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Pendelschlag von Schwarz-Gelb zu Rot-Rot-Grün

WECHSEL II Im Bundesrat hat sich das Lager der Bundestagsopposition seit 2009 die Mehrheit schrittweise zurückerobert

15.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
3 Min

Manchmal wiederholt sich Geschichte doch: Nach Ablösung der schwarz-gelben Bundesregierung im Herbst 1998 konnte sich Rot-Grün auch auf eine gleichfarbige Mehrheit im Bundesrat stützen - bis zur Landtagswahl in Hessen im Februar 1999. Dort löste Roland Koch (CDU) den SPD-Politiker Hans Eichel als Ministerpräsident ab, die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat war dahin, und der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) musste sich in seiner restlichen, bis 2005 währenden Amtszeit immer wieder mit den Schwarzen oder Gelben in der Länderkammer arrangieren. Dies galt noch mehr, nachdem Schwarz-Gelb 2002 selbst die Bundesrats-Mehrheit hatte.

Neu gemischt

Das gleiche Spiel erlebte Schröders Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) in der ablaufenden Wahlperiode umgekehrt. Ihre Koalition aus Union und FDP konnte sich nach ihrem Antritt 2009 just ein halbes Jahr an einer schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat freuen. Schon im Mai 2010 wurden mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Karten auch in der Länderkammer neu gemischt: Rot-Grün löste die CDU/FDP-Koalition an Rhein und Ruhr ab, womit auch die sechs Bundesratsstimmen des Landes die Seiten wechselten. Damit hatte Schwarz-Gelb seine Mehrheit im Bundesrat verloren.

Auf diese Mehrheit kommt es insbesondere

bei sogenannten Zustimmungsgesetzen an, die - der Name besagt es - der Zustimmung der Länderkammer bedürfen. Dafür ist die Mehrheit der insgesamt 69 Bundesratsstimmen erforderlich, also 35. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, in dem jedes Bundesland je nach Bevölkerungsgröße zwischen drei und sechs Stimmen hat, wirken sich also direkt auf die Gesetzgebung des Bundes aus.

Nach dem Wechsel in NRW hatte zwar Schwarz-Gelb nicht mehr das Sagen im Bundesrat, aber auch die SPD-Koalitionen mit Grünen oder Linken waren dort zunächst noch von einer eigenen Mehrheit klar entfernt. Da sich Landeskoalitionen aus Parteien, von denen im Bund jeweils eine an der Regierung und eine in der Opposition ist, bei strittigen Abstimmungen im Bundesrat in der Regel enthalten, werden ihre Stimmen dem neutralen Lager zugerechnet.

Die Parteien der Bundestagsopposition näherten sich jedoch schrittweise der 35-Stimmen-Marke: Nach der Hamburger Bürgerschaftswahl vom Februar 2011, der im Herbst 2010 der Bruch der schwarz-grünen Koalition vorausgegangen war, stärkte die SPD-Alleinregierung des Stadtstaates das rot-rot-grüne Bundesratslager um drei Stimmen. Weitere sechs Stimmen brachte der Regierungswechsel in Baden-Württemberg, wo nach der Landtagswahl vom März 2011 Grün-Rot die CDU/FDP-Koalition ersetzte. Im Gegenzug wanderten nach der Abgeordnetenhauswahl in Berlin vom September 2011 vier Bundesratsstimmen ins neutrale Lager, als dem rot-roten Senat eine große Koalition folgte. Ebenfalls eine große Koalition ging aus der saarländischen Landtagswahl vom März 2012 hervor, zu der es nach dem Bruch der schwarz-gelb-grünen Koalition gekommen war. Auch die drei saarländischen Bundesratsstimmen zählen also zum neutralen Lager.

Eine neuerliche Stärkung der rot-rot-grünen Bank um vier Stimmen brachte die Landtagswahl in Schleswig-Holstein vom Mai 2012, nach der die "Dänen-Ampel" aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) die CDU/FDP-Koalition ablöste. Den Sprung über die 35-Stimmen-Hürde schaffte das Lager der Bundestagsopposition schließlich mit der Landtagswahl in Niedersachsen vom 20. Januar 2013, die ihr mit dem Wechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün weitere sechs Stimmen brachte.

Damit kommen die von der SPD allein oder mit den Grünen (plus SSW) beziehungsweise Linkspartei regierten Länder Baden-Württemberg, Bremen, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gemeinsam auf 36 Stimmen im Bundesrat. Ihnen stehen zusammen 15 Stimmen der schwarz-gelb regierten Länder Bayern, Hessen und Sachsen gegenüber, während die großen Koalitionen von Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und 'Thüringen über insgesamt 18 Stimmen verfügen. An diesem Kräfteverhältnis wird sich in diesem Jahr nichts Entscheidendes verändern, auch wenn im Herbst noch Landtagswahlen in Bayern und Hessen anstehen: Da dort bereits Koalitionen aus Union und FDP regieren, kann Schwarz-Gelb sein Stimmenkonto im Bundesrat bestenfalls halten, während die rot-rot-grüne Mehrheit in der Länderkammer nicht gefährdet ist.