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TOURISMUS Experten sehen Chancen für Entwicklungsländer. Doch große Teile der Devisen fließen in reichere Länder ab

05.03.2012
2023-08-30T12:17:26.7200Z
2 Min

Urlauber als Aufbauhelfer? Reisen als Mittel zur Armutsbekämpfung? Tourismus als Chance für Entwicklungsländer? Im Prinzip ja, lautete das Votum der Sachverständigen während der ersten gemeinsamen öffentlichen Anhörung der Ausschüsse für Tourismus sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am vergangenen Mittwoch. Allerdings ließen die Experten ihrer Zustimmung ein deutliches Aber folgen. Der Tourismus biete für Entwicklungsländer eine Reihe bislang nicht genutzter Chancen, etwa für die Vermarktung lokal hergestellter Waren wie Lebensmittel, sagte der Nachhaltigkeitsexperte der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Klaus Lengefeld. Er betonte: "Lokale Produkte bieten ein großes, nicht genutztes Potenzial." Mit Projekten versuche die GIZ insbesondere beim Bau neuer Hotels, ortsansässige Anbieter zu befähigen, die Anlagen mit ihren Waren zu beliefern.

Fehlende Kühlmöglichkeiten

Allerdings wird daraus in der Praxis oft nichts. Weshalb das so ist, erläuterte der Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), Bruno Wenn. Prinzipiell bestehe bei den deutschen Touristikunternehmen zwar ein großes Interesse, bestimmte Produkte lokal zu beziehen. Das scheitere in Entwicklungsländern in der Regel nicht am Preis, sondern an der Qualität und der Zuverlässigkeit der Lieferung. So genügten beispielsweise die Kühlmöglichkeiten lokaler Anbieter von Fisch nicht den Anforderungen großer Hotels. Die Geschäftsführerin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung, Birgit Steck, ergänzte, die Agrarstrukturen in Entwicklungsländern seien zum Teil so beschaffen, dass sie größere Hotels nicht beliefern könnten.

Das Potenzial, das für Entwicklungsländer im Tourismus schlummert, lässt sich an den Zahlen ablesen, die die DEG zur Anhörung präsentierte. Danach hat der Tourismussektor einen Anteil von etwa zehn Prozent am globalen Bruttosozialprodukt und beschäftigt als zweitgrößter Arbeitgeber etwa ein Zwölftel der Weltbevölkerung. Die Reisebranche sei mit einem Anteil von 30 Prozent an den Weltexporten einer der führenden Eportsektoren. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2011 im Tourismus 1,2 Billiarden US-Dollar ausgegeben. Für Entwicklungsländer könne der Tourismus ein Devisenbringer sein, erläuterte Steck.

Sie verwies aber zugleich auf das Problem der "Sickerquote": Je geringer der Entwicklungsstand eines Landes, laute eine Faustregel, desto größer sei der Anteil an touristischen Deviseneinnahmen, der zur Finanzierung importierter Leistungen in reichere Länder fließt. Steck betonte, der Tourismus könne nur dann eine Schlüsselrolle in der Entwicklungszusammenarbeit spielen, wenn er eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen und eine Nutzung lokaler Produkte gewährleiste.

Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Jürgen Büchy, sagte, die Tourismusbranche sei sich ihrer Verantwortung bewusst. "Wir bekennen uns ausdrücklich zum Gebot der Nachhaltigkeit", betonte Büchy.

Der Professor für Touristik und Verkehrswesen der Fachhochschule Worms, Adrian Freiherr von Dörnberg, wies jedoch darauf hin, das entscheidende Kriterium für eine Reisebuchung sei der Preis. Zwar biete die Reiseindustrie beispielsweise CO2-Rechner an, mit denen Kunden die Emissionskosten ihrer Reise ausgleichen könnten. "Doch der Kunde nutzt das nicht", stellte Dörnberg fest.