus sich selbst bereinigen", forderte er. Drakonische Strafen imponierten nicht. Er habe die Erfahrung gemacht, dass ein Stadionverbot nicht als Makel, sondern als eine Auszeichnung unter Jugendlichen bewertet werde. Seine Forderung lautete: "Wir brauchen eine permanente Kommunikation."

Disput um Pyrotechnik

In der Ablehnung von Pyrotechnik in Stadien sind sich Vereine, Verbände und die Polizei einig. Dies berge zu viele Gefahren in sich, sagte Witthaus und forderte, der Verzicht darauf müsse der Beitrag der Ultras im Kampf gegen Gewalt sein. Für die DFL wie für den Deutschen Fußball-Bund ist das Pyrotechnik-Verbot "nicht verhandelbar". Für Fan-Vertreter Ben Praße stellt sich die Sache anders dar. Pyrotechnik bedeute nicht zwangsläufig, dass Leuchtraketen in gegnerische Fanblocks fliegen oder Polizisten mit Böllern beworfen werden. "Pyrotechnik kann auch gewaltfrei abgebrannt werden", sagte er. Im Übrigen sei das Verhalten der Vereine hier sehr widersprüchlich. Einerseits werde Pyrotechnik abgelehnt, andererseits feiere etwa Bayern München den Saisonabschluss mit einem riesigen Feuerwerk. Ungleichbehandlung gebe es auch in der Berichterstattung. "Wenn die Dresdner in Dortmund zünden, ist es Randale, aber wenn Fans von Galatasaray Istanbul bei einem Spiel in Deutschland Bengalos zünden, ist die Rede von südländischer Atmosphäre."