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Vor dem Ansturm

BILDUNG Die Zahl der Studenten wächst bis 2015 erheblich. Grüne und Linke fordern mehr Geld für die Hochschulen

30.04.2012
2023-08-30T12:17:30.7200Z
4 Min

Es geht nicht mehr nur um einen Studierendenberg, sondern es geht um ein langfristiges Studierendenhochplateau." Mit dieser Prophezeiung wies der Abgeordnete Kai Gehring (Bündis 90/Die Grünen) am vergangenen Donnerstag in der Debatte zur Hochschulpolitik die Richtung. Der zu erwartende Boom von Studenten an den Universitäten und die nach Ansicht der Opposition fehlende Finanzierung von ausreichend Studienplätzen standen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Die Bildungspolitiker in den Bundesländern und ein großer Teil des Wissenschaftsbetrieb sind alarmiert: Laut der jüngsten Zahlen der Kultusministerkonferenz von Mitte Februar werden bis 2015 mindestens 350.000 neue Studienplätze gebraucht.

Die Grünen und Die Linke hatten zwei Anträge zum Hochschulpakt eingebracht. Die Grünen fordern in ihrer Vorlage die Bundesregierung auf, gemeinsam mit dem Ländern einen "Fahrplan für die Ausweitung und qualitative Verbesserung" des Hochschulpaktes auszuarbeiten. Sie wollen für die wachsende Zahl der Studienanfänger mehr Geld bereitstellen (17/9173). Allen Studienberechtigten solle die Chance auf einen Studienplatz gegeben werden. Die Linksfraktion will den Hochschulpakt gleich komplett neu auszuhandeln, um so die Zahl der grundständigen Studienplätze bis 2015 auf mindestens 500.000 zu erhöhen (17/9197). Zudem erwarten die Linken, dass dem Bundestag umgehend ein Entwurf zur Änderung des Bundesbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vorgelegt wird. Unter anderem sollten die Bedarfssätze an den tatsächlichen Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildung angepasst werden.

Gehring unterstrich die Notwendigkeit von Planungssicherheit für die Hochschulen. Sie bräuchten keine "Taschenspielertricks", sondern "Finanzierungssicherheit seitens des Bundes innerhalb des Hochschulpaktes", argumentierte er. Das sei "das A und O für einen verlässlichen Studienplatzausbau vor Ort". Es wäre ein schlechtes Zeichen für potenzielle Bildungsaufsteiger, wenn Zehntausende trotz Studienabsicht ohne Studienplatz blieben. "Dazu darf es nicht kommen", warnte Gehring.

Monika Grütters (CDU) hingegen kritisierte, dass die Anträge der Grünen und der Linken inhaltlich nichts Neues böten. Die Argumente seien "angestaubt". Der Hochschulpakt habe sich entgegen der Vorwürfe der Opposition nicht als ein unflexibles Instrument erwiesen. Wenn es nötig werden sollte, werde selbstverständlich nachverhandelt. "Wir können getrost davon ausgehen, dass es auch künftig genug Geld gibt", zeigte sich Grütters genauso wie ihr Fraktionskollege Florian Hahn (CDU) überzeugt. "Wir werden flexibel handeln. Das sind wir den Studienberechtigten schuldig", sagte Hahn. Studienwillige würden nicht vor verschlossenen Türen stehen.

Strukturelle Probleme

Koalitionskollege Peter Röhlinger (FDP) untermauerte in seiner Rede die Argumente von Grütters mit Zahlen. Es gebe seit Jahren kontinuierliche Steigerungen im Bildungsbereich. Von 2009 zu 2010 sei der Bildungsetat um 701 Millionen, von 2010 zu 2011 um sogar 783 Millionen Euro gestiegen. In diesem Jahr seien noch einmal 445 Millionen Euro dazu gekommen. Röhlinger machte aber auch deutlich, dass Geld nicht das Allheilmittel sei. In Anspielung auf Fehlentwicklungen in manchen Bundesländern sagte er: "Wer strukturelle Probleme hat, der holt das mit Geld nicht herein." Die Studierenden hätten das längst kapiert und stimmten mit den Füßen ab. Dabei sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein entscheidender Standortvorteil für Universitäten, argumentierte Röhlinger. Die Kommunen, die die nötige Infrastruktur schaffen müssten, ermahnte er, man könne nicht einfach nur die Hand aufhalten und sagen: "Bund, ich will Geld." Letztlich komme es auf ein gutes Zusammenspiel zwischen Universitäten, Politik und Wirtschaft an.

Swen Schulz (SPD) unterstrich den großen Erfolg des Hochschulpaktes und betonte, dass er gerade deshalb weiter entwickelt werden müsste. Der Politiker warf der Regierung Zögerlichkeit vor. "Sie handelt nicht" - und das, obwohl der "Hochschulpakt zu klein dimensioniert" sei. Auch er verwies auf die neuesten Zahlen der Kultusministerkonferenz. Beim Blick in die Zukunft werfen sich für ihn aber noch andere Fragen auf. Nach der derzeitigen Finanzplanung der Regierung sollen in den Jahren ab 2014 über 570 Millionen Euro im Bildungsetat gekürzt werden. "Wie wird es dann weiter gehen?", fragte der Bildungspolitiker.

Bologna-Reform

Nicole Gohlke (Die Linke) warf der Regierung vor, nicht für das "höchstmögliche Niveau der Hochschulfinanzierung" zu sorgen, so wie es die 47 Bologna-Länder in ihrem unterschriftsreifen Vertrag gerade formuliert hätten. "Ehrlich gesagt, dürfte Deutschland gar nicht unterschreiben, weil jeder weiß, dass das höchstmögliche Niveau nicht sichergestellt ist", sagt Gohlke. Kaum eines der großen Ziele der Bolognareformen sei erreicht. Die Finanzierung der Hochschulen bleibe nicht nur unter dem Höchstmöglichen sondern auch weit unter dem unbedingt Nötigen. Unverständnis äußerte sie darüber, dass Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) lediglich eine Arbeitsgruppe in der Wissenschaftskonferenz eingesetzt habe, die prüfen solle, ob weitere Studienplätze nötig sind. "Was gibt es da zu prüfen? Jeder weiß, dass Studienplätze fehlen. Und zwar jetzt."

Gohlke zog eine negative Bilanz: Das Studium sei stressiger, aber nicht besser geworden. Die internationale Mobilität stagniere, die innerdeutsche habe sogar abgenommen. Wer mit dem Bachelorabschluss die Universität verlassen müsse, habe deutlich schlechtere Chancen auf einen guten Job.

Diese Kritik beweise nur, so gab Monika Grütters zurück, dass sich die Linksfraktion von der Realität nicht stören lasse und stets Maximalforderungen aufstelle - "nach dem Oppositions-Motto: alles für alle und zwar umsonst."