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Angezählter Scharfmacher

IRAN Parlamentswahl bringt Schlappe für Mahmut Ahmadinedschad - aber keine Wende im Atomstreit

12.03.2012
2023-08-30T12:17:27.7200Z
4 Min

Lob und Anerkennung für einen US-Präsidenten sind eigentlich nie aus dem Iran zu vernehmen. Die Vereinigten Staaten werden dort gewöhnlich von höchster Stelle als "großer Satan" und Anführer der "internationalen Arroganz" tituliert. Und nun dies: Ayatollah Ali Khamenei, Irans "Oberster Führer", höhnte in der vergangenen Woche zwar wieder, dass Washingtons Sanktionen den Iran nicht klein kriegen würden, doch dann fand Khamenei plötzlich versöhnliche Worte: Es sei gut, dass Barack Obama weiter auf eine diplomatische Lösung im Atomstreit setze.

Verhandlungen

Die Worte fielen nur Stunden nach dem Gespräch Obamas mit dem israelischen Premier Benjamin Netanyahu und fast zeitgleich mit der Erklärung der EU-Außenbeauftragten, Catherine Ashton, man sei bereit, die "Fünf-plus-Eins"-Gespräche mit Teheran wieder aufzunehmen. Mit diesen Verhandlungen hatten die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland bis vor einem Jahr vergeblich versucht, eine Lösung des Atomstreits mit Teheran herbeizuführen.

Khameneis Geste kam kurz nach den iranischen Wahlen zum Parlament ("Majlis") Anfang März. Sie könnte ein Anzeichen dafür sein, dass diese Wahlen vielleicht doch etwas ändern, auch wenn diese Abstimmung weder als frei noch als demokratisch bezeichnet werden können: Parteien wurden nicht zugelassen, ein beträchtlicher Anteil der Kandidaten wurde vom iranischen "Wächterrat" im Vorfeld disqualifiziert, bekannte Oppositionsführer sind inhaftiert oder stehen unter Hausarrest. Die Wähler konnten sich letztlich entscheiden zwischen konservativen Anhängern von Präsident Mahmud Ahmadinedschad und konservativen Anhängern des "Obersten Führers", Ali Khamenei. Alle zusammen hatten sich immer als "Prinzipalisten" bezeichnet, die den Grundsätzen der Islamischen Revolution von 1979 treu bleiben.

Zwei Lager

In letzter Zeit hat sich das Lager aber gespalten, weil Erzkonservative Ahmadinedschad vorwarfen, sich immer mehr von den Prinzipien der Islamischen Republik abzuwenden und stattdessen eine nationalistische Linie zu verfolgen. Hinzu kamen Vorwürfe von Vetternwirtschaft und ausbleibenden Reformen: Ahmadinedschad betreibe eine dem Land schädliche Innen-, Außen- wie Wirtschaftspolitik. Die Kritiker des Präsidenten scharten sich mit dem Parlamentspräsidenten Ali Lardischani an ihrer Spitze hinter dem "Obersten Führer" Khamenei. Mit der überwältigenden Mehrheit, die sie im Parlament errungen haben, dürfte die Aktionsfreiheit Ahmadinedschad für die verbleibenden 15 Monate seiner Amtszeit als Präsident erheblich einschränken. Laridschani hat beste Aussichten, 2013 ihm als Präsident zu folgen.

Die Verschiebungen innerhalb des Regimes läutet allerdings noch keine grundsätzliche Wende in der iranischen Außenpolitik ein. So sehr die Sanktionen sich auf die Wirtschaftslage des Iran auswirken und dort in erster Linie die Schwächsten treffen, die mit den erzwungenen Preissteigerungen kaum noch mithalten können, so wenig wird der Iran in der Atomfrage nachgeben. Sie ist längst - bis in die Reihen der Opposition hinein - zu einer Angelegenheit nationalen Stolzes und Prestiges geworden. Die Forderung, der Iran solle auf die Anreicherung von Uran verzichten, wird von den meisten Iranern als Versuch interpretiert, ihr Land klein zu halten und ihm Rechte zu verwehren, die ihm - auch nach dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) - zustehen würden. Offiziell behauptet Iran, mit seinem Atomprogramm die Nutzung von Kernenergie im Sinn zu haben.

Israel wiederum befürchtet nichts so sehr, als dass der Iran mit der Anreicherung von Uran in relativ kurzer Zeit im Stande wäre, Atomwaffen zu produzieren. Nach den jahrelangen zahlreichen und heftigen Verbalattacken Ahmadinedschads, die das Existenzrecht Isreals in Frage stellen, fragt man sich in Jerusalem, was erst passiert, wenn Teheran erst einmal über Atomwaffen verfügen würde.

Die Experten sind sich allerdings selbst in Israel einig, dass das mindestens noch Monate dauern würde. Der Auslandsgeheimdienst der USA ließ vergangene Woche verlauten, dass es dem Regime im Iran wohl eher um eine "strategische Zweideutigkeit" in der Atomwaffenfrage gehe. Die Regierung Netanyahu sieht allerdings nur noch ein kleines Zeitfenster für die Chance, die teils unterirdisch angelegten iranischen Atomanlagen militärisch auszuschalten. Erstmals sprach seine Regierung vergangene Woche in aller Offenheit von einem Präventivschlag gegen den Iran aus der Luft, der das viel kleinere Übel gegenüber einem späteren Atomangriff aus Teheran sei, selbst wenn sich Iran mit konventionellen Waffen rächen würde und mit 5.000 zivilen Opfern in Israel zu rechnen sei. Die israelische Bevölkerung sieht das anders: Eine Umfrage der liberalen Tageszeitung "HaAretz" ergab, dass eine breite Mehrheit gegen einen Angriff ist. Zumal solch ein Militärschlag aus der Luft im Iran vermutlich nur punktuelle Schäden anrichten, nicht aber das iranische Atomprogramm insgesamt aufhalten dürfte.

Spiel auf Zeit

Obama hat klargestellt, dass ein Präventivschlag womöglich keine Lösung bringt, aber unabsehbare Folgen für die gesamte Nahostregion haben könnte. In einem Punkt ließ allerdings auch er keinen Zweifel: Den Bau einer Atomwaffe würde die USA Teheran nicht durchgehen lassen. Netanyahu scheint nun umzudenken: Ende vergangener Woche sprach der Premier davon, eine militärische Aktion sei "keine Frage von Tagen oder Wochen". Aber eben "auch nicht von Jahren".

Der Autor berichtete 23 Jahre aus Jerusalem für die Süddeutsche Zeitung und den Deutschlandfunk.