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Kurz notiert

08.04.2013
2023-08-30T12:23:57.7200Z
12 Min

Das Jahr 1989 wird für ihn immer ein besonderes Datum bleiben. Nicht nur, weil die friedliche Revolution in der DDR ihm die Freiheit brachte, sich für einen Lebensweg zu entscheiden. "Damals begann auch mein politisches Engagement bei den Jusos", sagt Axel Brückom, "und ich war froh, dass ich dort mitmachen konnte, wo schon meine großen politischen Vorbilder Helmut Schmidt und Willy Brandt gewirkt haben." Parallel zum praktischen Engagement setzte er seine Leidenschaft auch bei der Berufswahl um: bei einem Studium der Politikwissenschaft.

Anders als die beiden SPD-Politiker aber sieht der 41-Jährige seine Spielwiese auf dem Feld der Kommunalpolitik. Er ist Abgeordneter im Chemnitzer Stadtrat, ist dort Vorsitzender der SPD-Fraktion. "Für mich ist Politik auf der kommunalen Ebene am greifbarsten. Man kann Dinge direkt vor Ort beeinflussen und sieht unmittelbar, worüber man entschieden hat." Besonders stolz mache ihn, dass es ihm mit seiner Fraktion in Chemnitz gelungen sei, viel Geld in die Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten zu leiten. "Inzwischen gibt es dabei auch Hilfe vom Freistaat, aber zu Beginn haben wir das aus eigener Kraft geschafft. Das ist eine große Sache", sagt der dreifache Vater.

Hauptberuflich leitet Brückom die Chemnitzer Niederlassung einer großen Bildungseinrichtung. Eine anspruchsvolle Aufgabe - und trotzdem nimmt er sich wöchentlich zwischen zehn und 15 Stunden Zeit für die Politik. Ehrenamtlich. "Klar hat man auch immer wieder mal Frust und fragt sich: Warum tue ich mir das an? Wenn man bei einer Abstimmung mit Pauken und Trompeten scheitert, obwohl ganz klar ist, dass damit der falsche Weg eingeschlagen wird oder sich merkwürdige Mehrheiten durchsetzen, ist das besonders gravierend." Doch nie sei sein Ärger so groß gewesen, dass er ernsthaft darüber nachgedacht habe, wirklich alles hinzuschmeißen.

Bei aller Begeisterung: Ambitionen, in die wirklich "große Politik" zu gehen, hat Brückom nicht. Aus einer tiefen Überzeugung: "Ich bin mir sicher, dass man sich nie von der Politik abhängig machen sollte. Wer Politik zum Broterwerb macht, der wird Teil der Mandats- erhaltungs-Maschinerie, der ist nicht mehr frei und hat immer im Hinterkopf, dass er sich die nächste Aufstellung sichern muss. Das wird mit nicht passieren: Wenn ich nicht mehr gewählt werde, habe ich meinen Beruf und meine wirtschaftliche Existenz steht nicht in Frage." Brückom hat keine Lust auf Strippenziehereien oder Hinterzimmergespräche, er will sich den Spaß am politischen Handeln nicht nehmen lassen. Wer darauf keine Lust habe, dürfe hinterher nicht meckern: "Wenn ich nicht selbst mitmache, entscheidet ein anderer für mich und ich weiß nicht, ob das in meinem Sinne ist. Also kümmere ich mich lieber selbst."

Welchen Unterschied es macht, ob eine Stadt kindergerecht ist oder nicht, erlebt Federico Busarello momentan am eigenen Leib. Der 39-jährige FDP-Lokalpolitiker ist momentan in Elternzeit mit seiner einjährigen Tochter. Wenn er in Stuttgart mit dem Kinderwagen unterwegs ist, ärgert er sich über jeden nicht abgesenkten Bordstein. Vor 14 Jahren, noch als Student, ist er den Jungen Liberalen beigetreten. Heute ist er Mitglied des Stuttgarter FDP-Vorstandes, vor zweieinhalb Jahren wurde er in den Bezirksbeirat Ost gewählt. Sein großes Thema dort ist die Beruhigung des Verkehrs - in der Autostadt Stuttgart sind da harte Bretter zu bohren. Busarello möchte, dass vor jedem Kindergarten und jeder Schule Tempo 30 und ein absolutes Halteverbot für Autos gilt. Dafür muss er Verbündete finden, denn im Bezirksbeirat Ost ist er der einzige Vertreter der Liberalen. Allerdings sind die politischen Bündnisse in der Lokalpolitik weniger starr als in der Bundespolitik. Federico Busarello hat deshalb gute Chancen, dass seine Anträge auch von Grünen oder Sozialdemokraten unterstützt werden.

