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Verbraucher retten die Welt

Wachstums-enquete Experten diskutieren über die Möglichkeiten eines nachhaltigen Konsums

17.12.2012
2023-08-30T12:17:44.7200Z
3 Min

Eine ganze Weile haben sich diverse dirigistische Vorschläge aneinandergereiht, von Vorschriften für die Beratung von Bankkunden über den erschwerten Kauf von Süßigkeiten bis zu Maßnahmen gegen die Werbefreiheit. Dann setzt Florian Bernschneider einen Kontrapunkt: Man solle doch nicht nur auf "Verbote und Verordnungen" setzen, kritisiert der FDP-Abgeordnete, sondern lieber die Verbraucherbildung verbessern. Ja, meint die per Telefon zugeschaltete Referentin Lucia Reisch, das sei natürlich ein "Ideal", für Schulen stehe auch Lehrmaterial zum nachhaltigen Konsum zur Verfügung, allerdings seien die Lehrpläne mit anderen Themen ziemlich voll.

Nun, solche Wortwechsel stehen in der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" bei der Debatte mit der Friedrichshafener Professorin nicht im Vordergrund. Auch der Auftritt des Sozialethikers Friedhelm Hengsbach, eines Urgesteins des Linkskatholizismus, ist vielmehr vor allem von Erwägungen über Eingriffe in die Wirtschaft und in den Lebensstil der Bürger geprägt - was, wie Reisch einräumt, den "individuellen Freiheitsspielraum" einschränken und ein nachhaltiges Verbraucherverhalten hemmen kann.

Das Gremium widmete sich vergangene Woche dem nachhaltigen Konsum. Auch der Hype um Biolebensmittel hat nichts daran geändert, dass dieser Sektor eher ein Nischendasein führt. Reisch ortet bei den Bürgern eine ganze Reihe von kritischen Punkten, die einer prosperierenden Entwicklung entgegenstünden: Die Wissenschaftlerin spricht von "Gewohnheit und Verhaltensstarre", von der Dominanz "bewährter Vereinfachungen", von der "Abschiebung der Verantwortlichkeit auf andere". Auch weist sie auf das Bedürfnis nach Genuss und Spaß hin, dem ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Verhalten widersprechen könne. Sie erwähnt Erhebungen, wonach ein hoher Prozentsatz zwar faire Preise für Rohstoffproduzenten in der Dritten Welt, eine gute Entlohnung von Beschäftigten im Handel, eine artgerechte Tierhaltung oder einen Verzicht auf Gentechnik befürworte, aber nur ein wesentlich kleinerer Anteil der Befragten für derart hergestellte Waren auch mehr bezahlen wolle.

Warnung vor Moralisierung

Der Sachverständige Ulrich Brand warnt indes vor einer "Moralisierung des Konsums": Ob denn die Forderung "Du Verbraucher musst die Welt retten" sinnvoll sei? Reisch konzediert, mit einer Moralisierung komme man nicht weiter, doch müsse das "Ethisch-Moralische" schon in die Diskussion über reflektierte Lebensstile einbezogen werden. SPD-Obfrau Edelgard Bulmahn zeigt sich an Ideen für gesetzgeberische Maßnahmen interessiert. Weder Reisch noch Hengsbach haben fertige Konzepte, doch sie unterbreiten eine Fülle von Vorschlägen, die das Verhalten der Bürger lenken sollen.

Keinen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des einzelnen markiert Reischs Plädoyer für eine Vereinfachung des "verwirrenden Label-Dschungels" bei der Produktkennzeichnung, wobei eine Zertifizierung Qualitätsstandards bei solchen Labels garantieren soll. Mit der Forderung, den Zugang zu Waren, die als nicht nachhaltig gelten, "unattraktiv" zu machen, sieht das freilich anders aus. So fordert sie, den Verkauf von Süßigkeiten nur noch gegen Bargeld zu erlauben. Nach dänischem Vorbild soll in Wohngebieten nur Elektroautos öffentliches Parken gestattet werden. Viel abgewinnen kann die Referentin dem "Auslisten" von Waren, die als nicht nachhaltig einzustufen seien: Sie lobt eine dänische Lebensmittelkette, die Thunfisch aus ihrem Angebot verbannt habe - wer gern Thunfisch isst, hat dann Pech gehabt. Eine andere Idee: Man solle Bankberater verpflichten, Kunden Angebote für "ethisch-moralische Geldanlagen" zu unterbreiten.

Hengsbach ist besonders die Werbung ein Dorn im Auge. Ressourcenverbrauch, Umweltbelastung und Müllberge solle man über ein "Ausbremsen" des Konsums reduzieren. Im Kampf gegen Konsumanreize sieht er einen wirksamen Hebel, weswegen er Maßnahmen gegen Werbung im öffentlichen Raum verlangt und über das Verbot bestimmter Slogans wie etwa "Bier trinken für den Regenwald" sogar direkt gegen die Werbefreiheit zielt.

Der Referent hegt große Skepsis gegenüber der "Tugendethik", die sich an den einzelnen richtet und deren Wirkung deshalb begrenzt sei: "Den mündigen Konsumenten gibt es nicht", der sei nun mal "von außen gesteuert". Propagiert werden sollten die Absage an Modewellen bei der Kleidung, das Umsteigen auf Bus und Bahn oder das Energiesparen. Nötig ist aus Hengsbachs Sicht aber vor allem die Änderung von "Regeln" und "Strukturen", damit "richtiges Leben in richtigen Strukturen möglich wird". Als zentral erachtet er eine den Unternehmen aus ökologischen Gründen auferlegte Verpflichtung, langlebige und reparaturfähige Güter ohne schnellen Verschleiß herzustellen, die zuletzt auch recycelt werden. Im Übrigen solle sich die Gesellschaft weniger am Kauf von Industrieprodukten und stattdessen mehr am "Konsum von Kulturgütern" orientieren.