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Richtige Höhe

POLITIKER Ein Gesetz zur Abgeordnetenbestechung kam nicht zustande. Die Auskunft zu Nebeneinkünften ist neu geregelt

05.08.2013
2023-08-30T12:24:03.7200Z
6 Min

Wenn es ums Geld der Abgeordneten geht, erhitzen sich schnell die Gemüter. Man erinnere sich nur an den Plan der Kohl-Regierung von 1995, im Zuge einer umfassenden Parlamentsreform die Abgeordnetenentschädigung qua Grundgesetz an die Gehälter der obersten Bundesrichter zu koppeln. Diesen Plan vereitelte schließlich die SPD mit ihrer Mehrheit im Bundesrat. Übrig blieb eine Regelung im Abgeordnetengesetz, wonach sich die Diäten der Bundestagsabgeordneten an den Gehältern der Bundesrichter "orientieren" sollen.

In der nun zu Ende gehenden Wahlperiode erhitzten sich die Gemüter weniger an der Diätenfrage als an dem Problem der Abgeordnetenbestechung beziehungsweise deren Verhinderung und Sanktionierung. Die Fronten der handeln Akteure waren dabei lange klar: Regierungsfraktionen versus Oppositionsfraktionen. Letztere hatten jeweils eigene Gesetzentwürfe vorgelegt, in denen sie für eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren plädierten, wenn ein Mitglied von Bundestag, Landtag oder Gemeinderat "für eine Handlung oder Unterlassung, die im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats steht, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt". Über die erste Lesung kamen die drei Vorlagen sehr zum Unmut der Opposition nicht hinaus, "Verschleppungstaktik" und "Sabotage" lautete deren Kritik.

Internationale Vorgaben

Hintergrund für die Forderungen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ist die seit zehn Jahren ausstehende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption durch den Bundestag. Diese verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, Korruption von Amtsträgern und Abgeordneten zu bestrafen. Zwar unterschrieb die Bundesregierung im Jahr 2003 das Dokument. Um es vom Bundestag ratifizieren zu können, ist jedoch eine Änderung des Paragrafen 108e des Strafgesetzbuches nötig. In diesem wird der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung bisher so definiert: "Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit einer Freiheitstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Stimmenkauf ist somit strafbar. Wenn ein Abgeordneter aber Geld oder andere Gegenleistungen etwa für das Einbringen eines Änderungsantrages annimmt, passiert bisher nichts. Auch nachträgliche "Dankeschön-Spenden" als Belohnung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten bleiben straflos.

Nun ist die Bundesrepublik Deutschland keine Bananenrepublik und es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Punkte ein ernstes Problem darstellen. Doch die Grenzen zwischen Lobbyarbeit und Korruption sind manchmal fließend. Prävention kann also nicht schaden - dachte sich die Opposition. CDU/CSU und FDP bezweifeln dagegen die Relevanz einer Gesetzesnovelle - nicht, weil sie nicht gegen Korruption sind, sondern weil sie befürchten, dass Abgeordnete mit Kontakten in die Wirtschaft automatisch unter Generalverdacht gestellt werden. Pikanterweise appellierte aber "die Wirtschaft" im Namen von 35 Unternehmen, darunter 26 Dax-Konzerne, 2012 an die Bundesregierung, die UN-Konvention endlich zu ratifizieren. Ansonsten leide das Ansehen der deutschen Unternehmen im Ausland, so das Argument.

Ob es nun dieser Appell war, der den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU) dazu bewog, seine jahrelange Ablehnung verschärfter Antikorruptionsrichtlinien ("Wir brauchen keinen Staatsanwalt im Parlament") aufzugeben und sich in den vergangenen Monaten zum Vorkämpfer derselben zu wandeln, bleibt unklar. Fest steht, er hat diesen Kampf vehement und öffentlichkeitswirksam geführt, sogar mit den drei Oppositionsfraktionen zusammen eine eigene Initiative gestartet. Letztlich scheiterte dieser Plan am Widerstand der Koalitionsfraktionen. "Ich habe nicht mal eine Antwort bekommen. Das ist auch nicht die feine Art", ärgerte sich Kauder in einer Pressekonferenz Anfang Juni über das Schweigen seines Parlamentarischen Geschäftsführers. Und einen letzten Versuch von SPD und Grünen, mit zwei Änderungsanträgen zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in der letzten Sitzungswoche doch noch die Abgeordnetenbestechung neu zu regeln, lehnten CDU/CSU und FDP ebenfalls mit verfassungsrechtlichen Bedenken ab. Sie stellten jedoch einen neuen Anlauf nach der Wahl in Aussicht.

