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Blutspur zum Doping

SPORT Wurde am Olympiastützpunkt Thüringen gedopt? Experten und Fraktionen sind sich uneins

26.03.2012
2023-08-30T12:17:28.7200Z
3 Min

Der Sachverhalt ist eindeutig. Über mehrere Jahre hinweg hat der beim Olympiastützpunkt (OSP) Thüringen beschäftigte Sportmediziner Andreas Franke bei verschiedenen Sportlern UV-Bestrahlungen des Blutes vorgenommen. Ob es sich bei dieser Eigenblutbehandlung nun um einen Dopingfall handelt, war auch unter den zu einer Sitzung des Sportausschusses in der vergangenen Woche geladenen Experten umstritten. Während der Sportrechtler Georg Engelbrecht ebenso wie der Pharmakologe Fritz Sörgel die Entnahme und Wiederzuführung von Eigenblut als ein Dopingvergehen ansahen, äußerten sich sowohl die Vertreter der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) als auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Christoph Bergner (CDU), zurückhaltender. Bergner räumte lediglich ein, dass "ein Verstoß nicht ausgeschlossen werden kann". Die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann sprach von einem "Verdacht des Verstoßes gegen Nada-Richtlinien".

Der Erfurter Sportarzt Franke war im Zuge der Dopingermittlungen gegen die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Im Frühjahr 2011 wurde gegen den Mediziner ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz eingeleitet. Die Nada, so erläuterte deren Chefin Gotzmann, habe daraufhin unverzüglich eigene Ermittlungen gegen die betroffenen Sportler - bei denen es sich um eine Eisschnellläuferin und eine Radsportler handelt - aufgenommen. Eine Entscheidung in den sportgerichtlichen Verfahren sei derzeit aber noch nicht absehbar, sagte Gotzmann. Die medizinische Abteilung der Nada habe bei Anfragen nach Eigenblutinfusionen stets ihre ablehnende Haltung deutlich gemacht, "auch gegenüber dem OSP Thüringen im Jahr 2007". Da die Welt-Doping-Agentur (Wada) sich zwar auf der einen Seite schon 2007 gegen die am OSP-Thüringen praktizierte Methode ausgesprochen, aber auf der anderen Seite "widersprüchliche Antworten" auf Nada-Anfragen gegeben habe, werde derzeit geprüft, ob die Methode auch vor dem neuen Wada-Code 2011 verboten gewesen sei.

Kritik an Arzt und Sportlern

Aus Sicht von Sportrechtler Engelbrecht ist diese Frage jedoch geklärt. Die Wada habe schon 2003 den Tatbestand des Blutdopings festgeschrieben. Danach seien lediglich Ergänzungen dazu gekommen. Engelbrecht zeigte sich erstaunt über die Auffassung, dass die Methode erst seit 2011 im Wada-Code verankert sein soll. Der Pharmakologe Fritz Sörgel sagte, er habe kein Verständnis für das Vorgehen des Arztes und der Sportler. Es sei "wissenschaftlich haarsträubend", was in Erfurt passiert sei. Bei der Beurteilung des Falles sei es zudem irrelevant, ob damit eine Leistungssteigerung erzielt wurde. Sörgels Ansicht nach ist das Verhalten der Sportler "sanktionswürdig". Diese hätten die Behandlung zumindest auf den Fragebögen der Nada eintragen müssen.

Der Leiter des OSP-Thüringen, Bernd Neudert, vertrat hingegen die Auffassung, dass es sich bei Frankes Behandlung nicht um Blutdoping handelt. Dagegen spräche, dass der Sportarzt die Methode nie geleugnet und jede Behandlung dokumentiert habe. Neudert räumte zugleich Fehler ein. "Ich würde mich heute anders verhalten", sagte er. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass Franke die Methode anwendete, jedoch habe er trotz der Auskünfte der Nada keine Zweifel gehabt, dass diese mit den Doping-Richtlinien vereinbar gewesen wäre.

Im Verlauf der teils sehr emotional geführten Diskussion im Ausschuss wurden auch die unterschiedlichen Bewertungen der Fraktionen deutlich. Während Union und FDP Zweifel an einem Dopingverstoß anmeldeten und ebenso wie die Linksfraktion zur Zurückhaltung mahnten, sahen SPD und Grüne schon jetzt Handlungsbedarf.

Keine endgültige Klärung

Die SPD-Fraktion sprach sich für die Eröffnung der Verfahren gegen weitere betroffene Sportler aus. Es sei "höchste Eisenbahn", hier etwas auf den Weg zu bringen, hieß es. Vor "Vorverurteilungen und schnellen Schlüssen" warnte demgegenüber die Unionsfraktion. Gleichwohl sei das Thema sehr ernst zu nehmen. Dagegen betonte die Grünen-Fraktion, es gehe nicht um Vorverurteilungen, sondern um eine Offenlegung. Es sei zudem die Pflicht der Parlamentarier, gegen eventuelle Missbräuche von Steuergeldern vorzugehen. Von einem "sensiblen Umgang" des Ausschusses mit dem Thema sprach die Linksfraktion. Man müsse sich davor hüten, als "Ersatzstaatsanwälte" aufzutreten. Die FDP-Fraktion verwies auf ein von der Universität Lübeck erstelltes Gutachten. Daraus gehe eindeutig hervor, dass die Methode bis 2010 nicht als Doping zu betrachten gewesen sei.

Eine endgültige Klärung der Frage "Doping oder nicht?" konnte der Sportausschuss vergangene Woche erwartungsgemäß nicht herbeiführen. Neue Erkenntnisse werden für Ende Mai erwartet. Dann soll ein von der Nada in Auftrag gegebenes Gutachten vorliegen.