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Die Müllkippe der Nuklearindustrie

CHRONIK DER SKANDALE Obwohl als Forschungsanlage deklariert, war Asse ein Jahrzehnt lang faktisch Endlager für Atomabfall

13.02.2012
2023-08-30T12:17:25.7200Z
2 Min

Alles begann am 12. März 1965. Damals erwarb die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) im Auftrag des Bundes für 900.000 D-Mark das ehemalige Salzbergwerk Asse von der Wintershall AG. Deklarierter Zweck war die Einrichtung einer Forschungsstätte für die Endlagerung von Atommüll. Aus dem um 1900 angelegten Bergwerk im Höhenzug Asse südöstlich von Wolfenbüttel wurden Kali und Steinsalz gewonnen. Anfang der 60er wurde die Grube unwirtschaftlich. Nach dem Verkauf an die GSF begannen die neuen Betreiber im April 1967 mit der Einlagerung von Fässern mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen im Schacht Asse II.

Genehmigungen endeten 1978

Schon bald mutierte Asse II faktisch zum Endlager für solchen Atommüll aus der Bundesrepublik. Warnungen über Gefahren eindringenden Wassers in die Grube wurden ignoriert. Bis 1978 wurden in bis zu 750 Metern Tiefe 126.000 Atommüllbehälter eingelagert, davon 1.300 Fässer mit mittelradioaktivem Material. Was genau in dem weltweit ersten unterirdischen Atommülllager abgestellt wurde, ist bis heute unklar. Die Fässer waren zum Teil unordentlich deklariert. Meldungen über dort versenkte kontaminierte Werkzeuge oder schon beim Transport durchkorrodierte Atommüllfässer förderten den Ruf Asses als "atomare Müllkippe der Nation". Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) erkannte, dass praktisch alle schwach- und mittelradioaktiven Abfälle der Bundesrepublik in Asse für die Atomindustrie billig entsorgt wurden - von Forschung könne nicht die Rede sein, empörte er sich und stoppte das Projekt.

Die Genehmigungen für die Einlagerung radioaktiven Mülls waren problemlos verlaufen. weil ein Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht vorgeschrieben war. Erst ab 1976 wurde für die Endlagerung ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren zwingend. Im "Versuchsbergwerk" Asse II aber endeten die letzten Einlagerungsgenehmigungen Ende 1978 nach dem weniger strengen Bergrecht. Allein in den letzten 24 Monaten vor Schließung ließen die Kraftwerksbetreiber noch einmal in aller Eile 50.000 Atommüllfässer in den Kammern stapeln. Bis 1995 diente die Asse dann noch als Forschungsanlage für das geplante Endlager Gorleben.

Problem Wassereinbrüche

1988 dann ein Schock: Die Betreibergesellschaft GSF erfuhr, dass Salzlauge ins Bergwerk eingebrochen ist, verschwieg dies aber. Seither wird der Zufluss von täglich zwölf Kubikmeter Lauge in die Grube registriert. Die Lagerstätte gilt als einsturzgefährdet. Erst im Sommer 2008 kam der stete Laugenzufluss an die Öffentlichkeit. Nach vielen Pannen und Versäumnissen stellte die Bundesregierung die Asse am 1. Januar 2009 unter Atomrecht. Nun wurde statt der im Helmholtz Zentrum aufgegangenen GSF das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für den Betrieb zuständig; die Verantwortung war vom Bundesforschungs- auf das Bundesumweltministerium übergegangen. Der neue Betreiber BfS verkündete dann im Januar 2010, die Fässer mit den radioaktiven Abfällen aus der Asse zurückholen zu wollen. Die Optionen Vollverfüllung oder Umlagerung in tiefere Asse-Schichten wurden verworfen. Bis heute aber kommt die Rückholung der Atomfässer nicht voran.