Gegen den Vorwurf, als FDP-Politiker ein "Neoliberaler" zu sein, verwahrt Busarello sich entschieden. Er sieht sich selber als "Sozialliberaler", den das soziale Engagement seiner Eltern - seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Italiener - und seiner Großeltern geprägt hat. Schon als Kind half er mit, wenn die evangelische Kirche Essen an Bedürftige verteilte, in der Grundschule ließ er sich zum Klassensprecher wählen. Auch bei der FDP sieht er einen "starken sozialen Flügel", der in der Zukunft eine größere Rolle spielen könnte - mittelfristig hofft er auf eine rot-gelbe Koalition wie zu Zeiten Willy Brandts.

Obwohl in Stuttgart fast jeder zweite Bürger aus der Türkei, aus Italien, Griechenland oder Russland stammt, spiegelt sich das in der Lokalpolitik bislang nicht. Federico Busarello bedauert das. Die Parteien hätten das Potenzial dieser Gruppen vernachlässigt, findet er. "Ich erlebe aber auch, dass beispielsweise in der italienischen Community viele gut integriert, aber unpolitisch sind", erzählt er. Allerdings wachse der Anteil derjenigen Migranten, die gut Deutsch sprechen, gut integriert sind und sich deswegen auch ein politisches Amt zutrauen.

Etwa zehn Stunden in der Woche bringt Federico Busarello, der als selbstständiger Immobilienberater arbeitet, für sein politisches Engagement auf: Für Sitzungen, die Vorbereitung von Dokumenten und Gespräche mit Bürgern, die ihn seit seiner Wahl zum Bezirksbeirat häufig auch auf der Straße ansprechen. Trotz der minimalen Aufwandsentschädigung kann Busarello sich nicht vorstellen, auf sein politisches Engagement zu verzichten.

Sarah Fingarow wollte am Anfang vor allem anders sein als jene, die an der Macht waren. "Damals war das nur so ein Rebellieren gegen das, was mich stört." Zum Beispiel der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Oder Rechtsradikale in ihrem Kiez. In der neunten Klasse absolvierte sie ein Schulpraktikum bei einem Buchhändler. "Der wurde von Nazis angeschossen", erzählt die 26-Jährige. Im Haus habe Gregor Gysi sein Büro gehabt, der Händler selbst sei linksorientiert gewesen. 2001 tritt sie der Jugendorganisation Solid der Partei Die Linke bei, 2006 wird sie Parteimitglied. Sie folgt damit ihrem Vater, der ebenfalls Mitglied war. Heute sitzt sie in der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Marzahn-Hellersdorf. Rund 20 Stunden die Woche engagiert sie sich für die Partei. "Inzwischen ist meine Motivation, etwas verändern zu wollen", sagt Fingarow.

Einmal im Monat kommt die Versammlung zusammen. Die Lehramtsstudentin - Arbeitslehre und Sozialkunde - ist Sprecherin für Bildung und Gleichstellung ihrer Fraktion. Sie engagiert sich daher auch in den Ausschüssen für Schule und Sport sowie Gleichstellung und Menschen mit Behinderung. "Auch die tagen jeweils einmal im Monat. Meist sind es Abendtermine, weil ja alle ehrenamtlich arbeiten." Die Linke ist mit 19 Sitzen die stärkste Fraktion, sieht sich aber einer Zählgemeinschaft aus CDU, SPD und Grünen gegenüber. So hat Fingarow sich kürzlich mit ihren Kollegen geschlagen geben müssen, als ihre Gegner im Parlament partout nicht mehr einen Antrag zum Equal Pay Day auf die Tagesordnung nehmen wollten. Ja, sagt sie, die langen Sitzungen könnten schon ermüden. "Was mich immer wahnsinnig auf die Palme bringt: Wenn ich in einer Versammlung sitze und die Leute etwas tausendmal wiederholen. Nach dem Motto ,Jeder hat es schon gesagt, nur ich nicht'", sagt Fingarow. Sie hofft aber weiterhin, etwas verändern zu können. "Wenn man Leuten direkt helfen kann" - das treibe sie an. "Das ist das Schöne an Kommunalpolitik, da geht es um die ganz kleinen Dinge." Ihr Traum: "Dass der Bezirk dieses schlechte Image los wird. Dass die Menschen in diesem Bezirk glücklich sind."

