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Informationsfreiheit kontra Datenschutz

INNERES Erweiterung der Grundrechte stößt bei Experten auf Skepsis

01.10.2012
2023-08-30T12:17:38.7200Z
3 Min

Mit ihrer Forderung nach der Aufnahme eines Grundrechts auf freien Informationszugang stößt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Experten mehrheitlich auf Skepsis und Zurückhaltung. Der Innenausschuss hatte in der vergangenen Woche sechs Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf (17/9724) für eine entsprechende Grundgesetzänderung befragt. Die Experten äußerten sich zudem zu den Ergebnissen der Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes, das das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation im Auftrag des Innenausschusses erstellt hatte.

Artikel 5

Nach dem Willen der Grünen soll in Artikel 5 des Grundgesetzes der folgende Absatz eingefügt werden. "Jeder hat das Recht auf Zugang zu Informationen öffentlicher Stellen sowie zu Informationen nicht öffentlicher Stellen, soweit diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Der Zugang zu Informationen sonstiger nichtöffentlicher Stellen ist zu gewährleisten, soweit dies, insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der natürlichen Lebensgrundlagen, den überwiegenden Interessen der Allgemeinheit dient. Das Nähere wird bundesgesetzlich geregelt."

Der Rechtswissenschaftler Martin Ibler von der Universität Konstanz wies darauf hin, dass es bereits mehrere vergebliche Versuche gegeben habe, das Grundgesetz in diesem Sinne zu ändern. Eine Änderung sei jedoch "nicht notwendig", sie habe sich durch das Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene und ähnliche Gesetze in den Bundesländern erübrigt. Das in Artikel 5, Absatz 1 verbriefte Recht, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten", sei dadurch bereits erfüllt, argumentierte Ibler.

In diesem Sinne äußerte sich auch sein Kollege Michael Sachs von der Universität Köln. Es bestehe kein ersichtlicher Grund für eine Änderung des Grundgesetzes. Es sei nicht erkennbar, dass - wie von den Grünen behauptet - die Informationsansprüche der Bürger nur deshalb nicht realisiert würden, weil sie lediglich in einfachen Gesetzen formuliert sind. Das Grundgesetz garantiere nach Artikel 19 schließlich den Rechtsweg, wenn eine Behörde angeforderte Informationen nicht herausgebe.

Der Rechtswissenschaftler Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg warnte davor, dass eine solche Grundgesetzänderung verfrüht sein könne. In der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", der er als Sachverständiger angehört, würden derzeit ähnliche Probleme beraten. Es wäre besser, diese gemeinsam anzugehen.

Paradigmenwechsel

Jan Ziekow von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer - er gehört zu den Mitverfassern der Evaluation des Informationsfreiheitsgesetzes - wollte sich nicht festlegen. Die Frage einer Grundgesetzänderung sei eine politische. Allerdings könne die Aufnahme eines Informationszugangsrechts in das Grundgesetz durchaus den Paradigmenwechsel unterstützen, der durch das Informationsfreiheitsgesetz bereits eingeläutet worden sei.

Hindernis bei Recherche

Christoph J. Partsch von der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit e.V. plädierte mit Nachdruck für eine entsprechende Grundgesetzänderung. In der Realität rangiere das Recht auf Informationsfreiheit meist hinter dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Unter dem Vorwand des Datenschutzes würden allzuoft die Herausgabe von Informationen durch Behörden blockiert. Dies zeige sich nicht nur bei der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes, sondern auch beim Bundesarchivgesetz. Dadurch würden beispielsweise historische Forschungen blockiert. Ein Werk wie Eugen Kogons "Der SS-Staat" könne heute gar nicht mehr recherchiert und geschrieben werden.

Der ehemalige Landesbeauftragte für Datenschutz in Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, pflichtete bei, dass der Datenschutz von Behörden in vielen Fällen als "Feigenblatt" missbraucht werde, um Informationen nicht herauszugeben. Er sprach sich für eine verstärkte pro-aktive Informationspflicht für Behörden aus, wie dies in Bremen realisiert worden sei.