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Kurz notiert

02.04.2012
2023-08-30T12:17:29.7200Z
4 Min

Der Preis für die Freiheit, den Europa nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks zahlen muss, ist die Dauerkrise. Der Direktor des Münchener Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching, bringt es auf den Punkt: "Die Krise Europas besteht in seinem Zusammenwachsen." In seiner herausragenden Monografie beschreibt der Historiker die politisch-wirtschaftlichen Entwicklungen seit dem Wendejahr 1989. Er vergleicht sie mit dem europäischen Integrationsprozess der Nachkriegszeit und ordnet sie in das aktuelle Weltgeschehen ein. Zugleich macht Wirsching deutlich, warum die Rückkehr der Osteuropäer nach Europa, die Einführung des Euro, der Lissaboner Vertrag und das Schengener Abkommen einerseits zur Vertiefung der "europäischen Identität" führten, während Europa anderseits immer tiefer in die Krise stürzte. Am Ende habe nur ihr gemeinsamer politische Wille die Europäer davon überzeugt, den Integrationsprozess fortzuführen.

Andreas Wirsching wagt sich in die Zeitgeschichte vor und nimmt in Kauf, dass er deshalb nicht auf die aktuellen Regierungsakten zugreifen kann, insbesondere nicht auf die als "geheim" eingestuften Gesprächsprotokolle. Historiker tun dies eigentlich höchst ungern. Gleichwohl fördert er einen klaren Befund zutage: das Charakteristikum der europäischen Geschichte unserer Zeit ist die Freiheit.

Wirsching geht es nicht nur um 1989, sondern auch um die Liberalisierung der Finanzmärkte, die die Freiheit von Warenverkehr, Dienstleistungen und Kapital mit sich brachte. Das Nachkriegseuropa sei nicht nur "zum gemeinsamen Erfahrungsraum", sondern auch zur "Provinz" eines globalen Wirtschaftsraums geworden. Der mächtige historische Trend zur Konvergenz verursache immer wieder gegenläufige, krisenbehaftete Entwicklungen, betont Wirsching. So habe man Europa regelmäßig auseinanderdriften sehen, Fragmentierung und Rückfall in die Zeit der nationalen Egoismen vorausgesagt und tatsächlich auch erlebt. Bislang habe man die Krisen durch die Maxime "Mehr Europa" gelöst.

Andreas Wirsching:

Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit.

Verlag C.H. Beck, München 2012; 487 S., 26,95 €

"Es gibt nichts Gutes außer man tut es" - "tue Gutes und rede darüber". Diese beiden Maximen haben die kanadische Journalistin Emily Hunter und die "Öko-Krieger", die sie in ihrem gleichnamigen Buch vorstellt, beherzigt. Ihr Buch ist weniger eine journalistisch-kritische Auseinandersetzung mit den Umweltaktivisten unserer Tage als vielmehr ein klar positioniertes Manifest - und zugleich eine Hommage an ihren im Jahr 2005 verstorbenen Vater Robert Hunter. Er gehörte zu den Mitbegründern der Umweltorganisation Greenpeace.

Emily Hunter porträtiert die 19 jungen "Öko-Krieger" nicht selbst, sondern lässt diese ihre Sicht der Dinge und ihren Kampf für die Umwelt gleich selbst vortragen. Und die tun dies mit Feuer im Herzen. Lesenswert sind die Geschichten der Protagonisten, die den Leser um den gesamten Erdball führen. Sie erzählen vom Engagement gegen das Abschlachten von Robben an Kanadas Küsten, vom Kampf gegen japanische Walfänger im Südpolarmeer oder vom Streiten um den Schutz des tasmanischen Urwalds. Der Begriff "Öko-Krieger" ist bewusst gewählt, denn die jungen Aktivisten sehen sich in einem Krieg gegen die Ausbeutung des Planeten. Sie scheuen auch nicht vor Aktionen zurück, die ihnen Ärger mit Behörden, mitunter Geld- oder gar Gefängnisstrafen einhandeln. Die Aktivisten der Umweltorganisation Sea Shepherd riskieren bei ihren Aktionen gegen die japanische Walfangflotte auch das eigene Leben.

Hunter erkennt in ihnen eine "neue Generation", die sich von der Umweltbewegung der 1970er Jahre deutlich unterscheide. Ihre Taktiken wie ihre Stimmen seien sehr unterschiedlich. Eines hat sich aber nicht verändert - die Vorliebe, Weltuntergangsszenarien zu beschwören. "Eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft werden wir am Rand des Abgrunds stehen", schreibt Hunter. Das kommt vertraut vor. Mit Blick auf Atomkatastrophen wie in Tschernobyl oder zuletzt in Fukushima sind sie solche Prophezeiungen verständlich. Allerdings stumpfen sie mit der Zeit auch ab.

Emily Hunter:

Öko-Krieger Eine neue Generation kämpft für unseren Planeten.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2012; 312 S., 8,99 €