Seit drei Jahren ist Fingarow außerdem im Vorstand ihres Bezirksverbandes. Dort organisiert sie unter anderem einmal im Monat ein Frauentreffen. Weiter engagieren will sie sich auf jeden Fall. Auch in der Bundespolitik? "Ich würde es nicht ausschließen, strebe es aber nicht an", sagt sie. Ihr langfristiges Ziel: Ein besseres Bildungssystem. "Ich schließe es auch nicht aus, Bildungswissenschaften zu studieren und später Lehrpläne zu schreiben." Letztlich komme es für sie darauf an, wo sie größere Chancen hat, etwas zu verändern.

Als Sabine Mundle 1989 der Sindelfinger Ortsgruppe der Grünen ihre Hilfe anbot, dachte sie zuerst eher daran, Plakate zu kleben. Doch dann wurde sie gefragt, ob sie nicht lieber kandidieren will. Die damals 29-Jährige wurde aufgestellt und sofort in den sogenannten Ortschaftsrat des Stadtteils Darmsheim gewählt. "Ich war keine gebürtige Darmsheimerin, dazu noch eine Frau und eine Grüne, die damals den Ruf hatten, alles aufmischen zu wollen." Von manchem alteingesessenem Lokalpolitiker sei sie da schon misstrauisch beäugt worden, erzählt sie. Schnell erarbeitete sie sich aber die Wertschätzung der Kollegen. Im Gegensatz zu den ersten grünen Bundestagsabgeordneten in Bonn sei sie zu den Sitzungen allerdings nicht in selbstgestrickten Pullovern, sondern eher klassisch gekleidet erschienen, erzählt die Pädagogin.

Beruflich hatte sich Sabine Mundle zunächst zur Arzthelferin ausbilden lassen, später studierte sie auf Grund- und Hauptschullehramt. Seit mehr als zehn Jahren ist sie selber Rektorin einer Sindelfinger Grundschule. Politisiert wurde die heute 53-Jährige wie viele in ihrer Generation durch den Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986. Über eine Bürgerinitiative lernte sie dann grüne Aktivisten kennen und schloss sich ihnen an. In der Lokalpolitik hat sie sich folgerichtig vor allem mit Bildungs- und Energiethemen beschäftigt, erzählt sie.

Im Sindelfinger Gemeinderat, in den sie einige Jahre später gewählt wurde, hat sie beispielsweise zusammen mit anderen verhindert, dass der Raum für die neue Kleinkindergruppe einer Kita auf das Dach des bestehenden Gebäudes gebaut wurde - "da hätten die Kleinen schließlich jeden Tag endlos Treppen steigen müssen", erklärt sie. Es sind Erfolge, die von Weitem klein erscheinen, für die betroffenen Familien aber sehr wichtig sind.

Stärker als Bundes- oder Landespolitik ist Lokalpolitik vielerorts eine Männerdomäne geblieben. Das merkte Sabine Mundle vor allem im Kreistag des Landkreises Böblingen. "Dort haben die ganzen Bürgermeister ihren Sitz, überwiegend ältere Männer von der CDU oder den Freien Wählern", erzählt sie. Anträge durchzubringen sei dort fast unmöglich gewesen, bei ihren Reden wurde dazwischengerufen. Sie ist stolz darauf, dass sie sich mit der Zeit aber auch dort Respekt und Akzeptanz erarbeitet hat. Was sie allerdings schade findet: Dass besonders junge Mütter und Väter selten den Weg in die Lokalpolitik finden. Überraschend sei das nicht: Die Dreifachbelastung durch Beruf, Familie und politisches Engagement würden eben nur sehr wenige schultern wollen oder können. Sabine Mundle hat selber keine Kinder - sich für ihre Belange einzusetzen, sei aber eine ihrer stärksten Motivationen in der Politik, sagt sie.

Manchmal denkt Sebastian Brehm darüber nach, wie sein Leben ohne Politik aussehen würde. Ohne lange Stadtratssitzungen, Straßenwahlkampf und Diskussionsveranstaltungen zu Schulneubauten und der Zukunft des Nürnberger Obstmarkts. "Entspannter wäre es mit Sicherheit", sagt der 41-Jährige, "aber mir würde etwas ganz Wichtiges fehlen. Ich habe mit 13 angefangen. Das prägt." Damals kämpfte er für kostenlose Schülertickets, mehr Mitbestimmung an Schulen und die Abschaffung der Sperrstunde.

