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Kurz notiert

18.06.2012
2023-08-30T12:17:33.7200Z
6 Min

Internet-Enquete setzt Arbeit nach der Sommerpause fort

Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" wird ihre Arbeit auch nach der parlamentarischen Sommerpause fortsetzen. Der Bundestag verabschiedete einen entsprechenden Antrag der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion (17/9939) am vergangenen Donnerstag. Gemäß des Einsetzungsbeschlusses (17/950) hätte die Enquete ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen eigentlich bis zur Sommerpause vorlegen sollen. Dies soll nun bis Ende des Jahres geschehen.

Union und FDP wollen Lehrer besser ausbilden lassen

Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP wollen einen Qualitätswettbewerb von Bund und Ländern für eine exzellente Lehrerausbildung auf den Weg bringen. In ihrem Antrag (17/9937), den der Bundestag am vergangenen Donnerstag in erster Lesung in die Ausschüsse überwies, schlagen sie vor, in in diesem Wettbewerb herausragende Zukunftskonzepte der Lehrerausbildung zu prämieren und dann in die Praxis umzusetzen. Die Qualität des Unterrichts sei für die Kompetenz der Schüler entscheidend. Lehrer würden maßgeblich die Entwicklung der Interessen von Schülern beeinflussen. Das gelte besonders bei Qualität der Förderung von Schülern mit einer schwachen Ausgangslage und schwierigen sozialen Herkunft. Ein guter Unterricht könne dazu beitragen, die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss zu verringern.

Presse-Grosso wird nicht gesetzlich geregelt

SPD und Bündnis 90/Die Grünen sind mit ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung des Presse-Crossos gescheitert. Der Bundestag lehnte am vergangenen Donnerstag den Antrag der beiden Oppositionsfraktionen (17/8923) mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gemäß der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (17/9989) ab. SPD und Grüne hatten argumentiert, der Erhalt des Pressevertriebssystems sei durch zwei gegen das Presse-Grosso ergangene Gerichtsurteile auf lange Sicht gefährdet. Die "Gemeinsame Erklärung" der Verlegerverbände und des Bundesverbands Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. aus dem Jahr 2004 stelle nun keine tragfähige Basis für den Systemerhalt mehr dar.

Lammert gratuliert Peymann und Pamuk

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat dem türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk zu seinem 60. Geburtstag und dem Berliner Theater-Indendanten Claus Peymann zum 75. Geburtstag am 7. Juni gratuliert. Pamuk sei einer der bedeutendsten Literaten unsere Zeit, der sich zwischen Orient und Okzident bewege. Seine Werke schöpften aus dem Reichtum zweier Kulturen und trügen zum gegenseitigen Verständnis bei. In seinem Glüchwunschschreiben an Peymann betonte Lammert, der Intendant entflamme mit seinen Inszenierungen die Liebe zum Theater bei seinem Publikum. "Und das danken Ihnen wiederum auch Menschen, die in manch politischem Diskurs nicht immer einer Meinung mit Ihnen sind."

Die Bewertung der Berufspolitiker durch die Wähler unterliegt einem steten Wandel. Wie die jüngste Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ergab, glauben nur noch 25 Prozent der Befragten, dass man über große Fähigkeiten verfügen muss, um Bundestagsabgeordneter zu werden. 1972 seien es noch 63 Prozent gewesen. Verantwortlich für diesen großen Ansehensverlust sei die Politikvermittlung durch das Fernsehen. Weiter ergab die Umfrage, dass die Bürger einen Politiker schätzen, der ihnen Orientierung gibt und auch gegen Widerstände an seinen Überzeugungen festhält.

Der bekannte finnische Politikwissenschaftler Kari Palonen belegt in seiner hochinteressanten Studie "Lobreden auf Politiker im Zeitalter der Demokratie", dass sich ein Aspekt im letzten Jahrhundert jedoch kaum geändert hat: die Beschimpfung der politischen Klasse: "Auch die in den vergangenen Jahren erschienenen Politikerbeschimpfungen folgen noch immer den seit 100 Jahren ausgetretenen Pfaden." Und die Bürger würden dabei keinen Unterschied zwischen einzelnen Politikern und ihren vermeintlichen Verfehlungen machen.

