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Anspruch und Wirklichkeit

BILDUNGSAUSSCHUSS Diskussion um Grundbildungspakt

13.02.2012
2023-08-30T12:17:25.7200Z
2 Min

Es gibt Fortschritte, aber noch immer eine deutliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Darin waren sich die Sachverständigen bei einem öffentlichen Fachgespräch zum Thema Alphabetisierung am vergangenen Mittwoch im Bildungsausschuss weitgehend einig. Ende vergangenen Jahres haben sich Bund und Länder auf eine nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung verständigt. Bereits im Frühjahr hatte die SPD-Fraktion einen Antrag (17/5914) vorgelegt, in dem sie die Bundesregierung unter anderem dazu auffordert, 20 Millionen Euro für einen Grundbildungspakt von Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung zu stellen.

Vom Ziel weit entfernt

"Das Problem trifft die Mitte der Gesellschaft", sagte Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bundesvorstand. Von dem Ziel der Weltalphabetisierungsdekade von 2003 bis 2012, die Zahl der Analphabeten zu halbieren, sei Deutschland weit entfernt. Die von Bund und Ländern beschlossene nationale Strategie begrüßte er, betonte jedoch, dass sie hinter den Anforderungen zurückbleibe. Vor allem fehlten eigene Ansätze der Länder. Außerdem sei die Bundesagentur für Arbeit in der Pflicht, die derzeit vor allem kurzfristige Hilfen finanziere. "Die Maßnahmen greifen aber ins Leere, wenn die betreffende Person nicht anständig lesen und schreiben kann", betonte Anbuhl.

Günter Lambertz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies darauf hin, dass das Thema Analphabetismus im eigenen Betrieb bei zahlreichen Unternehmen auf Unverständnis stoße. Dennoch gebe es etwa bei den Auszubildenden funktionale Analphabeten, von denen ein Großteil jedoch die Prüfungen bestehe. Dies zeige, dass Hilfe und Druck durch Unternehmen Erfolg haben könnten, sagte er. Jörg Maas von der Stiftung Lesen wies darauf hin, dass jeder fünfte 15-Jährige ein defizitäres Textverständnis habe. Diese Jugendlichen liefen Gefahr, irgendwann als Analphabeten in der Statistik aufzutauchen. Alphabetisierung müsse bereits bei der frühkindlichen Bildung anfangen.

Bei der nationalen Strategie dürfe es nicht allein um das Lesen und Schreiben lernen gehen, betonte Ulrich Aengenvoort vom Deutschen Volkshochschul-Verband. Ziel müsse vielmehr sein, die volle berufliche, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe der Betroffenen zu gewährleisten. Ein flächendeckendes, wohnortnahes Grundbildungsangebot sei notwendig, das alle Lebensbereiche umfasse und von allen gesellschaftlichen Kräften getragen werde.

Die Länder müssten sich der Herausforderung stellen, bundesweit rund 100.000 Kursplätze zur Verfügung zu stellen, forderte Peter Hubertus, Geschäftsführer des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung. Wichtig sei zudem die Einrichtung von Clearingstellen, die die Aktivitäten von Bund und Ländern zusammenführen. Zudem forderte er eine "verlässliche Grundbildungsinfrastruktur". Bislang seien die Fördermaßnahmen vom Bund vor allem projektbezogen.

Auf das Thema Alphabetisierungsarbeit bei Migranten machte Carola Cichos vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufmerksam. Pro Jahr besuchten nur 12.000 Migranten einen Alphabetisierungskurs, sagte Cichos. Das sei zu wenig.