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Auf Augenhöhe

KULTUR Die SPD vermisst ein Gesamtkonzept für die Kreativwirtschaft. Union und FDP verweisen auf Erfolge

25.02.2013
2023-08-30T12:23:54.7200Z
4 Min

Die Sozialdemokraten wollten das Thema offensichtlich ganz weit oben auf die politische Agenda setzen. Und so trat am vergangenen Freitagmorgen dann auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier persönlich ans Rednerpult, um den ambitionierten Antrag der SPD zur Förderung der Kreativwirtschaft (17/12382) in die parlamentarische Beratung einzubringen. Ein Umstand, der ihm aus den Reihen der Koalitionsfraktionen im Verlauf der Debatte so manch launige Spitze eintrug. Bislang sei er nicht als Kulturpolitiker aufgefallen, musste er sich beispielsweise vom kulturpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Wolfang Börnsen, anhören.

Mit durchaus positiven Zahlen führte Steinmeier die Parlamentarier zum Kern des Themas. Die Kreativwirtschaft bewege sich in Deutschland mit einem Jahresumsatz von mehr als 137 Milliarden Euro und rund einer Million Beschäftigten auf Augenhöhe mit der Automobilindustrie oder der Chemiebranche.

Unter dem etwas sperrigen Begriff Kreativwirtschaft werden eine ganze Reihe von unterschiedlichen Branchen zusammengefasst: der Buch- und Musikmarkt, die Film- und Fernsehbranche, die Presse, die bildende und darstellende Kunst, Architektur und Design, aber auch die Werbewirtschaft und Computerspiele-Entwickler. Sprich alle Bereiche, in denen Künstler, Publizisten, Kulturschaffende und andere kreative Menschen tätig sind und damit Geld verdienen.

Urheberrecht

Doch neben den positiven Zahlen, die Steinmeier zu verkünden hatte, übte er vor allem Kritik an der Regierungskoalition. Der fehlt es aus Sicht der SPD an einem Gesamtkonzept für die Kreativwirtschaft. Dies fange beim Urheberrecht an, das die Koalition entgegen eigener Ankündigungen noch immer nicht an die Herausforderungen des digitalen Zeitalters angepasst habe. Noch immer würden die Urheber darauf warten, dass ihre Interessen gegenüber den Verwertern fair und an- gemessen berücksichtigt werden, bemängelte Steinmeier. Künstlerische Leistungen müssten angemessen vergütet werden.

Sorgen bereitet der SPD auch die soziale Lage vieler Künstler und Kulturschaffender. Der jährliche Jahresverdienst der rund 180.000 selbstständigen Künstler und Publizisten, die in der Künstlersozialkasse (KSK) versichert sind, betrage gerade mal 14.000 Euro, rechnen die Sozialdemokraten in ihrem Antrag vor. Weitere 100.000 Selbstständige im Kulturbereich würden die Voraussetzungen für die Aufnahme in die KSK nicht erfüllen. Die SPD fordert deshalb Vorschläge von der Regierung, wie Selbstständigen und Kleinunternehmern der Zugang in die sozialen Sicherungssysteme ermöglicht werden kann. Eine Gesellschaft, "die ihre Künstler nicht wertschätzt", so befand Steinmeier, schätzt sich schließlich selbst nicht wert.

Nachbesserungsbedarf sieht die SPD auch beim Ausbau der Breitbandnetze für die Nutzung des Internets, das gerade für die Kreativwirtschaft eine entscheidende Rolle spiele. Zudem fehle es an einem modernisierten Datenschutzrecht.

Kompetenzzentrum

Bei den Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung stieß Steinmeier mit seiner Kritik und den Forderungen seiner Fraktion jedoch auf Ablehnung bis Unverständnis. Die Kreativwirtschaft habe eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Union und FDP hatten einen gemeinsamen Antrag (17/12383) eingebracht, in dem sie den Kurs der Regierung loben. Allenfalls Prüfaufträge erteilen sie an das Kabinett, in welchen Bereichen nachgebessert werden könnte. Wer eine gute Politik mache, der dürfe dies doch auch in einem Antrag formulieren, befand der CDU-Kulturpolitiker Marco Wanderwitz, und reagierte damit auf den Vorwurf Steinmeiers, die Koalition wolle sich offenbar auf alten Lorbeeren ausruhen. Auch die CSU-Parlamentarierin Dagmar Wöhrl bescheinigte der Regierung gute Arbeit, die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft habe sich bewährt und sollte fortgesetzt werden. Beispielhaft führte sie das im Jahr 2009 geschaffene Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft in Eschborn und seine acht Regionalbüros an. Dies leiste ganz konkrete Hilfestellung und Beratung für die Kreativen in der Gesellschaft - etwa beim Zugang zu Fördermöglichkeiten, bei der Professionalisierung und Weiterbildung.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), hielt Steinmeier vor, dass die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft von SPD und Union in der Großen Koalition gestartet worden sei. Die christlich-liberale Koalition habe diese Initiative nicht nur fortgesetzt, sondern auch die Haushaltsmittel dafür erhöht. Er verstehe nicht, "was es daran zu mäkeln" gebe. Otto warf der SPD vor, ihre Forderungen nach besserer sozialer Absicherung für Kulturschaffende erinnere an Vorstellungen von "Staatskünstlern".

Künstlersozialkasse

Unterstützung für die Forderungen der SPD kam hingegen aus den anderen beiden Oppositionsfraktionen. In der Tat sei der SPD-Antrag deutlich näher an der Lebensrealität als das Eigenlob der Koalition, befand Petra Sitte, Sprecherin der Linksfraktion für Wirtschaft und Technologie. Schwarz-gelb habe den Strukturwandel in der Kreativwirtschaft noch immer nicht verstanden und ignoriere die Probleme. Sitte mahnte die Reform des Urheber- und Urhebervertragsrecht an. Ihre Fraktion habe in den vergangenen drei Jahren konkrete Vorschläge gemacht, wie die Vergütung von Urhebern verbessert kann. Sitte sprach sich ebenfalls für eine Öffnung der Künstlersozialkasse für einen größeren Personenkreis aus. Um dies zu finanzieren, müssten alle Verwerter künstlerischer Leistungen in die KSK einzahlen.

Auch Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, lobte den SPD-Antrag als Anstoß für die Debatte über die Rahmenbedingungen der Kreativwirtschaft. So komme der Ausbau der Breitbandversorgung in ländlichen Regionen nicht voran. Dies gehe auf das Konto der Regierung. Eine flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetzugängen sei für die Kreativen jedoch von zentraler Bedeutung, argumentierte Rößner: "Wo keine Produzenten sind, da sind auch keine Konsumenten."