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"Das ist doch nichts Besonderes"

EHRENAMTLICHE in Aktion Unterwegs mit dem Kinderhospizverein, im interkulturellen Garten und bei Demenz-Patienten

19.08.2013
2023-08-30T12:24:03.7200Z
4 Min

Ehrenamtlich arbeiten im Kinderhospizverein: Für viele Menschen ist das nur schwer vorstellbar. Nach zu viel Leid, zu viel Schwermut klingt das für die meisten. Dass es da, wo Schwerkranke, Sterbende und ihre Familien betreut werden, auch fröhlich zugehen kann, scheint im ersten Moment un- denkbar. Und doch erlebt Heike Urban viele glückliche Momente genau dann, wenn sie als Ehrenamtliche für den ambulanten Dresdner Kinderhospizdienst unterwegs ist. Denn dann kümmert sie sich um Kaya und Samira , zwei kleine Mädchen (fünf und sieben Jahre alt), deren vierjähriger Bruder von der Organisation betreut wird. Er leidet am Menkes-Syndrom, einem schweren Gendefekt, der zur Rückbildung von Nervenzellen im ganzen Körper und in den meisten Fällen innerhalb der ersten drei Lebensjahre zum Tod führt. Riccardo braucht eine Rundumbetreuung, die seinen Eltern nur wenig Zeit für seine Schwestern lässt. Und Zeit ist es, die sich Heike Urban für die beiden Mädchen nimmt: An jedem zweiten Montag, im Wechsel mit einer anderen Ehrenamtlichen, holt die 43-Jährige Kaya und Samira aus Kita und Hort ab und verbringt den Nachmittag mit ihnen. "Im Sommer gehen wir baden oder zum Entenfüttern an die Elbe. Im Winter gehen wir in die Bibliothek und basteln viel. Es gibt ja tausend Dinge, die Kindern Spaß machen."

Freude über Kleinigkeiten

Heike Urban ist eine zurückhaltende Frau. Aber ihre Augen leuchten, wenn sie über die Zeit mit den Mädchen spricht. "Ich merke, wie die schon auf mich warten und gleich wissen wollen, was wir unternehmen. Allein diese Freude zu spüren, bedeutet mir viel." Sie strahlt, wenn sie erzählt, wie Kaya und Samira mit ihr gemeinsam zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Wellenbad waren. Oder wie sie sich über den ersten eigenen Bibliotheksausweis gefreut haben. "Da gibt es eine unglaubliche Begeisterung über Kleinigkeiten."

Im Dresdner Kinderhospizverein ist Heike Urban eine von 42 Ehrenamtlichen. Sie begleiten 15 Familien mit Kindern, bei denen eine "lebensverkürzende Erkrankung" festgestellt wurde. Diese offizielle Diagnose braucht es, damit Eltern das Angebot des Hospizdienstes in Anspruch nehmen können - kostenfrei. Nur zwei feste Stellen hat der Hospizdienst, "die Begleitung der Familien funktioniert nur, weil sich Menschen finden, die das freiwillig und ohne Bezahlung tun", sagt Mirko Luckau, einer der beiden Koordinatoren. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter betreuen kranke Kinder, kümmern sich um gesunde Geschwisterkinder oder erledigen Einkäufe. Oder sie sind da, wenn die Kinder sterben oder deren Eltern nach ihrem Tod den Kontakt noch wünschen.

Seit 2007 ist Heike Urban dabei. Damals dachten sie und ihr Mann über ein drittes Kind nach, beschlossen aber, sich auf andere Weise einen weiteren kleinen Menschen ins Leben zu holen. Die Wirtschaftsinformatikerin besuchte einen 80-stündigen Kurs, der sie vorbereiten sollte auf den Umgang mit kranken und sterbenden Kindern und ihren Familien. Eltern zu helfen, denen die Pflege ihrer schwerkranken Kinder kaum Zeit für anderes lässt, schien ihr sinnvoll. "Das ist eine unglaublich kräftezehrende Belastung." Dennoch hat sie zur Familie von Kaya und Samira kein wirklich enges Verhältnis. "Ich möchte mich da nicht reindrängen - es geht ja nicht darum, dass ich soziale Kontakte suche. Es entlastet die Mutter, wenn einmal wöchentlich jemand vom Hospizdienst die Nachmittagsbetreuung der Mädchen übernimmt; nicht mehr und nicht weniger." Diese Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen und einen klaren, unverstellten Blick auf das zu haben, was die Familien brauchen, sei wohl das, was seine Ehrenamtlichen am dringendsten bräuchten, sagt Mirko Luckau, "sie müssen offen sein für die Bedürfnisse der Mütter und Väter".

Für die Mutter von Kaya und Samira, Katja Schneuer-Weise, ist es eine große Hilfe, dass Heike Urban das kann. "Unsere Töchter können mit ihr mal etwas unternehmen, ohne auf einen von uns, speziell Riccardo, immer Rücksicht nehmen zu müssen. Sie können ohne Einschränkungen spielen." Heike Urban unterstütze die Mädchen beim "einfach nur Kind sein".

Aber auch für sie ist ihr Ehrenamt eine Bereicherung. "Es erdet mich. Zu erleben, wie begeistert die Kinder die Welt entdecken und ihnen dabei vielleicht ein paar Möglichkeiten zu schaffen, die sie sonst nicht hätten, das ist ein unglaublicher Gewinn - und es relativiert viel von den alltäglichen Problemen, die man so hat. Manchmal frage ich mich wirklich, wer mehr von unseren Treffen hat: die Mädchen oder ich."

Heike Urban weiß, dass der regelmäßige Nachmittag, den sie mit Kaya und Samira verbringt, von der Zeit abgeht, die sie für ihre eigenen, elf und 13 Jahre alten Kinder hat. Ihr Ehrenamt ist damit eines, das letztlich ihre ganze Familie betrifft. Sie rechne es ihren Kindern hoch an, dass die es ohne zu Murren akzeptierten, dass Ihre Mama regelmäßig tolle Dinge mit anderen Kindern unternehme, sagt sie. "Das ist nicht selbstverständlich." Außerdem, fügt sie mit einem Lächeln hinzu, engagierten sich ja auch andere Menschen ohne materiellen Gegenwert. "Ich sehe ja, was andere für meine Kinder leisten, etwa im Sportverein oder in der Kinderlesebühne. Da ist unsere Familienbilanz insgesamt recht ausgeglichen."