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Umweltpolitiker mit ruhiger Hand: Ulrich Petzold

22.10.2012
2023-08-30T12:17:39.7200Z
3 Min

Wie er schalkhaft und ernst zugleich dreinblickt, immer wieder still lächelt und beim Nachdenken die Augen schließt, sieht er gar nicht aus wie ein Wüterich. Wie einer, dem die Zeitläufte etwas überdreht vorkommen. "Die Debatte über die Strompreise hat eine unangemessene Dramatik zur allgemeinen Energiepreissteigerung", sagt Ulrich Petzold und fährt mit seiner rechten Hand über den Anzugsärmel, als wollte er ein paar Teilnehmer der aktuellen Debatte über die Energiewende gleich mit wegwischen.

Petzold, 60, Umweltpolitiker seit 1990, regt sich auf. "Jeder, der sagt, dass ihm nicht klar war, wie viel der Weg hin zu den regenerativen Energien kosten wird, der schummelt", sagt er über manchen Kollegen. Und überhaupt: "Im direkten Gespräch zeigen sich die Bürger viel eher bereit, fünf Euro im Monat mehr für Strom zu zahlen als die zehn Euro mehr bei jedem Tanken." Petzold mag nicht mehr diskutieren, ob eine Stromleitungstrasse gebaut werden soll oder nicht. "Und wenn sich jemand beschwert, weil bei einem Windrad in drei Kilometern Entfernung zum Wohnhaus ein rotes Lichtlein blinkt und gleichzeitig unendlich viele Stromzähler allein in der Küche stehen, hält sich mein Verständnis in Grenzen."

Ulrich Petzold, Bundestagabgeordneter des Wahlkreises Dessau-Wittenberg, ist gleichwohl kein Grüner. Seit dem Jahr 1990, als er und einige Freunde den Kreisverband der Ost-CDU übernahmen, ist er Christdemokrat. "Die hatten ein Büro, ein Telefon und einen Verteiler, das war toll." Damals engagierte sich Petzold im Betriebsrat und versuchte in der Wende- und Auflösungszeit der DDR Arbeitsplätze zu retten. Und er entschied sich für Umweltpolitik.

Seinen eigenen ersten Job hatte er 1974 als Instandhaltungs-Ingenieur im Chemiekombinat Bitterfeld angetreten. "Damals wuchs nicht einmal Unkraut um den Betrieb herum." Er sah die Baumleichen, von Schaum gelb gefärbte Ufer. Und Eisenträger, die binnen vier Jahren durchrosteten. Dies in der Freiheit zu ändern, kam Petzold vor wie Selbstverständliches.

"Politik ist konkret. Wir kommen halt aus dem Osten", sagt er. Auf seiner Webseite schreibt er: "Seit der Wende bin ich für Sie und unsere Region bundespolitisch aktiv" - das klingt mehr nach Dienstleister als nach Herzblut. Als Ziele benennt das Umweltausschussmitglied den Ausgleich zwischen Wirtschaft und Natur, Jobs, das Augenmerk bei den Schwächsten, Behebung des Ärztemangels und bessere Bildung. Aber wenn Petzold über sein Mandat redet, wirkt er wie ein Novize, der seine erste Saison im Parlament absolviert: "Die Politik im Bundestag ist richtig spannend, hoch interessant und macht Freude, bei aller Mühe und Anstrengung." Petzold ist Parlamentarier seit 1990, mit einer Unterbrechung zwischen 1998 und 2002.

Politik ist konkret - und so gestaltet er sie. "70 Prozent der Bundestagsbeschlüsse werden über die Grenzen der Regierungskoalition hinweg getroffen." Das fasziniert ihn. Die Suche nach Kompromissen unter Politikern scheint ihn zu beseelen. "Wir haben aber seit 1990 durchaus gelernt, auch mal den Fuß stehen zu lassen", sagt er mit Blick auf die Erfahrungen einiger ostdeutscher Politiker, denen Lagerdenken nicht auf Anhieb so gelang, wie es ihnen die Kollegen aus dem Westen vormachten.

Und wie reagiert nun der Realpolitiker Petzold auf die gestiegenen Strompreise? "Das kann man so nicht laufen lassen, aber einen Schnellschuss darf es auch nicht geben", sagt er und kann sich Zuschläge im Sozialbereich vorstellen. "Hauptsache, alle Bürger sind von der Notwendigkeit der Energiewende überzeugt." Denn schließlich könne sich eine Regierung ja nun mal keine neue Bevölkerung wählen.

Eine Politik der ruhigen Hand zeigt er bei seinen Hobbys. Wenn der Imker zu seinen bis zu fünf Bienenstöcken geht, zeigen sie ihm den Stachel, wenn er nicht Ruhe ausstrahlt. Und die rund 1.000 selbst gegossenen Zinnfiguren werden auch nicht über Nacht bemalt. Wenn also die aktuelle Debatte über die Energiewende dem Chef der CDU-Landesgruppe Sachsen-Anhalts im Bundestag vorkommt wie im Bienenkorb, dann wird er: zum Zinnsoldaten.