Inzwischen ist Brehm Vorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion in Nürnberg. Heute argumentiert er gegen die Idee, flächendeckend Tempo 30 in der Stadt einzuführen, und fordert ein Programm, um der katastrophalen Hortplatzsituation zu begegnen. Der selbstständige Steuerberater will mehr: Er hofft, im nächsten Jahr Oberbürgermeister zu werden. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der SPD-Amtsinhaber ist beliebt. Angst vor einer Niederlage hat Brehm nicht. "Ich mache das, weil ich meine Stadt liebe und mich darüber ärgere, dass nichts vorangeht. Im Moment schläft die Stadt ein. Da muss ich einfach versuchen, es besser zu machen und anpacken." Auf Fußballplätzen und Märkten, in Vereinen und auf Bürgerversammlungen kämpft er um Stimmen. Dass viele auf einen solches Pensum keine Lust haben, kann er verstehen. "Im Moment arbeite ich früh morgens bis spät in der Nacht. Das ist natürlich anstrengend. Wer dann nicht mit Begeisterung und Herzblut zu den Veranstaltungen geht, der schafft so ein Pensum nicht." Kommunalpolitik sei ganz sicher Kärrnerarbeit, "aber eben auch genau das, was das Leben konkret beeinflusst. Wenn ich mit dem Bus durch die Stadt fahre, kann ich an jeder Ecke sagen: Hier haben wir das gemacht, dort dies. Kommunalpolitik bringt unmittelbare Ergebnisse."

Auch an die Beobachtung als Politiker hat sich Brehm gewöhnt. "Wir sind ja auf eine bestimmte Art Vorbilder. Ich weiß: Ich muss diese Vorbildrolle leben, sonst steht es morgen in der Zeitung, aber ich lebe diese Vorbildrolle gerne." Er habe getan, was möglich war, um sich nicht angreifbar zu machen. "Ich weiß genau, dass mein Hintergrund auf allen Ebenen überprüft wird." Der Politikstil ändert sich, sagt Brehm, "die Leute wollen ja keine aalglatten Politiker, die immer dieselben Phrasen von sich geben, sondern Volksvertreter mit Charakter. Was man vor der Wahl verspricht, sollte man nach der Wahl auch zügig umsetzen."

Konservative, Liberale, Katholiken und Sozialisten: Vier politische Grundströmungen haben die Parteienlandschaft in Deutschland von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1933 geprägt. Ein Überblick über wichtige Parteien in Kaiserreich und Weimarer Republik:

LIBERALE 1861 ging die Deutsche Fortschrittspartei aus einem Zusammenschluss liberaler Parlamentarier im preußischen Abgeordnetenhaus hervor. Zu den programmatischen Zielen zählten die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung, Rechtsstaatlichkeit und ein starkes Parlament. 1867 gründete sich die Nationalliberale Partei als Abspaltung der Fortschrittspartei: Sie galt als Partei des protestantischen Besitz- und Bildungsbürgertums sowie zunehmend auch der Großindustriellen und -unternehmer. Die Nationalliberalen unterstützten die Gründung des Deutschen Kaiserreichs, traten für den parlamentarischen Rechtsstaat ein und setzten auf die Entwicklung Deutschlands zu einer modernen Industrienation. Die nationalliberale Tradition setzte in der Weimarer Zeit die Deutsche Volkspartei (DVP) fort, die Deutsche Demokratische Partei (DDP, ab 1930 Deutsche Staatspartei) stellte sich demgegenüber in eine sozialliberale Tradition.

KONSERVATIVE Die 1867 gegründete Freikonservative Partei stellte sich von Anfang an konsequent hinter den Kurs des späteren Reichskanzlers Otto von Bismarck und galt auch über dessen Amtszeit hinaus als Verfechterin des Regierungskurses. Zum Ausdruck kommt dies ab 1871 mit ihrer Selbstbezeichnung als Deutsche Reichspartei. Sie vertrat vor allem die Interessen von Agrariern und Industrie, des Adels und des gehobenen Beamtentums. Auch die Deutschkonservative Partei galt vor allem als Interessenvertretung preußischer Eliten, insbesondere Großgrundbesitzer waren die Honoratioren der Partei. Sie positionierte sich mit sozialkonservativen Forderung und zwischenzeitlich scharf antisemitischen Tönen gegen Liberalisierungen in der Wirtschafts- und Innenpolitik. In der Weimarer Republik stellte sich vor allem die Deutsche Nationale Volkspartei in die nationalkonservative Tradition.

