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Vertagte Entscheidung

STASI-AKTEN Zukunft der Behörde ist weiterhin ungewiss

15.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
3 Min

Kaum hatte Roland Jahn sein Amt als neuer Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen (BStU) im März 2011 angetreten, da preschte er schon mit einer sehr handfesten Forderung nach vorne: Er werde sich nicht damit abfinden, dass in der Behörde noch immer 47 Mitarbeiter beschäftigt seien, die früher für die Stasi gearbeitet hätten. Dies sei ein "Schlag ins Gesicht der Opfer" und zudem mit der Glaubwürdigkeit der Stasi-Unterlagen-Behörde nicht vereinbar. Die betroffenen Mitarbeiter waren bei Gründung der Stasi-Unterlagen-Behörde bewusst eingestellt worden, um auf ihr Wissen zurückgreifen zu können.

Die Reaktionen auf dem politischen Parkett auf Jahns Forderung hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können. Während die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP das Ansinnen unterstützten, hagelte es aus den Oppositionsfraktionen teilweise massive Kritik. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Dieter Wiefelspütz hielt Jahn entgegen, die Stasi-Unterlagen-Behörde sei keine Einrichtung, "in der es um Menschenjagd geht". Offen sprach zog Wiefelspütz in Frage, ob Jahn für den Posten geeignet sei.

Der Bundestag hatte den früheren DDR-Bürgerrechtler am 25. Januar 2011 als Nachfolger von Marianne Birthler zum neuen Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde gewählt. Der 1953 in thüringischen Jena geborene Jahn war 1983 gegen seinen Willen wegen seiner Opposition zur SED-Diktatur aus der DDR abgeschoben worden.

Novelle

Union und FDP nahmen Jahns Vorstoß dann zum Anlass, das Personalproblem in der anstehenden Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes zu lösen. In ihrem vorgelegten Gesetzentwurf, den der Bundestag am 30. September gegen die Stimmen der Linksfraktion und bei Enthaltung der SPD und der Grünen annahm, wurde ein generelles Beschäftigungsverbot für frühere Stasi-Mitarbeiter verankert. Die verbliebenen Mitarbeiter sollten auf gleichwertige Arbeitsplätze im Bundesdienst versetzt werden, wenn dies zumutbar sei. Zum gewünschten Erfolg hat die Regelung bislang jedoch nicht geführt. Noch immer arbeiten 39 der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter in Jahns Haus. Es stünden derzeit nicht ausreichend adäquate Arbeitsplätze in der Bundesverwaltung zur Verfügung, erklärte Jahn im März dieses Jahres.

Weiterhin ungeklärt ist auch die Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde selbst. Bereits bei ihrer Gründung im Jahr 1991 war klar gewesen, dass die Aktenbestände eines Tages in das Bundesarchiv überführt werden sollen. Da für die Akten der Stasi-Opfer unter anderem jedoch ein höherer Datenschutz gilt als im Bundesarchiv besteht, ist dies rechtlich nicht ohne weiteres möglich. Eigentlich hatte der Bundestag 2008 beschlossen, in der 17. Legislaturperiode eine Kommission einzusetzen, um über die Zukunft der Behörde zu entscheiden. Doch weder wurde diese eingesetzt, noch wurde anderweitig geklärt, wie es nach dem Jahr 2019 weitergehen soll.

Umstritten war die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes auch, weil sie eine Ausweitung der Überprüfungsmöglichkeiten auf eine frühere Stasi-Tätigkeit vorsieht. So können nun Bedienstete im öffentlichen Dienst bereits ab der Besoldungsgruppe A9/E9 überprüft werden. Gegen diese Ausweitung 20 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur wehrten sich SPD und Grüne. Eine Überprüfung dürfe nur stattfinden, wenn auch "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine frühere Stasi-Tätigkeit vorliegen. Und Die Linke forderte eine völlige Einstellung der Überprüfungen.

Unstrittig hingegen waren die Regelungen, mit denen das Recht auf Einsicht in die Stasi-Akten für die Angehörigen von verstorbnen Stasi-Opfern und für die Wissenschaft ausgeweitet wurden. In der Folge stieg die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht 2012 erstmals seit vielen Jahren wieder deutlich an.