Palonen analysiert die Beschimpfungen und wie die Politiker und ihre Verteidiger darauf reagierten. Richtigerweise, bemerkt der Autor, begegneten die Politiker der populistischen Kritik an ihrer Arbeit zumeist mit Schweigen. Schließlich sei es vergeblich, "gegen die Gemeinplätze der populistischen Kritik mit einer Detailargumentation vorzugehen". Einer der ältesten Kritikpunkte der Bürger betrifft die angebliche "Bereicherung durch die politische Tätigkeit". Dieser Vorwurf kam bereits in den Diätendebatten des 19. Jahrhunderts in Frankreich, den USA, Großbritannien und Deutschland auf. Palonen widerlegt nicht nur diese Vorhaltung, sondern auch die vermeintlichen Alternativen einer direktdemokratischen Politik oder eines Antiberufspolitiker-Ethos.

Und Palonen hat den vielleicht wichtigsten Grund identifiziert für die Unpopularität der Politker: Die breite Öffentlichkeit kennt in der Regel die Bedingungen ihres beruflichen Alltags nicht.

Kari Palonen:

Rhetorik des Unbeliebten. Lobreden auf Poli-tiker im Zeitalter der Demokratie.

Nomos Verlag, Baden-Baden 2012; 209 S., 34 €

Der Staatsbesuch Präsident Putins in Berlin ruft das Ende 2011 erschienene Buch von Alexander Rahr in Erinnerung: "Der kalte Freund" versucht, die in Deutschland anhaltende Frustration über die russische Innen- und Außenpolitik aufzutauen. Als Leiter des Berthold-Beitz-Kompetenz-Zentrums für Russland, Ukraine, Belarus und Zentralasien in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik beansprucht Rahr die Rolle des Insiders in einem unübersichtlichen Grenzbereich zwischen Politik und Wirtschaft. Wer vom Autor jedoch eine Beschreibung von Entscheidungsabläufen, eine genauere Benennung von Interessen und Akteuren im Hintergrund der russischen Politik oder gar eine Analyse des "Systems Putin" erwartet, legt das Buch frustriert nieder.

Zu Recht kritisiert Rahr das gängige Russlandbild im Westen, aber ihm selbst fehlt die Distanz. Und so präsentiert er Interpretationen der Weltpolitik und geostrategische Erfolgsformeln aus Moskau als Einsichten. Das Land verfüge nun einmal über "Bodenschätze unvorstellbaren Ausmaßes" und es werde "auch ohne radikalen Strukturwandel bei fossilen Energieträgern, Kernenergie und Rüstungstechnologie zum Weltmarktführer". Dass Russland sich mit dieser Wachstumsstrategie in der Falle eines Petro-Staates verfangen hat, ist für Rahr kein Thema. Ebenso wenig die ambivalenten außen- und sicherheitspolitischen Implikationen, die sich daraus für Nachbarstaaten ergeben. Mit seinem Aufruf an die deutsche und europäische Politik, Putins reaktionärem Großmachtmodell einen Sonderstatus unter dem Etikett der "strategischen Partnerschaft" einzuräumen, outet sich der Insider in der Rolle des Propagandisten. Aber vielleicht geht es ihm auch um Glaubensfragen, denn er hält eine beruhigende Botschaft bereit: "Die russische Führung besteht aus überzeugten Europäern, davon konnte ich mich bei einem persönlichen Abendessen im Kreml mit Putin selbst überzeugen." Ja, wenn das so ist...

Alexander Rahr:

Der kalte Freund. Warum wir Russland brauchen. Die Insider-Analyse.

Hanser Verlag, München2011; 298 S., 19,90 €