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Keine Extraregelung für Hasskriminalität

MENSCHENVERACHTENDE MOTIVE Bundestag lehnt Gesetzentwürfe zur Strafverschärfung ab

22.10.2012
2023-08-30T12:17:39.7200Z
2 Min

Wenn Herkunft, Haar- oder Hautfarbe Anlass einer Straftat sind, ist die Rede von sogenannter Hasskriminalität. Der Bundesrat sowie die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten für derartige Delikte eine Strafverschärfung gefordert und entsprechende Vorlagen in den Bundestag eingebracht. Diese wurden vergangenen Donnerstag in zweiter und dritter Lesung im Plenum beraten. Alle drei Entwürfe wurden mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der Linksfraktion abgelehnt. Die SPD-Fraktion enthielt sich bei dem Grünen-Antrag sowie die Grünen-Fraktion bei dem SPD-Entwurf.

Unrechtsgehalt

Der Bundesrat hatte in seinem Gesetzentwurf (17/9345) gefordert, dass menschenverachtende Tatmotive strafverschärfend bewertet werden sollen. Dazu müsse das Strafrecht in Teilen geändert werden. Die Länderkammer argumentierte, dass Hassdelikten gegenüber sonstigen Gewaltdelikten ein erhöhter Unrechtsgehalt inne wohne. Ähnlich argumentiert die SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf (17/8131). Das Strafrecht müsse deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen, dass die Gesellschaft Straftaten nicht duldet, die sich gegen Personen richtet, allein oder vorwiegend wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status.

"Anschlag auf Menschenwürde"

Die Grünen-Fraktion schließlich fordert in ihrem Antrag (17/8796) die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Straftaten gegen andere Menschen wegen sexueller Identität, des Geschlechts, der Weltanschauung, Behinderung oder Alters verfolgt. Der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag warb für den Antrag seiner Fraktion als dem "erfolgversprechenderen Weg". Die Vorlagen von Bundesrat und SPD-Fraktion wies er hingegen als "kontraproduktiv" zurück.

Hasskriminalität sei ein "Anschlag auf die Menschenwürde", sagte Burkhard Lischka (SPD-Fraktion), "ein Anschlag auf uns alle". Und das müsse eben auch "in unserem Strafgesetzbuch Niederschlag finden, wie in vielen, vielen anderen Ländern auch".

Bereits im Juni diesen Jahres, kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, hatte der Rechtsausschuss eine Expertenanhörung anlässlich der drei Initiativen durchgeführt. Insgesamt waren sich die Experten einig, dass eine menschenverachtende Motivation bei der Festlegung des Strafmaßes bei Gewaltdelikten berücksichtigt werden solle und strafverschärfend wirken müsse. Darüber herrschte auch im Bundestag interfraktionelle Einigkeit. Allerdings argumentierten die Vetreter der Koalitionsfraktionen sowie der Linksfraktion gegen die drei Gesetztesnovellen von Bundesrat, SPD- und Grünen-Fraktion.

Sache der Gerichte

Der Strafrahmen, also das gesetzliche Höchst- und Mindestmaß, werde bereits durch den konkreten Gesetzesverstoß festgestellt, und zwar mit "all seinen Tatmodalitäten und Tatumständen, die das Strafmaß erhöhen oder mildern können", erklärte der CDU/CSU-Abgeordnete Ansgar Heveling. Eine zu schließende rechtliche Lücke gebe es also nicht, argumentierte er. Der Neuregelung käme lediglich "Symbolcharakter" zu. Dem pflichtete sein Koalitionskollege, der FDP-Politiker Jörg van Essen bei: "Strafzumessung ist stets eine Einzelfallentscheidung der Gerichte, denen man vertrauen kann und muss", sagte er. Ähnlich argumentierte Halina Wawzyniak für die Linksfraktion. Es sei nicht hilfreich, das Strafgesetzbuch zu ändern, "um die Gerichte zu sensibilisieren", sagte sie. Vielmehr sollten alle gemeinsam dafür sorgen, dass "Hasskriminalität keine Chance hat".