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Eine Frage der Moral

VON JÖRG BIALLAS

26.03.2012
2023-08-30T12:17:28.7200Z
2 Min

Es gibt Dinge im Zusammenspiel unserer Gesellschaft, die darf der Staat nicht für den Bürger entscheiden. Wenn das persönliche Gewissen der Maßstab für das Handeln ist, überwiegt der Wille des Einzelnen das Interesse aller. Unabhängig davon, ob eine gesetzliche Einflussnahme zur Klärung eines Problems hilfreich wäre oder nicht, gilt: Das Recht auf ein selbstbestimmtes, frei gewähltes Dasein darf im Grundsatz niemand antasten. Egal, wie lauter die Motive sind.

So verhält es sich auch mit der Frage nach einer Pflicht zur Organspende. Jedes Jahr sterben Tausende Menschen, weil zu wenige Transplantate zur Verfügung stehen. Für die Betroffenen, deren Familien und Freunde ist es schwer nachvollziehbar, dass sie Leid und Tod ertragen müssen, obwohl Hilfe viel leichter zu haben wäre, wenn sich mehr Spender registrieren ließen. Es ist also richtig, für die Organspende zu werben, damit das Thema möglichst viele Menschen erreicht.

Genauso richtig ist es aber auch, Bedenken gegen die Weitergabe von Organen zu akzeptieren. Wer es sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht vorstellen mag, dass sein Herz, seine Netzhaut oder Lunge nach dem eigenen Tod im Körper eines anderen Menschen weiterleben, darf zu einer Transplantation nicht gezwungen werden. Moralisch verliert der Mensch mit dem Ende des Lebens nicht die Verfügungsgewalt über seinen Körper.

Das Gesetz, das der Bundestag jetzt auf den Weg gebracht hat, genügt den schwer zu fassenden Anforderungen im Spannungsfeld zwischen medizinischer Notwendigkeit und persönlicher Souveränität. Es wird einerseits dazu beitragen, dass viele erstmals über Organspende nachdenken werden. Die Zahl derer, die sich registrieren lassen, wird mutmaßlich deutlich ansteigen. Andererseits entsteht für Skeptiker kein Druck, eine ablehnende Haltung rechtfertigen zu müssen.

Der breite politische Konsens im Bundestag, der diesem Gesetz zugrunde liegt, beweist abermals: Wenn es um Fragen von Leben und Tod geht, agiert das Parlament mit besonders hoher Sensibilität. Parteipolitische Taktik tritt zugunsten der Wertschätzung menschlicher Selbstverantwortung in den Hintergrund. Der Gesetzgeber verlangt vom Bürger lediglich, sich mit dem Thema Transplantation auseinanderzusetzen. Das ist legitim und gut so.