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Die Kurzzeit-Parlamentarierin: Susanne Kieckbusch

15.07.2013
2023-08-30T12:24:03.7200Z
3 Min

Ich war noch nie so weit weg vom Leben wie hier." Susanne Kieckbusch sitzt ganz entspannt in ihrem Büro und kann schon nach sechs Monaten Bilanz ihrer Bundestagszeit ziehen. Im Januar war die 52-jährige Grüne für den zum Stuttgarter OB gewählten Abgeordneten Fritz Kuhn ins Parlament nachgerückt. Im Oktober scheidet sie definitiv aus, weil sie auf der baden-württembergischen Landesliste ihrer Partei einen aussichtslosen Platz für die Bundestagswahl 2013 erhalten hat. Für die Hauptschullehrerin aus Balingen war der überraschende Wechsel in den Bundestag zum Ende der Legislaturperiode ein Stück Selbsterfahrung. Politik hatte sie bisher nur als Freizeit-Mandatsträgerin im heimischen Kommunal- und Kreisparlament erlebt.

Jetzt ein halbes Jahr Stress pur: voller Terminkalender, permanente Wahlkreispräsenz, Einfügen in die Fraktionsdisziplin. Weil die plötzlich Berufspolitikerin gewordene Susanne Kieckbusch vor ihrem Berlin-Wechsel nach eigenem Bekunden sich "nichts" über die Politikwelt in der Hauptstadt vorgestellt hatte, will sie nun auch nicht enttäuscht sein. "Ich habe mich im Bundestag sehr fremdbestimmt gefühlt", sagt sie gleichwohl. Selbst als Lehrerin habe sie trotz Schulbürokratie ihr "Leben viel freier gestalten können".

Was hat Susanne Kieckbusch in der kurzen Mandatszeit gelernt? "Unendlich viel. Französisch zum Beispiel", sagt sie und lacht dabei. Derzeit macht sie mit einem Fraktionskollegen einen Französisch-Intensivkurs in Berlin, weil sie das Fach nicht in der Schule hatte. Und sonst? Ganz beeindruckt war sie stets von manchem Fachvortrag von Spezialisten, die ihr in kurzer Zeit neue Erkenntnisse brachten. Zum Beispiel, wenn hohe Ministerialbeamte in Sitzungen ihr in Jahrzehnten erworbenes Fachwissen preisgaben. "Das hat mich immer beeindruckt. Schade, dass uns die Beamten nicht alles sagen dürfen, was sie wissen", sagt Kieckbusch.

Im Wirtschaftsausschuss nahm die Musikpädagogin und Gitarristin Fritz Kuhns Platz ein. Voll des Lobes ist sie für den nach mehr als drei Jahrzehnten aus dem Bundestag ausscheidenden Ausschusschef Ernst Hinsken (CSU): "Einer zum Knuddeln." Die selbstverliebten Auftritte der "paar Alphamännchen", die sich im Ausschuss profilieren wollten, habe Hinsken stets schnell unterbunden.

Neben ihrer Lehrertätigkeit ist Susanne Kieckbusch über Frauenthemen in die Politik gekommen. Mit einer Frauenliste zog sie 2004 in den Balinger Gemeinderat ein, 2005 wechselte sie zu den Grünen. Ihre Ideale von persönlicher Freiheit, Menschen- und Bürgerrechten oder Umweltschutz sah sie am besten von den Grünen vertreten. Für diese Partei saß sie im Gemeinderat und im Kreistag. Die ehrgeizige Kämpferin wollte in der Politik weiter nach oben, kandidierte unermüdlich - für das Oberbürgermeisteramt, den Landtag, den Bundestag. Im Dezember 2012, noch vor ihrem Bundestagseinzug, dann ein ernstlicher Rückschlag: Auf einem Landesparteitag wurde sie von der Basis von Platz 19 auf 35 heruntergestuft, aussichtslos für einen Bundestagseinzug 2013. "Kein Kommentar", sagt sie heute dazu. In Zeitungsberichten ist zu lesen, dass sie den Absturz auch auf ein Bündnis großstädtischer Delegierter gegen die "Provinz"-Vertreter zurückführt. Jedenfalls lernte sie in der Fraktion in einem Coaching, mit dieser Situation umzugehen.

Susanne Kieckbusch ist Tochter einer mittelständischen Unternehmerfamilie. Wie viele aus solchen Kreisen findet sie Baden-Württembergs Grüne mit ihrem bürgerlichen Touch attraktiv. Früher habe sie mal FDP gewählt, "aber seit Petra Kelly wähle ich nur noch grün", sagt Kieckbusch. Mit alten Begriffen wie Realo oder Fundi bei den Grünen kann sie nichts anfangen: "Das ist etwas aus dem 20. Jahrhundert", sagt sie und mag sich keinem Flügel zuordnen.

Was macht die verheiratete Mutter einer Tochter, wenn sie im Oktober aus dem Bundestag ausscheidet? Zurück an die Hauptschule, wo sie beurlaubt ist? Das sei alles "total offen". Für einen Bundestagsabgeordneten "öffnen sich viele Dinge bundesweit", sagt sie geheimnisvoll. Im Sommer wird sie im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen als Direktkandidatin für die Bundestagswahl noch einmal für sich und ihre Partei werben. Mehr Zeit wird Susanne Kieckbusch demnächst für ihre erste Leidenschaft vor der Politik finden: Gitarre spielen, was sie schon als Fünfjährige lernte.