Die richtige Höhe

Geht es nach dem Willen von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der sich ebenfalls für neue Antikorruptionsregeln ausgesprochen hatte, sollten nach der Wahl auch die Diäten der Bundestagsabgeordneten neu geregelt werden. Lammert plädierte in der vergangenen Woche für eine Reform, um die Bezüge der Volksvertreter an die Besoldung der obersten Bundesrichter in Deutschland zu knüpfen. Die Orientierung an den Richter-Gehältern sei zwar schon lange geltende Rechtslage, nun müsste sie auch umgesetzt werden, sagte der Bundestagspräsident.

Die Vorstellungen über die "richtige" Höhe der Diäten sind ungefähr so zahlreich, wie es Abgeordnete gibt. Und die Aussagen des Grundgesetzes dazu sind daran nicht unbeteiligt. Denn es bestimmt in Artikel 48 Absatz 3: "Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung." Aber was ist "angemessen" für eine Arbeitswoche, die selten bei 40 Stunden und am Wochenende endet und wer soll darüber entscheiden? Ginge es nach dem Willen der Abgeordneten, würden sie diese Entscheidung gern anderen überlassen, um dem stets wiederkehrenden Vorwurf der Selbstbedienungsmentalität aus dem Weg zu gehen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss aber der Bundestag jede Erhöhung der Entschädigung vor den Augen der Öffentlichkeit selbst entscheiden. Zuletzt wurde das Abgeordnetengesetz, das die finanziellen Zuwendungen genau regelt, im Jahr 2011 geändert. Demnach beziehen Abgeordnete des Bundestages seit 1. Januar 2013 eine Entschädigung von 8.252 Euro im Monat.

Das Gesetz von 1977 geht auf das sogenannte Diäten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 zurück, in dem es heißt, dass die Höhe der Entschädigung der Bedeutung des Mandats und der damit verbundenen Verantwortung gerecht werden müsse. Und es regelt neben den Diäten auch die sogenannte Amtsausstattung der Abgeordneten für Büros, Mitarbeiter und Reisekosten, ferner das Übergangsgeld und die Altersversorgung: Scheidet ein Abgeordneter aus dem Parlament aus, erhält er für jedes Jahr Mitgliedschaft einen Monat lang Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetendiät, längstens aber 18 Monate. Grundlegend neu gestaltet wurde 2008 die Altersentschädigung, die seitdem keine Vollversorgung mehr darstellt. Nach dem ersten Jahr Mitgliedschaft beträgt sie 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung, steigt mit jedem weiteren Jahr der Mitgliedschaft um 2,5 Prozent an und erreicht nach 27 Mitgliedsjahren höchstens 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung.

Gut dotierte Vorträge

Das zweite Aufreger-Thema in dieser Legislaturperiode waren neben der Bestechung die Nebeneinkünfte der Parlamentarier. Im Abgeordnetengesetz heißt es dazu, dass das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Bundestagsmitglieds stehen muss, aber Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art grundsätzlich zulässig sind. Details zu deren Veröffentlichung sind in den Verhaltensregeln für Abgeordnete geregelt, die Teil der Geschäftsordnung sind. Derzeit werden sie in drei Stufen veröffentlicht: Unter einer Bagatellgrenze von 1.000 Euro müssen sie nicht angezeigt werden. Die erste Stufe umfasst Einkünfte bis 3.500 Euro, die zweite Einkünfte bis 7.000 Euro und die dritte alle Einkünfte über 7.000 Euro.

Unter dem Eindruck der Debatte um die Höhe der Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück Ende 2012 beschloss die schwarz-gelbe Regierung im März 2013, die geltenden drei Stufen auf zehn Stufen zu erweitern. Die zehnte Stufe beginnt bei 250.000 Euro und ist nach oben hin offen. Das bezeichnen Organisationen wie LobbyControl zwar als "Fortschritt" aber längst nicht ausreichend und fordern eine Offenlegung auf Euro und Cent (dies fordern auch SPD und Linke). Insbesondere durch die nach oben hin offene letzte Stufe lasse sich nicht konkret nachvollziehen, ob die Höhe der Entlohnung in einem angemessenen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht. Die Aktivisten fordern in ihrem "Lobbyreport 2013" transparentere Regeln zur Herkunft der Einkünfte und kritisieren, dass die Abgeordneten bei honorierten Vorträgen über Redneragenturen bisher nur die Agentur als Herkunft angeben, der tatsächliche Auftraggeber aber dadurch unsichtbar bleibe. Nebentätigkeiten könnten so ein "Einfallstor für Lobbyisten" werden, warnt LobbyControl.

Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass in den Jahren 2012 und 2013 von insgesamt 620 Abgeordneten 133 Nebeneinkünfte, 76 davon in Stufe 3 hatten. Es bleibt abzuwarten, welcher Erkenntnisgewinn sich aus den künftigen zehn Stufen tatsächlich ergibt.