Piwik Webtracking Image

Projekt für Jahrzehnte

ASSE Bundestag beschließt fraktionsübergreifend Gesetz zur schnelleren Rückholung radioaktiven Abfalls

04.03.2013
2023-08-30T12:23:55.7200Z
4 Min

Streit, Querelen und gegenseitige Schuldzuweisungen sind Teil des politischen Geschäfts. Bei der Verabschiedung des "Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II" (17/11822) war das genaue Gegenteil zu spüren: Erleichterung, gegenseitiges Einverständnis und viel Dank und Anerkennung für die jeweils andere Fraktion. "Weil alle gemeinsam daran gearbeitet haben, haben wir es geschafft, den Entwurf zur Rückholung radioaktiver Abfälle tatsächlich fertigzustellen", sagte die Staatssekretärin im Umweltministerium Ursula Heinen-Esser (CDU), die für ihr sachkundiges Engagement von allen Seiten ebenfalls viel Lob erhielt. Das Gesetz, das in der Sache einfach klingt, bedeutet in der Wirklichkeit das Ende jahrelanger Streitigkeiten um eine der schwierigsten radioaktiven Altlasten der Bundesrepublik: die marode Schachtanlage Asse II in Niedersachsen.

Jahrelanger Streit

Im dem ehemaligen Salzbergwerk wurden von 1967 bis 1978 insgesamt rund 126.000 Fässer und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Das Bergwerk gilt heute als einsturzgefährdet, der genaue Zustand der Fässer ist nicht bekannt. 2009 wurde das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Betreiber der Anlage. Die Stilllegung der Anlage wurde beschlossen. Vorausgegangen waren jahrelange Streitigkeiten, ob und wenn ja wie der Abfall geborgen werden sollte. Ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen und engagierten Bewohnern, die Asse-Begleitgruppe, kämpfte jahrelang intensiv für eine Rückholung der Fässer und gegen eine Vollverfüllung der Anlage. Da die Arbeiten aufgrund einer Reihe von Vorschriften sehr viel langsamer als geplant vorangingen, entschlossen sich Vertreterinnen aller fünf Fraktionen des Umweltausschusses zum Handeln. Nach intensiven Beratungen mit den zuständigen Ministerien von Bund und Ländern sowie den Bürgern vor Ort, legten sie im Dezember 2012 einen Gesetzentwurf vor, mit dem Ziel, die Arbeiten in der Asse zu beschleunigen. "Wir haben alle gemerkt und gelernt, dass sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Industrie bei den Vorgängen rund um die Asse nicht mit Ruhm bekleckert haben", sagte Maria Flachsbarth (CDU) selbstkritisch.

Daraus sei die Überzeugung gewachsen, dass "wir das Ganze aus dem politischen Streit herausholen müssen", sagte sie. Ein wenig politischen Streit gab es dann aber doch noch: Denn obwohl die Fraktion Die Linke an der Ausarbeitung des Gesetzes intensiv mitgearbeitet hatte, fehlte ihr Name auf dem Kopf des Gesetzentwurfs. Der Grund: Die CDU/CSU lehnt es prinzipiell ab, mit der Fraktion Die Linke im Parlament zusammenzuarbeiten, so auch bei diesem fraktionsübergreifenden Antrag. Eine Tatsache, die Ute Vogt (SPD) als "Wermutstropfen" und Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) als "extrem bedauerlich" kritisierte, weil ein solches Gesetz, das Vertrauen sehr viele Menschen brauche und ein "Bruch der Geschlossenheit des Parlaments" bedeute. Als Reaktion erklärte Die Linke, dass sie dem Gesetzentwurf nicht zustimmen werde. Sie brachte vielmehr sechs Änderungsanträge ein, mit denen sie mögliche "Hintertüren" verhindert möchte, die die Rückholung doch noch verhindern oder verzögern könnten, sagte Linken-Abgeordnete Dorothée Menzner. "Uns fehlt die deutliche Feststellung des Klagerechts für den Fall, dass eines Tages über den Abbruch entschieden werden muss", sagte sie und forderte zudem die Rechtfertigungspflicht für die Rückholung aufzuheben

In den wesentlichen Fragen herrscht zwischen den Asse-Berichterstatterinnen aber Einigkeit, vor allem darin, dass schnell gehandelt werden muss: "Die Zeit drängt", sagte Maria Flachsbarth und berichtete, dass die Standfestigkeit der Grube auch durch den unkontrollierten Zutritt von Laugen weiterhin gefährdet sei. Sie sprach auch die Sorge vieler Bürger vor Ort an, dass in Wirklichkeit eine Stilllegung ohne Rückholung vorbereitet werde. "Ich widerspreche dem mit Nachdruck", sagte sie uns versprach, dass der Umweltausschuss alle Vorgänge in der Asse kritisch mitbegleiten werden. Eines jedoch könne sie aber nicht zusichern: "Wir können hier im Deutschen Bundestag nicht das Gelingen der Rückholung versprechen." Auch Sylvia Kotting-Uhl machte deutlich: "Weder der Bundestag noch irgendein Gesetz kann die Rückholung garantieren". Man könne nur versprechen, "dass wir alles tun, damit sie gelingt".

Oberste Priorität

Auch Michael Kauch (FDP) machte deutlich, dass die "Rückholung Priorität" hat. Dabei dürfe man nicht "die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten vergessen", warnte er. Es müssten daher auch die Grenzen der Rückholoption aufgezeigt werden, "nämlich dann, wenn die Beschäftigten nicht mehr sicher ins Bergwerk einfahren können", erklärte er. Auch dies gehöre zur Wahrheit des Gesetzentwurfs. Ute Vogt (SPD) wollte ebenfalls eines nicht verschweigen: die Kosten. "Die Schätzungen gehen im Moment von vier bis sechs Milliarden Euro aus", sagte sie. Zudem könne es aus technischen Gründen noch viele Jahre dauern, bis die Abfälle wirklich zurückgeholt werden könnten. Sie nannte einen Zeithorizont von zehn Jahren, bis man die Abfälle nicht nur erfolgreich geborgen, sondern auch neu verpackt und an anderer Stelle eingelagert habe. Genau dort zeichnet sich aber bereits das nächste Problem ab: die Frage eines Endlagers für hochradioaktiven Müll. Matthias Miersch (SPD) zitierte dafür aus dem Entwurf des dafür geplanten Gesetzes. Es werde dafür ein Standort gesucht, der eine bestmögliche Sicherheit über eine Million Jahre gewährleiste, sagte er. Mit der Asse habe man hingegen auf Zusicherungen vertraut, "die nicht einmal 50 Jahre gehalten haben".