POLITISCHER KATHOLIZISMUS Im Unterschied zu den meisten Parteien im Kaiserreich erreichte die 1870 gegründete katholische Zentrumspartei alle sozialen Schichten: So konnte das Zentrum durch sein sozialpolitisches Profil auch Arbeiter an sich binden. Im Konflikt zwischen Reich und Katholischer Kirche ("Kulturkampf") pochte das Zentrum auf die Interessen der Katholiken in Deutschland und die Unabhängigkeit der Kirche. In der Weimarer Nationalversammlung bildete das Zentrum mit der SPD und der Deutschen Demokratischen Partei die Weimarer Koalition.

SOZIALISTEN 1875 schlossen sich der bereits 1863 gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein sowie die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zusammen. Die SAP verstand sich als fundamentale Opposition zum politischen Systems des Kaiserreichs - und wurde 1878 durch das Gesetz "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" verboten. Die 1890 als Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) wiedergegründete Partei vertrat vor allem die Interessen der Arbeiterschaft und prägte durch ihren hohen Organisationsgrad das soziokulturelle Milieu ihrer Anhänger entscheidend. 1917 spaltete sich die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ab - unter anderem wegen SPD-interner Differenzen zur Bewilligung von Kriegskrediten. 1918 gründete sich die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in Abgrenzung zu den als zu gemäßigt empfundenen Sozialdemokraten.

Kennzeichnend für das politische System in Deutschland ist die Konzentration auf einige wenige Parteien. Derzeit sind in den Fraktionen im Bundestag folgende Parteien vertreten:

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) wurde 1945 in Berlin und im Rheinland gegründet, Mit der deutschen Teilung zerfiel sie in eine West- und Ost-CDU. Beide Parteien vereinigten sich 1990 zur gesamtdeutschen CDU Deutschlands. Die Partei versteht sich als interkonfessionelle Volkspartei unter Betonung christlicher Werte. Sie setzt sich für die soziale Marktwirtschaft, ein vereintes Europa und die transatlantische Allianz ein. Die Partei verzeichnete Ende 2012 bundesweit rund 476.000 Mitglieder.

Die Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU) entstand 1946 vorwiegend aus Anhängern der früheren Bayerischen Volkspartei (BVP). Die CSU versteht sich als konservative, liberale und soziale Partei - und kandidiert nur in Bayern. Zwar gilt sie insgesamt als konservativer als die CDU, zeigt aber in wirtschafts-, sozialpolitischen und kulturpolitischen Fragen ein hohes Maß an Übereinstimmung. Die CSU verfügt über 148.000 Mitglieder. Seit 1949 bildet sie mit der CDU im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die älteste im Parlament vertretene Partei und blickt auf eine wechselvolle 150-jährige Geschichte zurück. Sie gilt neben der CDU als zweite große Volkspartei. Ihre Grundwerte sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Wichtige Meilensteine waren die 1959 die Neuorientierung der Partei mit dem "Godesberger Programm", die Neue Ostpolitik sowie der Umbau der Sozialsysteme - die "Agenda 2010". Die SPD hat derzeit über 477.000 Mitglieder.

Die Freie Demokratische Partei (FDP) sieht sich in der Tradition des deutschen Liberalismus. Sie wurde 1948 als Zusammenschluss liberaler Landesparteien gegründet. Zentrale Ziele der Partei sind die Stärkung von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen, Rechtsstaatlichkeit sowie eine offene Bürgergesellschaft. Seit den 1980er Jahren verstärkte die Partei ihren wirtschaftsliberalen Kurs. In ihrer Geschichte koalierte sie sowohl mit der SPD als auch mit der CDU/CSU. Der Partei gehören knapp 59.000 Mitglieder an. Die Partei Die Linke entstand 2007 durch einen Zusammenschluss von Die Linkspartei.PDS und der Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Wahlalternative (WASG). Sie spricht sich für einen demokratischen Sozialismus aus. Die Linkspartei war 2005 aus der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) entstanden, der Nachfolgeorganisation der früheren Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Ende 2012 gehörten der Partei Die Linke insgesamt knapp 64.000 Mitglieder an.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat ihren Ursprung in den umwelt- und friedenspolitisch orientieren Bürgerbewegungen der 1970er Jahre. Nach ihrer Gründung 1980 wurden die Partei erstmals 1983 in den Bundestag gewählt. 1990 vereinigte sie sich mit dem ostdeutschen Bündnis 90. Die Partei tritt für eine Orientierung an Ökologie, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und lebendige Demokratie ein. Sie verfügt derzeit über knapp 60.000 Mitglieder