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Verzerrter Wille

VON JÖRG BIALLAS

16.09.2013
2023-08-30T12:24:05.7200Z
2 Min

Die mediale Aufmerksamkeit wächst, die Spannung steigt: Im Rennen um die personelle Besetzung des 18. Deutschen Bundestages haben die Kandidaten die Zielgerade erreicht. Zuckelte der Wettbewerb anfangs im Dauerlauf-Tempo fast gelangweilt vor sich hin, hat die Konkurrenz inzwischen Fahrt aufgenommen. Jetzt, im Endspurt, kann noch aufgeholt, aber ebenso vermeintlich sicherer Vorsprung wieder verspielt werden. In wenigen Tagen ist Zieleinlauf. Für die einen mit zum Jubel ausgebreiteten Armen, für andere mit vor Enttäuschung hängenden Köpfen.

Bis dahin versuchen die Parteien vor allem auch, in der stetig gewachsenen Gruppe der Nichtwähler Stimmen zu ergattern. Über die Verweigerer wird schon vor dem 22. September viel gesprochen; noch mehr wird vermutlich nach dem Wahlsonntag darüber diskutiert werden. Die immer gleichen Fragen lauten: Warum geben diese Menschen, 2009 immerhin fast jeder Dritte Wahlberechtigte, ihre Stimmen nicht ab? Aus Enttäuschung? Aus Gleichgültigkeit? Aus Vorbehalten gegenüber den praktizierten Mechanismen der Demokratie? Ist diese Gruppe am Ende gar gänzlich apolitisch? Oder banaler: Könnte es, zumal bei jungen Leuten, auch sein, dass es als "uncool" gilt, die Geschicke der Nation aktiv mitzubestimmen?

Fest steht: Wahlverweigerer sind keine organisierte Einheit. Sie stellen darum auch keine "Partei der Nichtwähler", wie häufig behauptet wird. Die gern bemühte Erklärung, die "Kreuzchen-Abstinenz" sei Ausdruck des Protestes gegen die bestehenden politischen Verhältnisse, greift ebenfalls zu kurz. Mit derselben Logik ließe sich behaupten, ein Nichtwähler plädiere dafür, dass alles so bleibt, wie es ist.

Es gibt kein einfaches, kein singuläres Rezept, das der durch Wahlverweigerer entstehenden Verzerrung bei der Definition von Volkes Willen entgegenwirkt. Eines aber ist Aufgabe aller verantwortungsbewussten Bürger: der stete Hinweis darauf, dass das Wählen die Voraussetzung für eine starke und nachhaltig gefestigte Demokratie ist.

Wenn stattdessen allerdings in einer sonntäglichen Fernseh-Talkshow das Nichtwählen als nachvollziehbare, ja ob der Defizite des Politikbetriebes nur folgerichtige Modeerscheinung deklariert wird, ist das nicht nur dummes Zeug. Besonders im öffentlich-rechtlichen Programm ist das vor allem eines: empörend.