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Maliki entdeckt die Provinz

IRAK Premier stärkt seine Position bei Regionalwahlen, während sein Kabinett in Bagdad zerfällt

29.04.2013
2023-08-30T12:23:58.7200Z
3 Min

Für diesen Triumph hat er wochenlang gekämpft: Iraks Premierminister Nuri al-Maliki hat mit seiner "Rechtsstaatskoalition" bei den Regionalwahlen Mitte April in acht von zwölf Provinzen die meisten Stimmen erhalten. Unterdessen liefen ihm in Bagdad reihenweise die Minister im Kabinett davon. Seine Koalitionspartner werfen ihm vor, den Irak wieder schleichend in eine Diktatur zu führen.

Doch in den Provinzen ist Maliki künftig die Nummer eins und kann bei der Zusammensetzung der Räte ein gewichtiges Wort mitreden. Ausgerechnet Maliki, der immer für eine starke Zentralregierung plädierte und den Föderalismus als Separatismus verwarf, setzt jetzt auf die Stärkung der Provinzen. Noch nie haben ihn seine Landsleute so oft in Wasit, Muthanna, Babylon oder auch Basra gesehen wie in diesem Wahlkampf. Jeden kleinsten Hühnerstall weihte er ein, durchschnitt Bänder für geflickte Straßen und hielt Bürgersprechstunden ab. Immer dabei: der Staatssender Iraqia. Es waren die dritten Provinzwahlen, nachdem Diktator Saddam Hussein vor zehn Jahren gestürzt wurde.

Im Einsatz

Hamid hatte schon vor allen anderen einen lilafarbenen Finger gehabt. Er ist Polizist in Bagdad und musste bereits eine Woche vor dem festgesetzten Wahltermin für die Provinzräte seine Stimme abgeben und den Zeigefinger in die Tinte tauchen. Denn die Sicherheitskräfte waren am Wahltag rund um die Uhr im Einsatz. Ausgang gab es weder für die rund 400.000 Polizisten, noch für die 250.000 Soldaten im Irak. Hamid hat mit seinen 26 Jahren schon einen Riesenkarrieresprung hinter sich. Auf halbem Weg seines Informatikstudiums hat er sich bei der Polizeiakademie beworben und wurde sofort angenommen. Heute ist er Leutnant, hat zwei Sterne auf den Schultern, trägt Verantwortung für den Schutz diverser ausländischer Botschaften und verdient 1.200 US-Dollar im Monat. Ein stattliches Gehalt für einen jungen Iraker dieser Tage. "Wir stehen aber auch immer mit einem Bein im Grab", rechtfertigt er die gute Bezahlung. Einer seiner Untergebenen liegt nach einem Bombenanschlag in der vergangenen Woche mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Der Irak hat blutige Wochen hinter sich: Eine Serie von Terroranschlägen begleitete den Wahlkampf, Proteste und Aufstände die Wahltage. Bis am vergangenen Donnerstagabend die Ergebnisse bekanntgegeben wurden, starben mehr als 200 Menschen. Allein 14 Kandidaten kamen bei Attentaten ums Leben. Dass nur in zwölf von 18 Provinzen gewählt wurde, weil in dreien die Sicherheitslage zu schlecht schien und die drei kurdischen Provinzen erst im September wählen wollen, änderte nichts an der dramatischen Zunahme der Gewalt. Die UN-Mission im Irak teilte mit, dass im März 456 Menschen getötet wurden. Davon waren die Hälfte Mitglieder der Sicherheitskräfte. Die Opferzahlen haben sich im Vergleich zum letzten Jahr fast verdoppelt. Seitdem die US-Soldaten Ende 2011 den Irak verlassen haben, steigt die Zahl der Anschläge aber wieder kontinuierlich an.

Geringe Wahlbeteiligung

Hamid hat für die "Rechtsstaatskoalition" von Premierminister Maliki gestimmt. "Obwohl wir eigentlich keinen Rechtsstaat haben", wie er kritisch anmerkt. Doch ihm habe er sein momentan gutes Einkommen zu verdanken, begründet der Polizist seine Entscheidung. Als Wahlgeschenk hat der Premier versprochen, die Gehälter der Staatsbediensteten bald anheben zu wollen. So sind denn auch 72 Prozent der Soldaten und Polizisten zur Wahl gegangen: der einzige Rekord bei diesem Urnengang. Ansonsten blieb gut die Hälfte der Wahlberechtigten zuhause. In Bagdad gingen nur 33 Prozent wählen, der niedrigste Wert im ganzen Land. Salah il-Din mit der Provinzhauptstadt Tikrit im Nordosten brachte es immerhin auf 61 Prozent und wurde damit Spitzenreiter.

Im Irak zeichnet sich derzeit eine politische Zweiteilung zwischen dem Norden und dem Süden ab. Während die acht Provinzen, in denen die "Rechtsstaatskoalition" als Sieger hervorging, alle südlich von Bagdad liegen und die Hauptstadt mit einschließen, hat Maliki in den nördlichen Provinzen keine Chance. Dort toben seit Monaten anhaltende Proteste gegen ihn, die er jetzt durch die Armee blutig niederschlagen lässt. In dem Dorf Hauwija, in der Nähe von Kirkuk, sind an einem Tag fast 50 Menschen getötet worden.