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Alter Streit zum 8. März

GleichSTELLUNG Die Opposition fordert Gesetze, die Koalition setzt auf einen Mentalitätswandel

04.03.2013
2023-08-30T12:23:54.7200Z
5 Min

Freiwilligkeit kontra gesetzliche Vorgaben - an dieser Frontlinie verlief vergangenen Freitag der Streit zwischen Koalition und Opposition anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentags am 8. März über den richtigen Weg in der Gleichstellungspolitik. Während SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ihre Forderungen nach einem Entgeltgleichheitsgesetz, nach einer verbindlichen Frauenquote für Aufsichtsräte und Führungsetagen börsennotierter Unternehmen sowie der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erneuerten, wollen Union und FDP die Benachteiligung von Frauen durch einen Mentalitätswandel in Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben.

Zumindest in der Problembeschreibung sind sich Koalition und Opposition in weiten Teilen einig. Seit Jahren unverändert verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich rund 22 Prozent weniger als Männer. Damit liegt die Bundesrepublik auf den untersten Plätzen innerhalb der Europäischen Union. In der EU liegt der Verdienstunterschied bei durchschnittlich 16 Prozent.

Die Ursachen für diesen sogenannten "gender gap" sind vielfältig. So ergreifen Frauen öfter als Männer schlecht bezahlte Berufe und arbeiten häufiger in Teilzeit. Ein Ingenieur verdiene eben mehr als eine Germanistin, argumentierte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Frauen müssten deshalb ermutigt werden, verstärkt in die klassischen Männerberufe vorzudringen. Sie räumte allerdings ein, dass oft dieselben Tätigkeiten in den klassischen Frauenberufen niedriger eingestuft würden als in klassichen Männerdomänen. So schlage sich das Heben schwerer Lasten auf dem Lohnzettel eines Müllmanns nieder, auf dem einer Krankenpflegerin jedoch nicht.

Zu den Hauptursachen des gender gap gehören jedoch die familienbedingten Karriereunterbrechungen von Frauen. Nach Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit ist es für Frauen mitunter extrem schwierig, wieder in ihrem alten Beruf Fuß zu fassen. Auch den Karrierevorsprung der Männer aus dieser Zeit holen Frauen in den seltensten Fällen wieder auf. So beträgt der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen beim Berufseinstieg gerade einmal zwei Prozent, rechnete Ministerin Schröder vor. Bei den 35- bis 44-Jährigen betrage er hingegen durchschnittlich 24 Prozent. Deswegen, so lautet die Argumentation Schröders und der Koalitionsfraktionen, nütze auch ein Entgeltgleichheitsgesetz nichts. Denn es beseitige eben nicht die strukturellen Nachteile von Frauen. Gefragt sei vielmehr ein "Mentalitätswandel" in den Unternehmen, um die Benachteiligungen von Frauen abzubauen, sagte Schröder. Die Wirtschaft müsse ihre Arbeitsstrukturen von der alten "Präsenzkultur" zu einer "Effizienzkultur" umbauen.

Gehaltsstrukturen

Fakt ist allerdings auch, dass Frauen selbst nach Abzug der angeführten strukturellen Benachteiligungen noch immer durchschnittlich acht Prozent weniger verdienen als Männer - und zwar für die gleiche Arbeit. Deshalb plädieren Sozialdemokraten, Grüne und Linke einmütig für ein Entgeltgleichheitsgesetz, das für gleichwertige Arbeit auch die gleiche Bezahlung festschreibt. Nach den Vorstellungen der SPD sollen zudem alle Betriebe mit mehr als 15 Beschäftigten verpflichtet werden, ihre Gehaltsstrukturen offenzulegen.

Solche Forderungen stoßen bei der Koalition jedoch auf strikte Ablehnung. Zum einen führten die Maßnahmen lediglich zu mehr Bürokratie, und zum anderen stellten sie einen Eingriff in die Tarifautonomie dar, führte die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bracht-Bendt, an. Sie zeigte sich wie andere Redner der Koalition optimistisch, dass sich das Problem der ungleichen Bezahlung in den kommenden Jahren von selbst erledige. So werde der Fachkräftemangel in vielen Branchen dazu führen, dass die Wirtschaft verstärkt auf die Potenziale von Frauen zurückgreifen wird.

Analog verlaufen die Argumentationsmuster auch bei der Frage, wie der Anteil von Frauen in den Führungsetagen der Wirtschaft zu erhöhen ist. Die Oppposition möchte dies durch gesetzliche Frauenquoten für Aufsichtsräte und Vorstände börsennotierter Unternehmen erreichen. Familienministerin Schröder lehnt dies jedoch ab und verweist auf ihr Modell der sogenannten Flexi-Quote. Nach dieser sollen sich die Unternehmen selbst individuelle Quoten geben und diese öffentlich machen. Schröder erhofft sich davon eine Art von Wettbewerb zwischen den Unternehmen.

Unumstritten ist die Quoten-Frage jedoch auch in den Koalitionsfraktionen nicht. Zu oft hatte die Wirtchaft ähnliche Selbstverpflichtungen ohne Konsequenzen unterlaufen. So häufen sich vor allem die weiblichen Stimmen in der Union, die nach verbindlichen Quoten rufen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf der Regierungskoalition deshalb vor, sie flüchte sich in die "Simulation von Politik". Schwarz-Gelb streite zwar öffentlichkeitswirksam über den Vorstoß von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine Frauenquote in Aufsichtsräten, dies schlage sich aber nicht in ihrem politischen Handeln nieder. Ministerin Schröder belasse es immer wieder bei der durchaus zutreffenden Beschreibung der Wirklichkeit, wenn es um die Benachteiligung von Frauen gehe, sie ziehe jedoch keine Konsequenzen daraus, kritisierte Künast. Diesem Urteil schlossen sich auch die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, und Barbara Höll von der Linksfraktion an. Schröder habe ihre Aufgabe als Ministerin "definitiv nicht verstanden", schimpfte Marks. Die vier schwarz-gelben Regierungsjahre seien für die Frauen und die Gleichstellung verlorene Jahre gewesen. Die Ministerin habe in ihrer Amtszeit keinen konkreten und richtigen Vorschlag zur Lösung der Probleme gemacht, legte Höll nach.

Familienfreundlichkeit

Zumindest verbale Einigkeit herrscht zwischen Koalition und Opposition bei der Forderung nach familienfreundlicheren Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft. So müsse es Frauen vereinfacht werden, nach Mutterschutz und Elternzeit wieder im Beruf Fuß fassen zu können. Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Dorothee Bär (CSU), schloss sich sogar der Forderung der Opposition nach einem Recht für Frauen zur Rückkehr in die Vollzeitbeschäftigung an. Zugleich warnte sie eindringlich davor, Frauen immer nur unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Es könne nicht sein, dass Frauen regelrecht dazu genötigt würden, nach einer Geburt möglichst schnell wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Die Koalition habe jungen Eltern deshalb durch den Kita-Ausbau und das Betreuungsgeld eine "echte Wahlfreiheit" gegeben. Ein Einheitsmodell dürfe es nicht geben.

Den Ausbau von Kindertagesstätten schreiben sich allerdings auch, beziehungsweise gerade die Oppositionsfraktionen auf die Fahnen. Dieser müsse energisch vorangetrieben werden. Hingegen müssten alle staatlichen Leistungen, die Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten, abgeschafft werden. Dazu gehören nach übereinstimmender Ansicht von SPD, Grünen und Linken vor allem das Betreuungsgeld und das Ehegattensplitting.