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»Lektionen neu lernen«

INTERVIEW Experte Hanno Beck über Staatspleiten

05.03.2012
2023-08-30T12:17:26.7200Z
2 Min

Staatspleiten gibt es, seit es Staaten gibt. Was lehrt uns die Historie im Umgang mit überschuldeten Ländern?

Erstens: Jeder Staat kann pleite gehen. Zweitens: Die Ursache ist meistens schlechte Politik. Drittens. Dies ist kein Weltuntergang.

Bemerkenswerterweise bekommen all diese Staaten, von denen viele mehrfach pleite waren, immer wieder Finanziers ...

Wenn jemandem mit schlechter Kreditreputation Geld geliehen wird, wird das Risiko in die Zinsen eingepreist. Staaten sind zudem als Kunden für Finanzinstitute zu groß, als dass sie daran vorbeigehen können. Natürlich hoffen sie immer, dass Politiker aus der Geschichte gelernt haben. Das gilt aber oft nur für die aktuelle Politikergeneration. Psychologisch könnte man sogar sagen: Man braucht gelegentlich Staatspleiten, um Politiker, Kapitalmärkte und Bürger daran zu erinnern, dass so etwas möglich ist.

Warum kommt es zu Staatspleiten?

Erste Ursache sind Kriege. Dann kommt die Verschwendungssucht der Politiker. Früher baute man viele Schlösser, heute stellt man Beamte ein - das kleine Griechenland hat pro Kopf deutlich mehr Staatsdiener als Deutschland. Auch Sozialausgaben können Staatsschulden treiben. Diese sollten aus laufenden Einnahmen finanziert werden. Verschuldet man sich für eher unproduktive Zwecke, ist die Gefahr groß, dass dies in einer problematischen Schuldensituation endet.

Gerade in demokratischen Staaten, wo Wählern immer viel versprochen wird, propagieren Politiker Sozialpolitik. Kann man da ohne Verschuldung auskommen?

Das kann in einem reichen Land funktionieren, das über viele Rohstoffvorräte verfügt. Ein Beispiel dafür ist aktuell Norwegen mit seinen Ölvorkommen in der Nordsee.

Zurück zu Griechenland: Ist hier nicht eine offene Staatsinsolvenz geboten?

Das wäre schon 2010 der richtige Weg gewesen. Griechenland pleite gehen zu lassen und dann Banken zu retten, ist billiger als Griechenland zu retten.

Aber gerät dadurch nicht die Euro-Zone in Gefahr?

Erstens muss man nach der relevanten Alternative fragen - eine auf Dauer angelegte Transferunion mit Budgetvorschriften ist ein politischer Sprengsatz, und zwar in Deutschland ebenso wie in Griechenland, wo man Frau Merkel bereits mit Nazi-Uniform abdruckt. Zweitens ist eine kontrollierte Staatspleite allemal billiger als eine permanente Konkursverschleppung. Zudem ist die Drohung eines möglichen Konkurses ein Disziplinierungsinstrument für potentielle Griechenlandnachahmer.

Auch Deutschland war zweimal im 20. Jahrhundert pleite. Die aktuelle Verschuldung liegt mit 83 Prozent deutlich über den Maastricht-Kriterien. Kann unser Land wieder pleite gehen?

Das ist für kein Land auszuschließen. Zu den offiziellen Staatsschulden kommt noch die versteckte Staatsverschuldung. Die liegt mit den Zusagen bei Pensionen, Renten und anderen Sozialsystemen zwischen 250 und 300 Prozent, Ab 90 Prozent Staatsverschuldung werden die Dinge unvorhersehbar. Da muss man immer mit dem Schlimmsten rechnen.

Die Fragen stellte Hans Krump.